Eine Übung der zivilen Rettungskräfte Taiwans auf Penghu

Penghu-Inseln Kriegsspiele, wo Taiwaner Urlaub machen

Stand: 11.06.2023 06:00 Uhr

Die taiwanischen Penghu-Inseln sind ein beliebtes Ferienziel. Doch da sie zwischen Taiwan und China liegen - und China mit der Invasion droht -, übt Taiwan hier für den Ernstfall. Mit beängstigend realistischen Szenarien.

Es ist der 9. September 2025. Der Tag, an dem sich chinesische Kriegsschiffe den taiwanischen Penghu-Inseln nähern und Peking seine jahrelange Drohung wahr macht: Angriff auf Taiwan.

Noch ist das Ganze nur ein Szenario und eine Übung der zivilen Rettungskräfte Taiwans. Doch im Hafen von Makong, dem Hauptort von Penghu, geht es an diesem Tag tatsächlich zu wie nach einem Bombenangriff.

Große Kulissenwände zeigen Bilder von umgestürzten Lastwagen und brennenden Häusern. Statisten mimen Schwerverletzte. Dutzende Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei folgen einem akribischen Ablaufplan - retten, löschen, bergen. Und immer wieder fällt das Wort Krieg.

"Angst, dass es so ausgeht wie in der Ukraine"

In der Realität sind es bisher nicht Kriegsschiffe Chinas, sondern Fähren aus Taiwan, die hier festmachen. Tausende Besucher kommen in der Hauptsaison jeden Tag auf die Ferieninsel, die zwischen China und Taiwan liegt.

In die Urlaubsstimmung mischen sich nachdenkliche Stimmen. "Klar mache ich mir Sorgen", sagt die Touristin Hsu Hsiu-e, die mit ihren Kindern durch die Gassen von Makong flaniert. "Wir haben Angst, dass das Ganze so ausgeht wie in der Ukraine."

Touristinnen in einer Tempelanlage auf Penghu

Penghu ist ein beliebtes Ferienziel. Vielen Touristen bleibt nicht verborgen, dass auf Penghu für den Kriegsfall geübt wird.

Zivilschutz mittlerweile auf Krieg ausgerichtet

Vielen Gästen bleibt nicht verborgen, dass Taiwans Militär auf Penghu aktiv ist. Regelmäßig proben Soldaten an den Stränden die Verteidigung der Insel gegen den potenziellen Gegner, die Volksrepublik China. Der Geschützlärm der nächtlichen Übungen reißt manche Besucher sogar aus dem Schlaf.

Hinzu kommt die jährliche Zivilschutzübung auf der Insel, die mittlerweile zu 70 Prozent auf den Kriegsfall ausgerichtet ist. Mit dabei ist Feuerwehrmann Yan Hung-wei. "Je mehr unterschiedliche Situationen wir durchlaufen und je besser wir uns vorbereiten, desto schneller können wir in der Zukunft auf alle möglichen Katastrophen reagieren und Probleme lösen."

Uniformierte bei einer Zivilschutzübung auf Penghu

70 Prozent der Zivilschutzübungen auf Penghu sind mittlerweile auf den Kriegsfall ausgerichtet.

Hohe Verteidigungsbereitschaft der Bevölkerung

Auch Su Tzu-Yun, der Direktor des regierungsnahen Instituts für nationale Verteidigung und Sicherheitsfragen in Taipeh, sieht Taiwan für einen möglichen Angriff gut aufgestellt. 12.000 Soldaten seien allein auf dem Vorposten Penghu stationiert. Die Luftabwehr gehöre zu den besten der Welt.

"Taiwan befindet sich in einer besseren Position als die Ukraine", so der Militärxperte. Hinzu komme die hohe Verteidigungsbereitschaft der Bevölkerung. 70 Prozent der Taiwaner seien laut Umfragen bereit, in den Krieg zu ziehen, um ihre Heimat zu verteidigen.

Die taiwanischen Penghu-Inseln liegen wischen Taiwan und China

Schwindende Aussicht, Taiwan nicht-militärisch einzunehmen

Ob China sich davon dauerhaft abschrecken lässt, bleibt offen. Die Volksrepublik rüstet weiter auf. Die Staatsspitze hat das Ziel ausgegeben, Taiwan notfalls auch mit Gewalt anzuschließen.

Nach Ansicht des japanischen Politikwissenschaftlers Ken Jimbo, Professor an der Keio-Universität in Tokio, droht eine gefährliche Spirale. Zum einen fühle sich Peking militärisch zusehends stark genug für eine Invasion Taiwans. Zum anderen sehe es seine Aussichten schwinden, das Ziel auf nicht-militärischen Wegen zu erreichen, wie es noch in Hongkong möglich war.

Ist Krieg unausweichlich?

Ist ein Krieg innerhalb weniger Jahre also unausweichlich? Ob und wann der Ernstfall eintreten könnte, vermag auf Penghu niemand zu sagen. Feuerwehrmann Yang sucht deshalb göttlichen Beistand: Im Tempel der Meeresgöttin Mazu betet er regelmäßig - nicht nur für sich und seine Familie. "Ich hoffe und bete, dass auf der Welt Frieden herrscht, und dass es keinen Krieg mehr gibt. Das wäre für alle das Beste."

Abends strömen die Besucher auf Penghu zum Feuerwerk ans Meer, wo kurz zuvor noch die Verteidigung der Insel geübt wurde. Die Explosionen am Himmel über der Meerenge von Taiwan - sie sind heute noch friedlicher Natur.

Diese und weitere Reportagen sehen Sie im Weltspiegel am Sonntag, den 11.6.2023, um 18.30 Uhr im Ersten.

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