Ein russisches Flugzeug startet von dem Luftwaffenstützpunkt Hmeimim (Syrien)

Nach Assad-Sturz Russlands stiller Abzug aus Syrien?

Stand: 18.12.2024 17:32 Uhr

Russland hat die neuen Machthaber in Syrien jahrelang bekämpft. Was bedeutet das Ende des Assad-Regimes nun für die russische Militärpräsenz? Auffällige Bewegungen auf den Stützpunkten lösen Spekulationen aus.

Von Jürgen Buch, ARD Moskau, zurzeit Berlin.

Satellitenbilder sind möglicherweise aufschlussreicher als die kurzen, offiziellen Verlautbarungen aus dem Kreml zur Zukunft des russischen Militärs in Syrien. Zu beobachten sind russische Militärtransporte innerhalb des Landes. Neuerdings scheint Russland auf dem Luftwaffenstützpunkt Hmeimim Militärfahrzeuge und Luftabwehrsysteme zusammenzuziehen, die es aus anderen Gegenden Syriens abgezogen hat.

Ob sie auch außer Landes gebracht werden sollen, ist unklar. Auf den Satellitenbildern ist auch zu sehen, dass die russischen Militärschiffe den Hafen von Tartus offensichtlich verlassen haben. Sechs Schiffe sollen sich dort nach Angaben von Militärexperten vor dem Machtwechsel in Syrien befunden haben.

Luftaufnahme des Hafens von Tartus (Syrien)

Luftaufnahmen des Hafens von Tartus zeigen, dass hier keine russischen Schiffe mehr liegen.

Lange Präsenz in Tartus

Schon die Sowjetunion, aus der Russland hervorgegangen ist, hatte Tartus seit den 1970er-Jahren als Marinestandort genutzt. Im syrischen Bürgerkrieg stabilisierte Russland ab 2015 die Macht des nun gestürzten Baschar al-Assad und nahm im selben Jahr den Luftwaffenstützpunkt Hmeimim in Betrieb. 2017 schloss es mit Syrien einen Vertrag über die Nutzung des Hafens Tartus ab. Moskau verfügte damit erstmals über einen eigenen Hafen am Mittelmeer.

Jetzt sind in Syrien Kräfte ans Ruder gekommen, die Russland sehr kritisch gegenüberstehen. Sie haben nicht vergessen, wie rücksichtslos vor allem die russische Luftwaffe vorgegangen ist, um Assad an der Macht zu halten. Der Sprecher der syrischen Übergangsregierung, Obeida Arnaout, formulierte es so:

Ich denke, dass Russland seine Präsenz auf syrischem Territorium und seine Interessen überdenken sollte. Seine Interessen waren mit dem kriminellen Assad-Regime verbunden.
Eine Luftaufnahme des russischen Stützpunktes Hmeimim (Syrien).

In Hmeimim sind noch russische Flugzeuge zu sehen, aber auch viele Militärfahrzeuge. Sollen diese abtransportiert werden?

Der Kreml spricht von Dialog

Ob Arnaout damit meint, das russische Militär sollte am besten ganz abziehen, ist unklar. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach nach dem Sturz Assads davon, dass es eine Weile dauern werde, bis die Instabilität in Syrien vorüber sei. Erst dann sei ein ernsthaftes Gespräch mit den Machthabern dort möglich.

Zuletzt sagte er zur Frage der Militärstützpunkte, derzeit gebe es "keine endgültigen Entscheidungen in dieser Angelegenheit". Die russische Führung stehe aber in Kontakt mit "Vertretern jener Kräfte, die derzeit die Lage im Land kontrollieren", und "all das" werde "im Rahmen des Dialogs geklärt".

Ein Motorradfahrer fährt an einem Konvoi russischer Militärlaster vorbei, die sich in Richtung des Luftwaffenstützpunkts Hmeimim (Syrien) bewegen.

Auf den Straßen Syriens sind die russischen Militärfahrzeuge ein gewohnter Anblick - nun geht die Fahrtrichtung wohl vor allem in Richtung Stützpunkt.

Wer hat was zu sagen?

Offenbar gibt es also Gesprächskanäle. Das hat auch die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, erklärt. Sie vermittelte in ihrem jüngsten Briefing den Eindruck, dass Russland in dieser Frage auf niemanden Rücksicht nehmen müsse.

Zuvor hatte die Außenbeauftragte der Europäischen Union, Kaja Kallas, gesagt, Russland habe keinen Platz in Syriens Zukunft. Deshalb werde die EU die neuen Machthaber in Syrien wegen der russischen Militärstützpunkte unter Druck setzen.

Sacharowa entgegenete darauf, die Frage der russischen Militärbasen in Syrien gehe die EU "nichts an". Sie werde ausschließlich im Rahmen eines Dialogs zwischen Moskau und Damaskus diskutiert.

Der stellvertretende russische Außenminister Michail Bogdanow hat erklärt, Russland führe konstruktive Gespräche mit den neuen Machthabern in Syrien und er hoffe, die beiden Militärstützpunkte könnten erhalten bleiben. Sie seien wichtig im Kampf gegen den Terrorismus, so Bogdanow.

Karte Syrien  mit der Hauptstadt Damaskus und den russischen Stützpunkten Tartus und Hmeimim.

Eine Niederlage mit Folgen

Die Niederlage des Verbündeten Assads war ein schwerer Rückschlag für Russlands Ambitionen in der Region und darüber hinaus. Der Verlust der beiden Militärstützpunkte würde Russlands Einfluss im Nahen Osten zusätzlich schmälern.

Er könnte auch die militärische Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten beeinträchtigen, denn die Stützpunkte sind wichtige Drehkreuze auf dem Weg nach Afrika. Russland hatte zuletzt unter anderem mit der Zentralafrikanischen Republik, Mali und Tschad engere Beziehungen geknüpft und ist dort auch mit Söldnertruppen aktiv. Über Hmeimim sollen dabei Truppentransporte in und aus der Region gelaufen sein sowie Waffenlieferungen.

Russland zeigt keine Anzeichen, seine strategischen Interessen in der Region neu zu definieren. So würde sich mit einem möglichen Abzug aus Syrien die Frage nach Ersatzstandorten stellen. In den vergangenen Tagen wird in diesem Zusammenhang häufig Libyen genannt, wo Russland in den vergangenen Jahren seinen Einfluss ebenfalls stetig ausgebaut hat. Doch auch Libyen ist ein Land im Bürgerkrieg - wo das enden kann, hat Russland gerade erst in Syrien erlebt.

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