Ein Junge schiebt sein Fahrrad an zerstörten Gebäuden im Gazastreifen vorbei

Gazas Wirtschaft im Krieg Mitten im Kollaps

Stand: 26.11.2023 08:04 Uhr

Mehr als anderthalb Millionen Menschen sind auf der Flucht, zwei Drittel der Arbeitsplätze weg, die Preise explodiert: Die Wirtschaft in Gaza ist am Boden - und laut UN schon jetzt um 16 Jahre zurückgeworfen.

Unaufhörlich schüren sie das Feuer in dem kleinen selbstgebauten Tonofen inmitten von Trümmern. Über der Glut backen sie dünnes Fladenbrot. So überleben die Menschen auf der Straße in Chan Younis im südlichen Gazastreifen ohne Strom und sauberes Wasser.

Das Holz sammele er aus den Trümmern, erzählt Bäcker Saqr Abu Obaid und fügt hinzu, dass die Art im Tonofen zu backen so zuletzt vor 40 Jahren praktiziert wurde: "Die Menschen kommen zu meinem kleinen Backofen ab 6 Uhr morgens. Das Mehl reicht nicht. Der Preis für Hefe ist von 1,30 US-Dollar auf 11 US-Dollar gestiegen. Wir finden kein sauberes Wasser mehr. Salz hat mal 30 Cent pro Kilo gekostet. Jetzt sind es 4 US-Dollar."

Wirtschaft ist kollabiert

Die Preise schießen in die Höhe. Jetzt im Krieg wird getauscht. Die Wirtschaft ist kollabiert. Abu Obaid arbeitet noch, aber fast zwei Drittel der wenigen Jobs im Gazastreifen sind seit Kriegsbeginn verloren. Das sind Hunderttausende Arbeitsplätze.

Im ersten Monat des Krieges hat die Armut noch einmal um 20 Prozent zugenommen. Bereits zuvor lebte ein Großteil der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Jetzt sind mehr als anderthalb Millionen Menschen auf der Flucht.

"Dutzende Milliarden US-Dollar Schaden"

Der Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen zeichnet ein düsteres Bild. Richard Kozul leitet die Abteilung für Globalisierung und Entwicklungsstrategien der UN-Handelsorganisation UNCTAD. "Hier wird das Stammkapital von Gaza vernichtet", sagt er. "Die Gebäude, die Krankenhäuser. Den Schaden zu beziffern, wenn die Kämpfe aufhören, das wird sehr sehr schwierig. Es wird um Milliarden gehen, um Dutzende Milliarden US-Dollar."

Der Ökonom hat viele Kriege zwischen Gaza und Israel verfolgt. Er nennt das Muster aus Zerstörung und Wiederaufbau einen Teufelskreis. Nur eine Zweistaatenlösung könne das beenden, sagt Kozul. Das setze voraus, dass die Infrastruktur in Gaza erhalten bleibt. Dies ist jedoch schon jetzt zum Teil nicht der Fall.

"Wird so weitergehen, bis Hamas vernichtet ist"

Eyal Hulata ist der ehemalige nationale Sicherheitsberater Israels. Er sagt, der Krieg werde nach einer Waffenruhe fortgesetzt. Die wirtschaftliche Zukunft von Gaza sei dabei nebensächlich: "Wir müssen tun, was wir können, um einen gewissen Grad an humanitärer Hilfe aufrechtzuerhalten." Die Wirtschaft in Gaza sei ruiniert, das habe die Hamas den eigenen Leuten selbst eingebrockt.

"Viele Gebäude sind kaputt und es wird so weitergehen, bis die Hamas vernichtet ist. Es gibt keine Zukunft für Gaza solange die Hamas Gaza kontrolliert", sagt Hulata. Ob nach dem Krieg noch Häuser stehen werden, in denen Menschen leben können ist unklar - ebenso, ob sich Israel am Wiederaufbau beteiligen wird.

UN: Wirtschaft um 16 Jahre zurückgeworfen

Auch Abu Mahmoud el Hourani weiß nicht, ob seine Firma im nördlichen Gaza noch existiert. Dort hat er Küchen und Treppen aus Marmor und Aluminium produziert. Zehn Wohnungen, in die er investiert habe, seien zerstört, sagt er. Der Schaden liege bei 500.000 US-Dollar.

"25 Familien haben von meinem Unternehmen gelebt. Viele fragen mich jetzt, ob ich ihnen etwas geben kann", sagt el Hourani. Er wisse nicht, ob und wie er sein Geschäft wiederaufbauen könne, da die Zerstörung in Gaza so massiv sei. Nun ist er 20 Kilometer südlich von Gaza-Stadt bei einem Freund untergekommen - zusammen mit 100 anderen Geflüchteten. Sie alle warten auf das Ende des Krieges.

Die Vereinten Nationen haben bereits eine wirtschaftliche Analyse gewagt: Demnach sei die Wirtschaft im Gazastreifen bereits um 16 Jahre auf den Stand des Jahres 2007 zurückgeworfen worden. Es ist das Jahr, in dem die Hamas die Kontrolle in Gaza übernahm und Israel mit der Blockade des Küstenstreifens begann.

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