Premierministerin Theresa May verlässt Downing Street
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Nach Unterhaus-Abstimmung Warum es beim Brexit nicht vorangeht

Stand: 30.01.2019 14:21 Uhr

Das Ringen um den Brexit geht weiter: Nach der Abstimmung im Unterhaus soll Großbritanniens Premierministerin May nun das Austrittsabkommen mit der EU neu aushandeln. Doch welche Chancen bleiben ihr?

Eine Mehrheit hat im britischen Parlament Premierministerin Theresa May ein klares Mandat erteilt: Die Regierungschefin soll zurück nach Brüssel und die EU von Änderungen im Austrittsvertrag überzeugen. Am 29. März soll es so doch noch einen geregelten EU-Austritt geben. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was hat das Unterhaus beschlossen?

Eine knappe Mehrheit von 317 zu 301 Stimmen hat einen Antrag des einflussreichen konservativen Hinterbänklers Graham Brady gebilligt. Er fordert, dass die von der EU verlangte Garantie für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland aus dem Brexit-Abkommen entfernt wird. Stattdessen will Brady "alternative Regelungen" im Austrittsabkommen. Premierministerin May hatte sich hinter diesen Antrag gestellt und betont, sie wolle mit einem möglichst klaren Mandat nach Brüssel zurückkehren und das Abkommen noch einmal aufschnüren. Zudem soll es nach einem Beschluss keinen ungeregelten Austritt geben - was aber nicht mehr als eine Willensbekundung ist.

Ist dies ein Erfolg für May?

Professor Gerhard Dannemann von der Humboldt-Universität in Berlin bewertet das Votum als "einen Schritt im Verhandlungsprozess", der allerdings nicht sehr erfolgreich sei. "Den gesamten ausgehandelten Vertrag ohne die Rückfalllösung für Nordirland wird die EU nicht schlucken", sagt Dannemann im Interview mit tagesschau24.

Dannemann vermutet, dass es dann "zum Schwur kommen werde", wenn May in zwei Wochen wieder vor das Parlament treten müsse, um zu verkünden, dass sie eine Änderung des Vertrages in Brüssel nicht durchbringe. "Dann werden sich die Fronten wieder verhärten."

Was können die Nachverhandlungen bewirken?

Mit den Nachverhandlungen will May das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen retten. Vor zwei Wochen hatte das Unterhaus den Deal abgelehnt. Mit einer Änderung des Backstops könnte das Parlament das Brexit-Abkommen ratifizieren. Dann wäre ein geregelter Austritt gesichert, negative Folgen für die Wirtschaft wären abgewendet und man könnte wie geplant in einer knapp zweijährigen Übergangsfrist die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien regeln.

Wie reagiert die EU?

Die ersten Reaktionen der EU waren deutlich: Der Backstop könne nicht geändert werden, ließ EU-Ratspräsident Donald Tusk über einen Sprecher erklären. Denn vor allem das EU-Mitglied Irland will eine harte Grenze zum britischen Nordirland auf keinen Fall riskieren.

Irlands Außenminister Simon Coveney sieht keine Alternative zu der vereinbarten Notfalllösung. Bei den zweijährigen Verhandlungen habe man nach anderen Wegen gesucht, um eine harte Grenze auf der Insel zu vermeiden, sagt Coveney dem Staatsrundfunk RTE. Es sei keiner gefunden worden, der funktioniere. "Und jetzt haben wir eine britische Premierministerin, die wieder für die gleichen Dinge wirbt, die wir geprüft haben."

Auch der EU-Parlamentarier David McAllister (CDU) hält den Backstop für nicht verhandelbar. "Der Backstop ist ein ganz wesentlicher Bestandteil des Austrittsabkommens", sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im EU-Parlament im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Das kann nicht zur Disposition gestellt werden."

Die Beschlüsse aus London würden in Brüssel sehr widersprüchlich aufgenommen, berichtet ARD-Korrespondentin Gudrun Engel. "Die Briten haben gesagt, sie wollen nochmal verhandeln, aber sie haben nicht gesagt, worüber sie verhandeln wollen", so Engel. Deshalb zeige sich Brüssel ratlos.

Was könnte ein Ausweg sein?

Die EU-Seite lässt sich eine Hintertür offen: Sie will zwar das 585 Seiten starke Austrittsabkommen mit dem Backstop nicht mehr anrühren, kann sich aber Änderungen an der "Politischen Erklärung" vorstellen, die zum Vertragspaket gehört und die die künftigen Beziehungen beider Seiten skizziert. Bisher ist sie sehr vage.

"Die Situation ist festgefahren," sagt ARD-Korrespondentin Engel. Brüssel sei bereit, über die Absichtserklärung zu sprechen. "Aber der Vertrag soll unangetastet bleiben." Ein Vorschlag aus Polen, der etwa eine Begrenzung des Backstops auf fünf Jahre vorsehe, erfuhr bisher wenig Reaktionen.

Professor Dannemann sieht eine mögliche Lösung darin, dass Großbritannien darüber nachdenke, in der Zollunion zu verbleiben. Dies würde eine Reihe von Problemen mit sich bringen, die gelöst werden müssten, sagt er. "Aber es wäre eine Ansatzpunkt."

Ein Labour-Antrag mit dem Ziel einer Zollunion fand im Unterhaus allerdings keine Mehrheit. Nicht nur die Brexit-Hardliner lehnen dies ab, auch für May kommt das nicht infrage. Für eine solche Kurskorrektur hat sie jetzt auch kein Mandat.

Spekuliert wird auch darüber, dass letztlich Irland der EU doch freie Hand lassen könnte, den Backstop aufzugeben. Denn ein Brexit ohne Vertrag könnte genau die Situation heraufbeschwören, die der Backstop verhindern soll: Grenzkontrollen an der neuen EU-Außengrenze.

Wie groß ist die Gefahr eines harten Brexits?

Bis zum Austrittsdatum 29. März sind es nur noch acht Wochen. Das ist knapp. Die stellvertretende EU-Unterhändlerin Sabine Weyand warnte schon vor der Londoner Abstimmung: "Es gibt ein sehr hohes Risiko eines (chaotischen) Bruchs, nicht nach einem bestimmten Plan, sondern aus Versehen." Auch Brexit-Experte Fabian Zuleeg von der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre sagte: "Wir sind sehr nah dran, dass uns einfach die Zeit ausgeht."

Brexit-Minister Stephen Barclay schließt einen ungeordneten Ausstieg ebenfalls nicht aus. Sein Land werde am 29. März ohne Abkommen aus der EU ausscheiden, "außer wir können uns auf etwas einigen", sagt er der BBC.

"Die EU will auf keinen Fall einen ungeordneten Brexit", sagt die Brüsseler ARD-Korrespondentin Engel. "Das wäre ein wirtschaftlicher Verlust auf beiden Seiten." Dennoch warte man auf eine Idee, wie London den Backstop gestalten wolle.

Kann der Brexit noch verschoben werden?

Die EU hält diesen Weg ausdrücklich offen. Würde Großbritannien einen Antrag auf Verlängerung der zweijährigen Austrittsfrist nach Artikel 50 der EU-Verträge stellen, würde man dies erwägen und einstimmig entscheiden, erklärte Tusk.

Allerdings fanden zwei Anträge mit eben diesem Ziel der Verschiebung des Austrittsdatums am Dienstag im britischen Parlament keine Mehrheit. Nicht ganz ausgeschlossen, dass sich das ändert, wenn der Tag X näher rückt. Letztlich könnte May noch bis unmittelbar vor dem Austrittsdatum den Antrag an die EU auch einseitig zurückziehen und so einem Chaos-Brexit entgehen.

Debattiert wird in London zudem der sogenannte Plan C: Großbritannien könnte vorerst weiter an die EU zahlen und sich dafür auch ohne das Austrittsabkommen eine Übergangsfrist erkaufen. Aber auch einen solchen "No-Deal-Deal" schließt Brüssel bisher aus.

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