Parlamentsgebäude in Sofia

EU-Gipfel Der Balkan als Garant für Sicherheit?

Stand: 16.05.2018 12:07 Uhr

In Brüssel spielt man mit dem Gedanken, die Staaten des westlichen Balkans in die EU aufzunehmen. Trotz Korruption und mafiöser Strukturen sehen Experten gute Gründe, die dafür sprechen.

Es scheint ein geradezu aberwitziger Plan zu sein, den rückständigen Balkan mit all seiner Korruption, mit seinen teils mafiösen Strukturen, mit seinen Drogenanbaugebieten und mit seinen teils noch immer verfeindeten Volksgruppen bald in die EU zu holen.

Sind die etwa alle verrückt geworden? Das fragt sich mancher. "Nein", lächelt Dusan Reljic. Der Politikwissenschaftler leitet das Brüsseler Büro der Stiftung Wissenschaft und Politik sagt, es gehe um Wichtigeres. Darum, Frieden mitten in Europa zu erhalten. "Nicht in Kandahar oder in Mali wird die Sicherheit der EU tatsächlich garantiert, sondern dort, wo es den größten bewaffneten Konflikt nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa gegeben hat", sagt Reljic. "Damals starben schließlich mehr als 150.000 Menschen!"

EU drängt zu Reformen

Seit dem Zerfall Jugoslawiens vor mehr als 25 Jahren übt die EU bereits massiven Einfluss in der Region aus, argumentiert der Balkan-Experte. Sie dränge die Staaten ständig zu demokratischen und marktwirtschaftlichen Reformen. Beispielsweise 90 Prozent des Bankkapitals dort stamme bereits aus Deutschland, Frankreich, Italien oder Österreich.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Bojana bei Sofia zum Abschluss einer Reise in sechs Staaten auf dem Balkan. 01.03.2018.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte bereits bei seinem letzten Besuch in Sofia: "Der Platz des Westbalkans ist in der EU."

Trotzdem ist das tägliche Leben auf dem Balkan noch immer meilenweit vom westeuropäischen Standard entfernt. Die Konsequenz: Die jungen, gut ausgebildeten Leute verlassen weiter in Scharen ihre Heimat. Zurück bleiben in den Balkanstaaten die Alten und die, die auf Grund ihrer Ausbildung im Westen keine Chance haben.

Ohne Aufbruch weiter Abwanderung in den Westen

Es drehe sich eine Spirale nach unten: ohne Fachkräfte keine Entwicklung, ohne Entwicklung kein wirtschaftlicher und politischer Aufbruch. Ohne Aufbruch weiter Abwanderung in den Westen - und damit Niedriglohnkonkurrenz bei uns.

Wie sich solch ein Trend aber umkehren lasse, könne man mittlerweile in Rumänien und Bulgarien beobachten. Deren Beitritt zur EU war ja auch sehr umstritten. "Von allen öffentlichen Investitionen in Rumänien kommt etwa die Hälfte aus den Strukturfonds der EU. Das hat zu einem schnelleren Wirtschaftswachstum geführt, das hat auch die Auswanderung verlangsamt und das stabilisiert diese Länder letztlich", sagt Reljic. Denn ohne eine Mittelschicht, also ohne eine Bevölkerungsgruppe, die besser verdient und deren Kinder die Aussicht haben besser zu leben, werde es nirgendwo eine Stabilisierung geben. Auch nicht in Südosteuropa.

Rechtzeitig den Sprung wagen

Wir haben doch keine andere Wahl, so Reljic weiter. "Wir können warten, die auf dem Balkan machen lassen und immer mal wieder mahnende Worte sprechen. Tut was gegen Korruption, gegen Drogenanbau oder gegen mafiöse Strukturen. Oder wir wagen rechtzeitig den Sprung, bevor uns der Laden um die Ohren fliegt." Der Westbalkan habe derzeit 3,5 Prozent der Bevölkerung der EU. Weder finanziell noch politisch sei das ein großes Problem für die Europäische Union.

Der EU-Balkan-Gipfel
Das Gipfeltreffen EU-Westbalkan beginnt am Donnerstag im bulgarischen Sofia und soll allen Staaten des westlichen Balkans, darunter auch das Kosovo, eine europäische Perspektive geben.

Dass sich die Staats- und Regierungschefs aber deshalb zu einem beherzten Bekenntnis zur EU-Erweiterung auf dem Balkan durchringen können, das halten Beobachter bei diesem Gipfel für nahezu ausgeschlossen. Zu groß sind immer noch die Vorbehalte, zu groß vielleicht auch die Versuchung innenpolitisch mit Antipathien gegen den Balkan punkten zu können. Und das obwohl Russland, China und die Türkei bereits immer stärker ihre Fühler in der Region ausstrecken.

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