Unterhändler der Brexit-Verhandlungen schütteln sich die Hand

Brexit-Verhandlungen Bewegt sich Johnson oder taktiert er?

Stand: 12.10.2019 12:20 Uhr

Das ganze Wochenende verhandeln die EU und Großbritannien über neue Brexit-Vorschläge von Premier Johnson. Der Ausgang ist offen, weil Johnsons Motive unklar bleiben.

Ist Boris Johnson plötzlich ernsthaft an einem Austrittsvertrag mit der EU interessiert? Bewegt sich der britische Premier wirklich? Oder kommt Johnson der EU nur zum Schein etwas entgegen, um dann bis zum 31. Oktober doch noch die Reißleine zu ziehen und der EU die Schuld am harten Brexit in die Schuhe zu schieben?

Intensive Verhandlungen rund um die Uhr

Bei der EU-Kommission und den Diplomaten in Brüssel mischen sich Zuversicht und Zweifel. Tatsache ist: Die Brexit-Teams des EU-Verhandlungsführers Michel Barnier und des britischen Brexit-Ministers Stephen Barclay verhandeln an diesem Wochenende rund um die Uhr.

Am Sonntagabend, spätestens aber am Montag wird Kommissionsunterhändler Barnier die Botschafter der 27 EU-Mitgliedsstaaten darüber informieren, ob es substanzielle Fortschritte gibt.

EU-Brexit-Verhandlungsführer Barnier

EU-Brexit-Verhandlungsführer Barnier steht vor intensiven Gesprächen.

Zollkontrollen als Schlüsselfrage

Vor dem EU-Herbstgipfel am kommenden Donnerstag lautet für die EU die entscheidende Frage, ob die Briten tatsächlich Zollkontrollen auf der irischen Insel komplett vermeiden wollen, also zwischen der britischen Provinz Nordirland und der zur EU gehörenden Republik Irland. Und zwar ohne dass die Gefahr besteht, dass zum Beispiel Chlorhühnchen aus den USA via Nordirland in die EU gelangen.

Gleichzeitig muss Johnson verhindern, dass Nordirland vom Vereinigten Königreich wegdriftet, wenn in Nordirland de facto sämtliche EU-Standards gelten. Denn wenn ein Auto, das im zukünftigen Drittstaat Großbritannien produziert wurde, zu einem Käufer nach Nordirland verschifft wird, soll nach Johnsons Konzept ein EU-Zoll fällig werden. Denn Nordirland würde demnach weiterhin zur EU-Zollunion gehören.

Doch Großbritannien könnte diesen Zoll dem Autokäufer aus Nordirland zurückerstatten. Es gibt also die Möglichkeit, Nordirland sowohl eng an die EU wie auch an Großbritannien anzubinden.

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson

Premier Johnson lehnt die unter seiner Vorgängerin May ausgehandelte Backstop-Lösung für Nordirland strikt ab.

EU-Gipfel muss über längere Frist entscheiden

Beim EU-Herbstgipfel in der kommenden Woche müssen zumindest die wichtigsten Kernpunkte eines zukünftigen Austrittsabkommens auf dem Tisch liegen, damit die EU-Staats- und Regierungschefs eine technische Verlängerung der Brexit-Verhandlungen beschließen können.

Voraussetzung dafür ist aber, dass Johnson eine solche technische Verlängerung beantragt - entgegen seiner bisherigen Ankündigung, er würde "lieber tot im Graben liegen", als mit der EU über den 31. Oktober hinaus über den Brexit zu verhandeln.

Johnson müsste Verlängerung nicht selbst beantragen

Johnson muss diese Verlängerung der Brexit-Verhandlungen nicht selbst beantragen. Den EU-Mitgliedsstaaten reicht es nach Informationen des ARD-Studios Brüssel, wenn der britische Botschafter bei der Europäischen Union den Verlängerungsantrag einreicht. So die Aussage von EU-Diplomaten gegenüber dem ARD-Studio Brüssel.

Ohne eine technische Verlängerung wird es nach Einschätzung der EU-Kommission nicht gehen. Denn der Austrittsvertrag muss nicht nur in Rechtstexte übersetzt werden, sondern auch noch in die 24 Amtssprachen der EU. Erst dann kann er dem britischen Unterhaus zur Abstimmung vorgelegt werden - und dem Europäischen Parlament.

Keine Debatte über Einzelheiten

Auf dem EU-Herbstgipfel am kommenden Donnerstag und Freitag werden die 27 Staats- und Regierungschefs der EU jedenfalls nicht mit Premier Johnson über Einzelheiten des Austrittsvertrages diskutieren. Sie werden sich nur die Frage stellen, ob das, was auf dem Tisch liegt, eine erneute Verlängerung der Brexit-Verhandlungen rechtfertigt.

Die EU wird diese Frage sehr wohlwollend prüfen. Denn sie will auf jeden Fall verhindern, dass es eine harte EU-Außengrenze auf der irischen Insel gibt, die den Friedensprozess in Nordirland gefährdet.

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