Brexit-Befürworter mit einer Tasche, auf der "Wir haben 'Nein' gesagt" steht
Hintergrund

Nach Brexit-Abstimmung Das perfekte Dilemma

Stand: 16.01.2019 13:01 Uhr

Kein Ausweg in Sicht: Im verworrenen Brexit-Ringen gäbe es viele Optionen. Doch jede der Lösungen scheint nicht mehrheitsfähig. tagesschau.de skizziert das britische Dilemma.

Brexit-Abstimmung gescheitert - und nun? Europa erwartet eine Antwort aus London. Doch dort zeichnet sich derzeit nur eines ab: Chaos. Zu viele Parteien mit zu unterschiedlichen Interessen haben das Land in eine Sackgasse manövriert.

Am Abend muss sich Premierministerin Theresa May einem Misstrauensvotum stellen. Initiiert hat es die oppositionelle Labour Partei von Jeremy Corbyn. Das Ergebnis wird gegen 20.15 Uhr erwartet. May braucht 318 Stimmen, um das Votum politisch zu überleben. Beobachter rechnen damit, dass sie genügend Abgeordnete hinter sich bringen kann. Die verbündete nordirische Partei DUP, die am Dienstag gegen das Brexit-Abkommen gestimmt hatte, kündigte an, für die Premierministerin votieren zu wollen. Auch parteiinterne Kritiker wollen beim Misstrauensvotum für die Regierungschefin stimmen.

Sollte May verlieren, muss sie nicht automatisch zurücktreten. Es würde eine 14-tägige Übergangsfrist folgen, in der jede Partei - einschließlich Mays konservative Tories - versuchen kann, eine neue Regierung zu bilden. Wird binnen 14 Tagen keine neue Regierung gebildet, wären Neuwahlen die Folge.

May will den Brexit abschließen

Einen Rücktritt lehnt May bisher ab. "Es ist meine Verpflichtung, beim Brexit zum Ziel zu kommen", sagt sie. Damit ist sie nicht allein. In ihrer konservativen Partei hat kaum jemand ein Interesse an Neuwahlen. Denn der Ausgang einer Wahl in dem zutiefst gespaltenen Land scheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt völlig offen.

Eine Neuwahl könnte jedoch eine gütliche Brexit-Lösung voranbringen. Etwa dann, wenn die oppositionelle Labour-Partei stärker würde. Sie befürwortet mehrheitlich eine engere Bindung an die EU. Doch wie sich Corbyn einen Brexit-Deal vorstellt, ist völlig offen.

Mehr Zeit oder vollständige Absage

Bliebe May im Amt, könnte sie um eine Verlängerung der Austrittsfrist über den 29. März hinaus bitten. Bisher hat das die Premierministerin aber stets abgelehnt - bisher. May müsste für diesen Schritt einen Antrag bei den übrigen 27 EU-Staaten stellen. Die würden nach Darstellung von Diplomaten wohl auch zustimmen.

Das Zeitfenster ist jedoch knapp. Denn im Mai konstituiert sich das neue Europaparlament. Wären die Briten bis dahin nicht ausgetreten, müssten auch sie Abgeordnete stellen. Das wollen weder EU-Vertreter noch britische Politiker.

Großbritannien könnte allerdings nicht nur um mehr Zeit bitten, sondern auch den Brexit komplett absagen. Diesen Weg hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil im Dezember eröffnet: Großbritannien könnte seinen Antrag auf Austritt aus der Europäischen Union jederzeit einseitig zurückziehen, also auch noch unmittelbar vor dem Austrittsdatum. Das Land bliebe einfach wie bisher Mitglied der EU. Diesem Weg müsste aber auch das britische Parlament zustimmen. In der britischen Innenpolitik spielte diese Option bisher kaum eine Rolle.

Und was wäre mit einem zweiten Referendum? Jüngste Umfragen deuten darauf hin, dass die meisten Briten lieber in der EU bleiben wollen. Wenn es derzeit eine zweite Volksabstimmung gäbe, sprächen sich 46 Prozent für einen Verbleib und 39 dagegen aus, wie aus einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov hervorging. Welche Frage die Briten dabei zu beantworten hätten, ist bisher aber völlig ungewiss. Zudem bleibt auch hier das Zeitproblem: Bis zur Europawahl müsste das Referendum durch sein - das scheint nahezu unmöglich.

Die unbeliebte Variante

Bliebe die Option des harten Brexit. Angesichts der tiefen Spaltung der britischen Politik und der Tatsache, dass einige britische Abgeordnete einen "No Deal" nicht schlimm finden, wird nicht ausgeschlossen, dass das Land quasi aus Versehen oder aus Zeitnot doch über die Klippe schlittert. Für Wirtschaft, Arbeitnehmer und Bürger brächte dies dramatische Unsicherheit und voraussichtlich einen Konjunktureinbruch.

Doch nach derzeitigem Stand ist eine Mehrheit im Parlament gegen diesen Weg. Ein Ausweg zeichnet sich jedoch derzeit nicht ab.

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