Der britische Premierminister Boris Johnson stellt Anfang Februar 2020 im im Royal Naval College in London seine Pläne für die anstehenden Abkommensverhandlungen mit der EU vor.

Anstehende Verhandlungen Die EU fordert, Johnson schmettert ab

Stand: 03.02.2020 13:57 Uhr

Unterschiedlicher könnten die Standpunkte von EU und Großbritannien vor den anstehenden Verhandlungen um mögliche Abkommen nicht sein: Die EU stellt Bedingungen, Johnson will davon nichts hören.

Von Mit Informationen von Jens-Peter Marquardt, ARD-Studio London

Gerade einmal den dritten Tag ist Großbritannien raus aus der EU - und schon steigen die Spannungen zwischen London und Brüssel wieder. Denn die Zeit drängt: Beide Seiten müssen schnell an den Verhandlungstisch zurückkehren, um die künftigen Beziehungen zueinander in Verträgen und Abkommen festzuschnüren.

Klar ist schon jetzt: Die Abkommen wollen beide. Nur die Vorstellungen, wie die Vereinbarungen aussehen sollen, gehen schon jetzt auseinander. Ein "ehrgeiziges Handelsabkommen" solle es werden, sagte Michel Barnier, Chefunterhändler der EU, der für Brüssel auch schon federführend am Brexit-Deal mitgearbeitet hatte.

EU-Standards sollen weiter gelten

Der erste Part von Barniers Vorstellungen dürfte der britischen Regierung gefallen: Die EU strebe "keine Zölle und Einfuhrquoten auf alle Waren an", die aus dem Vereinigten Königreich in den europäischen Binnenmarkt exportiert werden. Doch dann folgte Einiges an Wenn und Aber, was gerade dem britischen Premierminister Boris Johnson gar nicht schmecken dürfte.

Denn die EU knüpft den breiten Zugang zum eigenen Binnenmarkt an Bedingungen: Großbritannien müsse künftig einen "offenen und fairen Wettbewerb" führen, forderte Barnier - und das bedeute, dass sich London auch weiterhin an von der EU gesetzte Standards halten müsse, sei es beim Handel, bei der Klima- oder Steuerpolitik. Dafür müsse es "wirksame Garantien" geben.

Barnier fordert Zugang zu britischen Fischereigründen

Und die zweite Bedingung: Zugang für die EU zu britischen Gewässern, den dortigen Fischereigründen und den britischen Markt, um dort eigene Produkte anbieten zu können. Einen "gegenseitigen Zugang nach Quoten" stellt sich Barnier vor.

Doch trotz aller Zugänge und möglicher Abkommen warnte Barnier die europäische Wirtschaft, dass es kein "business as usual" mit Großbritannien geben werde. In Zukunft handele es sich um "zwei getrennte Märkte" und damit seien Regeln etwa für Herkunfstbezeichnungen und gewisse Zollformalitäten unumgänglich.

Auch die Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, betonte erneut: "Es gibt keinen Freifahrtschein in den Binnenmarkt, sondern immer nur Rechte und Pflichten." Es sei eine "Frage der Fairness", dass sich Großbritannien an diese Regeln halte.

Abkommen für Himmel, Handel und Wasser

Kurz nachdem Barnier in Brüssel die Sicht der EU aufgezeigt hatte, trat in London auch Premier Boris Johnson vor die Presse, um seine Erwartungen an die kommenden Monate der Verhandlungen dazulegen. Und auch er will Abkommen, sogar gleich mehrere: für den Handel, für die Luftfahrt - und ja, auch für die Fischerei. Zu all dem sei Großbritannien bereit. Für das Fischereiaabkommen schlug Johnson beispielsweise jährliche Verhandlungen vor.

Aber dann kam Johnsons Bereitschaft schnell an ihre Grenzen. Zwar strebe Großbritannien ein Freihandelsabkommen mit der EU nach kanadischem Vorbild an. Das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada beinhaltet einen zoll- und quotenfreien Austausch von 98 Prozent der gehandelten Waren, legt aber auch bestimmte gemeinsame soziale und ökologische Standards fest. Aber sich für ein solches Abkommen EU-Regeln vertraglich aufbürden lassen? Das blockte Johnson vehement ab. Notfalls werde es eben auch ohne Handelsabkommen gehen:

Es gibt keinen Grund dafür, ein Freihandelsabkommen mit der Akzeptanz der EU-Regeln zur Wettbewerbspolitik, zu Subventionen, zu sozialen Rechten, zum Umweltschutz und ähnlichem zu verbinden. Jedenfalls nicht, solange nicht umgekehrt die EU auch die britischen Regeln akzeptiert.

EU soll neue britische Unabhängigkeit akzeptieren

"Wir untergraben die EU-Standards nicht", betonte Johnson weiter. Großbritannien werde auch künftig "die höchsten Standards in diesen Bereichen beibehalten, besser in vielerlei Hinsicht als die der EU - ohne den Zwang eines Vertrags". Auch zum Mittel der Dumpingpreise werde die britische Wirtschaft nicht greifen.

Sollte man sich nicht auf eine Art Kanada-Abkommen einigen, würden die Briten eine losere Partnerschaft nach Australien-Art anstreben, erklärte Johnson. Das Problem dabei: Die EU hat noch gar kein Abkommen mit Australien. Brüssel und Canberra verhandeln darüber noch. Und sicher ist, dass es ohne Kanada-Abkommen dann zu Zöllen und Quoten im Handel über den Ärmelkanal hinweg kommen würde.

"Bestehen wir etwa darauf, dass die EU alles so macht wie wir, als Preis für freien Handel? Nein, das tun wir nicht", sagte Johnson weiter. Die EU müsse Großbritanniens neue Unabhängigkeit und seine volle Souveränität akzeptieren. Und das Vereinigte Königreich sei nicht gezwungen, sich durch Abkommen an die EU zu binden. Er habe auch andere Möglichkeiten, sagte Johnson: Er strebe auch ein Abkommen mit Australien an und mit den USA. Allerdings sollten die dafür erst einmal die Zölle auf schottischen Whisky aufheben.

Großbritannien war in der Nacht zum Samstag aus der EU ausgetreten. Bis Ende 2020 gilt eine Übergangsphase, in der beide Seiten ihre künftigen Beziehungen aushandeln sollen. Die Zeit gilt als äußerst knapp. Sollten sich die britische Regierung und die EU in den kommenden Monaten nicht einigen können, droht erneut ein sogenanntes No-Deal-Szenario und letztendlich doch noch der harte Brexit.

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