Taiwans Präsidentschaftskandidaten Ko, Lai und Hou präsentieren sich vor einer TV-Debatte

Taiwan vor der Wahl Zwei Ärzte und ein Polizeichef

Stand: 10.01.2024 05:00 Uhr

Am Samstag wählt Taiwan ein neues Staatsoberhaupt. Fest steht: Nachfolger von Präsidentin Tsai Ing-wen wird ein Mann. Wer sind die Kandidaten - und welchen Kurs verfolgen sie gegenüber Peking?

Locker lenkt Taiwans scheidende Präsidentin Tsai Ing-wen das Auto auf Taiwans Straßen. Ihr Beifahrer ist Vizepräsident und ihr potentieller Nachfolger William Lai. Selten hat man Tsai so entspannt gesehen wie in diesem Wahlwerbevideo, das auf der Pazifikinsel mit seinen 23 Millionen Einwohnern für viel Aufmerksamkeit gesorgt hat.

Nach ein paar Minuten fährt Tsai rechts ran, steigt aus, Lai setzt sich ans Steuer, sie setzt sich neben ihn.

Lai sinniert, während er nun über die Insel kurvt: "Ohne Frieden und Demokratie ist Taiwan nicht mehr Taiwan. Alles an Taiwan ist so wertvoll. Ich werde es mit meinem Leben verteidigen."

Ein halbes Leben für die Politik

Lai, der auch Vorsitzender der demokratischen Fortschrittspartei DPP ist, wurde mit fünf Geschwistern groß. Weil sein Vater früh starb, musste seine Mutter die Kinder allein durchbringen, die Verhältnisse waren bescheiden. Er galt stets als fleißig und ernsthaft, mancher sagt auch: als ein bisschen langweilig.

Karriere machte er als Spezialist für Erkrankungen des Rückenmarks - und gab diese 1996 unter dem Eindruck eines wachsenden Drucks der Volksrepublik China auf Taiwan für die Politik auf.

Außenpolitische Erfahrung fehlt

Politisch hat der 64-Jährige viele Stationen hinter sich, war Abgeordneter, Bürgermeister, Premierminister. Seit 2020 ist er Vizepräsident. Innenpolitisch hat er viel Erfahrung, außenpolitisch nicht.

Deshalb hat er sich Hsiao Bi-Khim als Vize an seine Seite geholt, die ehemalige Quasi-Botschafterin Taiwans in Washington. Von allen drei Teams, die sich um das höchste Staatsamt bewerben, so Lai bei der einzigen, gemeinsamen Präsidentschaftsdebatte, werde nur seins weiter an der Seite der demokratischen Länder stehen. Die anderen beiden könnten Taiwan nicht auf den richtigen Weg führen.

Lai setzt auf eine pragmatische Politik gegenüber der Volksrepublik. Dialog Ja, aber eine Vereinigung sei nicht verhandelbar. Galt er früher als starker Verfechter einer Unabhängigkeit, ist er heute moderater, will Tsais Politik fortsetzen.

Kandidat mit 3D-Strategie

Sein schärfster Konkurrent ist mit Hou Yu-ih ein ehemaliger Polizeichef. Seine Anhänger schwingen blaue Fähnchen und rufen: "Hou Yu-ih wird gewinnen".

Auch Hou, der für die als chinafreundliche bekannte Partei Kuomintang, KMT antritt, stammt aus einfachen Verhältnissen. Er ist nach vielen Jahren in der Polizei noch Bürgermeister Neu-Taipehs, das an die Hauptstadt angrenzt. Er wirbt mit einer 3D-Strategie: "Deterrence, Dialogue and De-escalation" - Abschreckung, Dialog und Deeskalation.

Hou, der durch seine Laufbahn in den Sicherheitsdiensten für Ordnung und Regeln steht, will nun in der Politik die Dinge wieder ins Lot bringen, die angespannten Beziehungen zum großen Nachbar ein wenig entspannen: "Mit der DPP gibt es keinen Dialog mehr zwischen China und Taiwan. Es wird schon berichtet, dass Taiwan der gefährlichste Ort der Welt ist, und die Kriegsflugzeuge umkreisen uns. Wenn das Land diesen Weg weitergeht, wird sich die Welt immer mehr Sorgen um die Sicherheit in der Taiwanstraße machen", warnte der 66-Jährige in der Präsidentschaftsdebatte kurz vor Jahresende.

Dabei sprach er fast nur Taiwanisch, kaum Chinesisch - möglicherweise um die Wähler anzusprechen, die durch ihre lokale Identität bisher eher zur DPP tendieren.

Entscheidung zwischen Krieg und Frieden?

Anfang des Jahres - Hou liegt in letzten Umfragen immer noch knapp hinter Lai - wird der Ton schärfer: Eine Entscheidung für ihn sei auch eine zwischen Krieg und Frieden, sagt er. Unter der DPP hätten sich die Beziehungen zu China so verschlechtert, dass die Kinder nicht mehr sicher seien. Er werde den Frieden wahren, verspricht er.

Die KMT, so war zu lesen, denke darüber nach, bei einem Wahlsieg ein umstrittenes Dienstleistungsabkommen mit China wieder aufleben zu lassen. Das Abkommen hatte vor zehn Jahren die sogenannten Sonnenblumenproteste in Taiwan ausgelöst und scheiterte an der Kritik vor allem von Studierenden, die einen wachsenden wirtschaftlichen Einfluss der Volksrepublik fürchteten.

Was Hou Stimmen kosten könnte: Sein Vize gilt als als entschiedener Verfechter einer Vereinigung mit der Volksrepublik und hat den Ruf eines Hardliners.

Ein dritter Weg?

Als Alternative zwischen den beiden etablierten Kandidaten präsentiert sich der Facharzt für Transplantationen und langjährige Bürgermeister Taipehs, Ko wen-je. Er spricht all diejenigen an, die von den etablierten Parteien enttäuscht sind und sich mehr erhofft hatten. Das sind vor allem junge Taiwaner, die sich trotz guter Ausbildung über geringe Löhne, lange Arbeitszeiten und unbezahlbaren Wohnraum ärgern. 

Da kommen Parolen wie die von Ko wen-je gerade recht, der skandiert: "Wir werden uns Taiwan zurückerobern und dem Volk zurückgeben." Er ist auch Vorsitzender der Taiwanischen Volkspartei, die er erst vor vier Jahren, zu seinem 60. Geburtstag, gegründet hat. Diese Wahlen seien eine Chance, die etablierten Parteien abzuwählen, die das Land manipuliert und in die Irre geführt hätten - so wirbt Ko für sich.

Wankelmütiger Kandidat

Kos Haltung ist oft nicht eindeutig. Während er mal sagte, er hasse nichts so sehr wie Moskitos, Kakerlaken und die KMT, diskutierte er noch vor wenigen Monaten mit eben dieser Partei darüber, einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahl aufzustellen, was letztlich jedoch an den Eitelkeiten der beiden Politiker scheiterte. In der Chinafrage spricht Ko von Respekt, Anerkennung und Kooperation.

Kos Vize, Cynthia Wu, entstammt einer der reichsten Familien des Landes. Bekannt ist sie weniger durch politische Statements als durch eine Klatschgeschichte ihrer ersten Ehe. Ihr damaliger Mann ließ sie wegen mutmaßlicher Untreue per GPS überwachen.

Der Arzt Ko, dessen Anhänger gern ein KP für "Ko Professor" am Revers tragen, hat zwar von den drei Kandidaten die geringsten Chancen auf einen Sieg, allerdings könnte seine Partei im Parlament künftig das Zünglein an der Waage sein. Bislang verfügt die DPP über eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus, doch die wird sie nach allen Umfragen wohl verlieren.

Lai, Hou, Ko - zwei Ärzte und ein Polizeichef. Alle Mitte 60, alle drei waren früher erfolgreich im Beruf. Innenpolitisch sind sie erfahren, außenpolitisch nicht.

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