Rafael Grossi

IAEA-Chef Grossi "Der Iran hat genug Material für eine Atombombe"

Stand: 23.04.2024 17:53 Uhr

Die Atomanlagen des Iran sind offenbar bei der mutmaßlichen israelischen Militäroperation nicht beschädigt worden. Doch die Sorge um das iranische Atomprogramm wächst zunehmend. IAEA-Chef Grossi sagt, der Iran habe inzwischen genug angereichertes Uran.

Der Iran habe mehr hochangereichertes Uran als er braucht, wenn er eine oder vielleicht sogar mehrere Atombombe bauen will, sagt einer, der es mit am besten wissen müsste - Rafael Grossi, Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien.

Grossi ist fast immer besorgt, aber es gab zuletzt genug neuen Anlass. Nach den Angriffen des Iran auf Israel ist das Bewusstsein für die Bedrohung durch das iranische Atomprogramm wieder gewachsen, und der mutmaßliche Gegenangriff Israels verstärkt das - auch wenn noch unklar ist, welche Ziele wie getroffen wurden. Die Atomanlagen seien aber nicht beschädigt worden, teilte Grossis Organisation am Morgen mit.

Eine Visite Grossis im Iran ist geplant, irgendwann in den nächsten Wochen, gewiss auch abhängig davon, wie sehr die Spannungen mit Israel weiter eskalieren.

Der IAEA-Chef wird deutlicher als früher

Grossi weiß von seinen Inspektoren im Iran, dass die Iraner einer Atombombe deutlich näher gekommen sind, seit dem Abbruch der Atomgespräche in Wien, die genau das verhindern sollten. Grossi spricht im ARD-Interview, das vor den mutmaßlichen Gegenangriff Israels geführt wurde, mehr Klartext als früher: "Kein Land, das noch keine Atombombe hat, reichert Uran auf diesem Niveau an: 60 Prozent!"

Für einen Atomreaktor, zur Stromerzeugung reichen zweieinhalb bis vier Prozent. Für eine Atombombe braucht es 90 Prozent - aber 60 Prozent, 90 Prozent, "technisch gesprochen ist das fast identisch", sagt Grossi:

Aber - das ist Grossi auch wichtig: Heute gebe es noch keine Atomwaffe im Iran und: "Wir" - er meint auch die IAEA - "müssen sie davon abhalten."

Der Iran sendet Signale

Grossi hofft weiter, dass es keinen Angriff auf die Atomeinrichtungen des Iran geben wird. Das verstoße gegen internationales Recht, mahnt er, fordert äußerste Zurückhaltung. Er selbst sei wieder als Vermittler gefragt - so versteht er seine Rolle. Reden als vertrauensbildende Maßnahme, der Wunsch nach "bilateralen Gesprächen", kommt offenbar aus Teheran. Grossi ist dazu bereit, wiederholt ein paar grundsätzliche Bedingungen. Es müsse zum Beispiel deutlich effektivere Kontrollen in den iranischen Atomanlagen geben als in den vergangenen Monaten: "Sie sagen, sie haben nichts zu verbergen. Gut - fantastisch. Beweisen sie es uns!"

Atomabkommen inzwischen überholt

Die IAEA hat Inspektoren im Iran, aber Grossi sagt auch, es sei nicht auszuschließen, dass es auch Zentrifugen gibt, von denen die Agentur nichts weiß. Viele Gesprächsstoff also, was aber nicht heißt, dass es zu einer Wiederaufnahme der internationalen Atomgespräche mit dem Iran in Wien kommt. Die seien in der alten Form tot.

"Die existieren nicht mehr", sagt Grossi. Die Grundlage, das internationale Atomabkommen mit dem Iran, aus dem Jahr 2015, sei im übrigen längst überholt. Das iranische Atomprogramm habe sich seitdem enorm weiterentwickelt, neue moderne Zentrifugen würden eingesetzt. Der Iran brauche jetzt viel weniger um viel mehr waffenfähiges Uran zu produzieren. Das Atomabkommen brauche eine "dramatisches Update, um es effizient zu machen".