Frauen und Kinder sitzen im Freien in Beirut
reportage

Flucht im Libanon "Alle aus dem Süden wollten nur noch weg"

Stand: 30.09.2024 07:50 Uhr

Seitdem die israelische Armee ihre Angriffe auf den Libanon ausgeweitet hat, sind Hunderttausende im Land auf der Flucht. Auch Hilfsorganisationen kommen mittlerweile an ihre Grenzen.

Der Laster setzt zurück in den Hof der Schule, junge Männer schleppen in Plastik eingepackte Matratzen zunächst in einen Abstellraum. "Wir haben 100 Matratzen und 100 Laken hergebracht - hoffentlich können wir später noch mit Kissen kommen", sagt Sonia von der internationalen Hilfsorganisation Aktion gegen Hunger.

Doch es gebe ein Problem, sagt sie. Denn in der Schule sind 400 Vertriebene untergebracht, 100 Matratzen hatte eine andere NGO schon verteilt - für die Hälfte der Menschen fehlt also weiterhin ein angemessener Schlafplatz. "Das frustriert die Familien. Sie sind auch noch verängstigt und gestresst von der Vertreibung. Wir versuchen, ihnen zu versichern: Wir kommen wieder und bieten Hilfe an", erzählt Sonia.

Angespannte Situation, Kontrollen durch Milizen

Zur Anspannung tragen in den Flüchtlingsunterkünften auch die Sicherheitskräfte bei. Kontrolliert werden die Einrichtungen sowohl von der libanesischen Armee als auch von Milizionären: von der Hisbollah, aber auch von anderen politischen Gruppierungen im Land.

Kritik an den Bedingungen in der Unterkunft hier in einem östlichen Außenbezirk der Hauptstadt Beirut äußert niemand. Die 42-jährige Fadwa sagt, sie fühle sich sicher und sei dankbar für die Versorgung: "Nichts fehlt uns. Sogar Nescafé und Schokolade geben sie uns."

Fadwa kommt aus einem Ort direkt an der libanesisch-israelischen Grenze, elf Monate lang hat sie mit ihrer Familie fast täglich gehört, wie Raketen eingeschlagen sind: "Als die Angriffe immer intensiver wurden, sahen wir uns gezwungen, zu fliehen. Wir waren 17 Stunden unterwegs. Normalerweise schaffen wir die Strecke in weniger als zwei Stunden. Wir standen die ganze Zeit im Stau, denn alle aus dem Süden wollten nur noch weg."

Libanon: Eine Million Vertriebene

Die libanesische Regierung spricht inzwischen von ungefähr einer Million Menschen im Land, die auf der Flucht sind. Überprüfen kann diese Zahl niemand, denn täglich kommen neue hinzu.

Für Helferinnen wie Sonia ist es eine schwierige Situation: "Wenn wir es schaffen, eine Schule mit den benötigten Matratzen zu versorgen, dann kommen 100, 200 weitere Menschen dorthin. Es hört einfach nicht auf."

Eine junge Frau im Hof der Schule ist umringt von ihren Töchtern, ihr kommen die Tränen, als sie über die letzten Tage spricht: "Als der Beschuss angefangen hat, haben die Kinder angefangen zu weinen und zu schreien. Wenn es um uns Erwachsene ginge, wären wir nicht gegangen. Wir würden lieber sterben, als unsere Häuser zu verlassen. Aber wir haben Angst um unsere Kinder."

Wie viele hier spricht sie davon, dass sie gerne bald zurück möchte in den Süden des Landes. Aber die Gefechte zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee sind nach der Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah nur noch heftiger geworden. Es gibt keine Anzeichen, dass sich die humanitäre Lage schnell bessert.

Hilfsorganisationen kommen an Grenzen

"Niemand sollte in Schulen schlafen müssen", sagt Sonia von der Aktion gegen den Hunger. Die Kinder hätten keinen Zugang zu Bildung, Leute müssten auf dem Boden schlafen und die hygienischen Verhältnisse seien miserabel.

Bei der Menge an Vertriebenen kämen auch die Hilfsorganisationen an ihre Grenzen. "Das schaffen wir auf Dauer nicht - unsere Vorräte im Land reichen vielleicht noch für fünf Tage - mehr nicht", erklärt sie.

Auch für sie und ihre Kollegen ist die Situation belastend. Mehr als drei Stunden Schlaf seien nicht drin gewesen in den letzten Nächten. Doch zu sehen, wie dringend die Menschen hier Hilfe benötigen - das treibt sie an. Wenigstens müssten heute Nacht 100 Leute mehr nicht auf dem Boden schlafen.

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