Das Tor zur Altstadt von Sanaa mit Bannern, die den "Tod" der USA und Israels beschwören.

Jemens Solidarität mit Palästinensern Vereint im Kampf gegen Israel

Stand: 26.12.2024 04:34 Uhr

Die Huthi-Miliz im Jemen setzt weiter auf Aggression gegen Israel und dessen Verbündete. Im Land aber schwelt die Sorge, zu einem zweiten Libanon oder Gazastreifen zu werden. Das Leid in der Bevölkerung ist schon jetzt groß.

Meterhohe Plakate säumen den Straßenrand in Jemens Hauptstadt Sanaa. Der getötete Chef der Hamas, Jahja Sinwar, ist darauf zu sehen. Nur wenige Meter weiter Hassan Nasrallah, der ebenfalls von Israel getötete langjährige Anführer der libanesischen Hisbollah.

Darunter stehen Sätze wie: "Wir sind Partner im Märtyrertum." Sanaa ist ein Ort der zur Schau getragenen Solidarität - der Hass auf Israel scheint grenzenlos, die lautstarke Unterstützung der Palästinenser ist hier Staatsräson.

"Ich bin stolz auf Gaza, stolzer als auf meine Familie", sagt Kaffeehändler Morshed auf dem Markt. "Ich würde mich für Gaza opfern. Die Palästinenser sind Araber wie wir." Er ist ein überzeugter Bürger, der den Herrschenden des Landes aus der Seele spricht.

Ein Banner mit dem Bild des getöteten Hamas-Chefs, Jahja Sinwar.

Die lautstarke Unterstützung der Palästinenser und der Hamas ist im Jemen Staatsräson.

Huthi-Miliz zählt sich zu Irans "Achse des Widerstands"

Die Huthi-Miliz überrannte vor genau zehn Jahren große Teile des Jemen und nahm die Hauptstadt Sanaa ein. Seitdem haben die Huthi hier das Sagen.

Sie sind Verbündete des Iran, zählen sich selbst zu der iranischen "Achse des Widerstands" gegen Israel, zu der auch die Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah im Libanon gehören.

Die, wenn auch wacklige, Waffenruhe im Libanon kommt auf den Straßen Sanaas gut an. "Den Krieg im Libanon zu beenden, ist eine gute Lösung", sagt ein Passant namens Adnan. "Es beendet hoffentlich das libanesische und palästinensische Blutvergießen."

Sturz von Assad in Syrien "Verschwörung"

Doch als ein Grund, den eigenen Beschuss Israels und von Schiffen vor der eigenen Küste einzustellen, erscheint die Waffenruhe im Libanon offenbar nicht. Die Miliz setze den Kampf gegen Israel in sämtlichen Bereichen fort, erklärte der Anführer der Huthi. Es sei wichtig, auf die Erfolge der libanesischen Front aufzubauen und sich in Richtung weiterer Eskalation zu bewegen.

Dass die Hisbollah von Israel massiv geschwächt wurde, ist hier kein Thema. Der Sturz des langjährigen syrischen Diktators Baschar al-Assad, ebenfalls ein enger Verbündeter des Iran, wird im Jemen als Verschwörung interpretiert.

Khaled ging deshalb mit hunderten anderen Huthi-Anhängern auf die Straße. "Was in Syrien passiert ist, zeigt erneut, was die USA und Israel gegen freie Länder tun, nur weil sie sich der israelischen Besatzung widersetzen - ebenso wie das Töten und Vertreiben im Libanon, Palästina und anderen freien Nationen", meint er.

Kurs der Aggression

Und so scheinen sich die Huthi eher bestärkt zu fühlen, ihren Kurs fortzusetzen. Die internationale Schifffahrt hat ihre Aggression bereits zu spüren bekommen: Aus vermeintlicher Solidarität mit den Palästinensern im Gazastreifen beschießen die Huthi seit Monaten Frachtschiffe im Roten Meer - entführten ein Schiff, zerstörten weitere.

Zahlreiche Reedereien meiden seitdem das Rote Meer und nehmen den deutlich längeren Umweg über das Kap der guten Hoffnung. Die internationale Seefahrt ist irritiert, die ganze Welt spricht auf einmal von den Huthi im Jemen. Für die Gruppierung ist dies ein Erfolg.

Der stellvertretende Informationsminister der Huthi sparte bereits vor einigen Wochen nicht an großen Worten und sagte, die jemenitischen Streitkräfte hätten gezeigt, "dass ihre Schläge effektiv sind", sei es im Roten Meer oder anderswo. Und der stellvertretende Minister bemühte ein altes Wort vom Jemen als "schlafenden Vulkan" - wenn er erwache, werde er "die gesamte Region mitreißen und eine bedeutende Rolle bei internationalen und regionalen Angelegenheiten spielen".

Inoffizieller Waffenstillstand mit Saudi-Arabien

Die Huthi streben nach größerer Bedeutung und lassen nicht nur verbal die Muskeln spielen. "Der Feind weiß genau um unsere Fähigkeiten. Er denkt zweimal nach, bevor er uns angreift. Jetzt besitzen wir Überschallraketen", erklärt der Minister, der sich auf ein Treffen in einem provisorischen Gebäude einlässt. Das eigentliche Ministerium wurde vor ein paar Jahren von Saudi-Arabien zerbombt.

Saudi-Arabien ist ein weiterer Feind der Huthi. Seit zehn Jahren befinden sich die Huthi im Krieg gegen eine Militärkoalition unter Führung der Saudis. Heftiges saudisches Bombardement hat dem Jemen in den vergangenen Jahren massiv zugesetzt. Überall sieht man noch Spuren des Krieges.

Seit einiger Zeit ist es deutlich ruhiger geworden an der Front - ein unerklärter Waffenstillstand. Im Jemen bleibt aber Zerstörung und bittere Armut. Die Wirtschaft des Landes liegt am Boden, die Preise für Lebensmittel sind hoch, die Menschen oft völlig verzweifelt.

Juma Abdallah mit ihren Kindern.

Juma Abdallah und ihre Kinder verdienen mit Müllsammeln ein paar Cent am Tag.

"Die Bürger stecken in diesen Krisen fest"

So wie Juma Abdallah. Die Mutter von neun Kindern lebt in einem Flüchtlingslager etwa eine Autostunde von Sanaa entfernt und weiß nicht mehr, wohin mit sich vor Sorgen. Ihr Mann ist im Krieg getötet worden, das Haus wurde zerbombt, seitdem lebt sie in einem kleinen Zelt. Im Winter wird es bitterkalt, im Sommer weicht der Regen den Lehmboden auf. Die Kinder sind ständig krank, es gibt keinen Arzt.

"Es gibt keine Heizungen, nicht ausreichend Kleidung oder Decken. Die Kinder weinen viel wegen der Kälte. Wir haben Rheumatismus. Wenn die Kinder krank sind, versuchen wir mit feuchten Tüchern das Fieber zu senken. Wir gehen nicht zum Arzt", erzählt Abdallah.

Sie deutet auf ihren zehnjährigen Sohn, das Kind ist auf einem Auge blind: "Sehen Sie sich meinen Sohn an! Er hat sich beim Spielen verletzt, er hat eine Netzhautablösung. Er müsste operiert werden, um wieder sehen zu können."

Aber eine Operation kann sich hier niemand leisten. Die Kinder sind auffällig klein für ihr Alter, sichtbar mangelernährt. Sie äßen nichts außer Brot, sagt die Mutter, die mit ihnen alte Plastikflaschen sammeln geht. Die verkaufen sie zum Recycling und verdienen damit ein paar Cent pro Tag.

"Alle hier leiden, das ganze Land leidet unter der Krise und die Bürger stecken in diesen Krisen fest, wir haben kein Bett mehr zum Schlafen und keine Unterstützung mehr", sagt Abdallah.

Ein Flüchtlingslager im Jemen.

Das Flüchtlingslager, in dem Juma Abdallah mit ihren Kindern lebt.

Jede Woche Solidaritätsdemos

In Sanaa gehen unterdessen jeden Freitag Tausende auf die Straße - in einer organisierten Veranstaltung voller Kampfparolen und geballter Fäuste. Selbst Kinder schreien Kriegsparolen. Es sind die größten Solidaritätsdemonstrationen im Nahen Osten.

"Tod Amerika, Tod Israels", steht auch auf einem riesigen Plakat am berühmten Bab al-Jemen, dem Tor zur Altstadt. "Verdammt seien die Juden." Und das in einer Stadt mit einer Geschichte von rund 2.500 Jahren, in der einst Juden, Christen und Muslime friedlich zusammenlebten. Heute ist das undenkbar.

Den Huthi gefällt die Rolle, dass die ganze Welt auf einmal von ihnen spricht. Die Drohnen und Raketen der Huthi erreichen sogar das mehr als 2.000 Kilometer entfernte Tel Aviv. Die Gegenangriffe der Israelis und der USA nehmen die Huthi in Kauf.

Sorge in der Bevölkerung

Ihre Angriffe auf Israel und Frachtschiffe sowie die erklärte Solidarität mit den Palästinensern haben die Popularität der Huthi in der arabischen Welt gesteigert. Den gleichen Effekt erhoffen sie sich auch bei den Jemeniten selbst, da viele das Regime kritisch sehen.

Doch während sich die Huthi nach der Waffenruhe im Libanon weiter kampfbereit zeigen, schwelt in der Bevölkerung durchaus die Sorge, dass der Jemen zu einem zweiten Libanon, Syrien oder Gaza werden könnte - dass Israel mit seinen Verbündeten kräftiger zurückschlägt als bisher und der Jemen in einem weiteren Krieg versinkt.

Während die Huthi mit ihren Angriffen gegen Israel unvermindert weitermachen wollen, fühlen sich viele Menschen im Jemen sich von der internationalen Gemeinschaft vergessen.

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