Zerstörte Fahrzeuge in Ashkelon

Massiver Angriff auf Israel Kämpfe in den Straßen, Angriffe aus der Luft

Stand: 07.10.2023 19:22 Uhr

Bei massiven Angriffen aus dem Gazastreifen wurden in Israel viele Menschen getötet. Palästinensische Terroristen drangen über Land, See und Luft nach Israel ein. Israel reagiert mit Luftangriffen.

Militante Palästinenser verüben seit dem Morgen einen massiven Angriff auf Israel. Zahlreiche Terroristen drangen aus dem Gazastreifen nach Israel vor. Es gab dort schwere Kämpfe mit israelischen Soldaten und Geiselnahmen. Nach Angaben der israelischen Armee wurde noch am Abend an fast zwei Dutzend Orten gekämpft.

Wie die Armee weiter mitteilte, wurden zudem seit dem frühen Morgen 2.200 Raketen vom Gazastreifen auf Ziele in Israel abgefeuert. In verschiedenen Städten des Landes heulten Warnsirenen, auch in Tel Aviv und Jerusalem. Das Militär rief die Einwohner der südlichen und zentralen Landesteile auf, sich in geschützte Bereiche zu begeben. ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann sagte am frühen Nachmittag unserer Zeit, der Beschuss halte an, sei aber schwächer geworden.

Mindestens 70 tote Israelis, Hunderte Verletzte

Der israelische Rettungsdienst teilte mit, dass mindestens 70 Menschen bei dem dem Hamas-Angriff getötet worden seien. Zuvor hatten israelische Medien von mindestens 100 Toten berichtet. Das Gesundheitsministerium meldet zudem fast 1.000 Verletzte. Die Behörden rechnen mit weiteren Opfern.

Das israelische Militär beschoss als Reaktion Ziele im Gazastreifen. Dutzende Kampfjets seien an dem Angriff beteiligt gewesen, teilte ein Sprecher mit. Es seien 17 Militäranlagen und vier Kommandozentren der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas angegriffen worden. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP gab es dabei mindestens neun Todesopfer. Die palästinensischen Behörden melden fast 200 Todesopfer im Gazastreifen.

Palästinenser dringen nach Israel ein

Im israelischen Fernsehen war zu sehen, wie bewaffnete Terroristen aus Gaza in israelische Ortschaften wie die 30.000-Einwohner-Stadt Sderot eindringen. Sie liegt zwei Kilometer von der Grenze entfernt. Ein Video zeigt, wie Kämpfer auf einem Balkon stehen. Terroristen klingeln an Haustüren, an einer Bushaltestelle liegen Menschen erschossen auf dem Boden. Eine Frau berichtet voller Angst, wie sie mit Mann und Kind im Bunker auf Hilfe wartet.

Augenzeugen berichteten, wie Angreifer in den Kibbuz Be’eri eingedrungen sein sollen, ein in Sozialen Medien kursierendes Video soll Angreifer im Kibbuz Nahal Oz zeigen.

Gal Naim, ein Anwohner von Sderot, schickte der ARD diese Nachricht aus seinem Haus:

Unsere schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden. Terroristen, die uns töten wollen, laufen durch unsere Straßen. Es erinnert an die ISIS-Terroristen, die mit ihren Jeeps durch die Wüste im Irak und in Afghanistan gefahren sind. Sie sind vor meiner Tür. Wir sind unter Belagerung in unseren Häusern bei unseren Lieben. Wir hören Schüsse und Explosionen durch die Straßen hallen. Wir sind gestresst, aber wir sind Zionisten und haben keine Angst.

Israel bestätigt Geiselnahmen

Ein Sprecher des israelischen Militärs bestätigte, dass Kämpfer der Hamas auch Israelis entführt hätten, darunter auch Soldaten. Wie viele Israelis entführt worden seien, ließ der Armeesprecher offen. Zunächst hatte sich Israel nicht zu Aussagen der Hamas geäußert, israelische Soldaten als Geiseln genommen zu haben.

Die Hamas selbst hatte zuvor ein Video veröffentlicht, in dem drei Gefangene in Zivilkleidung vorgeführt werden. Nach Darstellung der Hamas handele es sich dabei um drei gefangen genommene israelische Soldaten. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht.

Auch Bilder, die ARD-Mitarbeiter aus Gaza erhalten, zeigen gefangene Soldaten unter einer Plane, wie Terroristen mit einem israelischen Militärjeep herumfahren und eine Menschenmenge, die auf einem toten Soldaten herumtrampelt.

ARD-Korrespondentin von der Tann berichtet von zahlreichen Social-Media-Videos, die verschleppte israelische Soldaten und Zivilisten zeigen sollen: "Da spielen sich grausame, teils blutige Szenen ab", so von der Tann.

Hamas konnte Sperrungen überqueren

Wie die Militanten trotz strenger Grenzkontrollen nach Israel vordringen konnten, ist unklar. Armeesprecher Richard Hecht sagte, es seien unter anderem Gleitflieger eingesetzt worden. Die Zahl der Angreifer konnte er nicht benennen.

Israel hat entlang der Grenze zum Gazastreifen einen massiven Zaun errichtet, der Infiltrationen verhindern soll. Er verläuft auch tief unter der Erde und ist mit Kameras, Hightechsensoren und empfindlicher Abhörtechnik ausgestattet. Dass die Hamas die Sperren überwunden hat, ist für sie ein großer Erfolg.

"Wir sind im Krieg"

Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte in einer Videobotschaft aus dem Militärhauptquartier in Tel Aviv: "Bürger Israels, wir sind im Krieg." Das Land wurde offiziell in Kriegsbereitschaft versetzt. Das ermöglicht es der Armee beispielsweise Reservisten zu mobilisieren, was Verteidigungsminister Joav Galant bereits genehmigte. "Die Hamas hat heute Morgen einen großen Fehler gemacht", sagte er.

Der Angriff erfolgte am jüdischen Feiertag Simchat Tora, dem letzten einer ganzen Reihe von Festen und hat Israel offenbar überrascht, was an den Beginn des Jom-Kippur-Kriegs 1973 erinnert, als Ägypten und Syrien Israel zunächst überrumpelt hatten.

Karte von Israel mit dem Gazastreifen und den Orten Jersualem, Tel Aviv, Sderot, Gedera

Hamas spricht von "Militäroperation"

Die im Gazastreifen herrschende militant-islamistische Hamas hatte am Morgen den Beginn einer "Militäroperation" gegen Israel erklärt. Man habe beschlossen, israelischen "Verbrechen" ein Ende zu setzen, sagte der Militärchef Mohammed Deif. "So wird der Feind verstehen, dass die Zeit, in der er wütet, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden, vorbei ist. Wir kündigen den Beginn der Operation 'Al Aksa-Flut' an." Er sprach von 5.000 abgefeuerten Raketen. Deif forderte zudem israelische Palästinenser und die arabische Bevölkerung jenseits der israelischen Grenzen auf, sich an den Angriffen auf Israel zu beteiligen.

Inzwischen hat Hamas-Chef Ismail Hanijeh angekündigt, den Kampf vom Gazastreifen auf das Westjordanland und Jerusalem ausweiten zu wollen.

Nach eigenen Angaben ist auch die Palästinensermiliz "Islamischer Dschihad" an den Angriffen beteiligt.

Immer wieder Zusammenstöße

Die Lage in den Palästinensergebieten, besonders im besetzten Westjordanland, hatte sich zuletzt wieder zugespitzt. Seit Donnerstag waren dort vier Palästinenser bei eigenen Anschlägen oder Konfrontationen mit der israelischen Armee getötet worden.

An der Gaza-Grenze hatte es im vergangenen Monat mehrfach gewaltsame Proteste gegeben. Dabei wurden auch Sprengsätze auf Soldaten geworfen, mehrere Palästinenser wurden durch Schüsse verletzt. Die israelische Luftwaffe griff angesichts der Vorfälle mehrmals Hamas-Posten im Gazastreifen an.

Nach UN-Angaben leben im Gazastreifen mehr als zwei Millionen Menschen unter sehr schlechten Bedingungen. Die von EU, USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Hamas hatte 2007 gewaltsam die alleinige Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Küstengebiets, die von Ägypten mitgetragen wird.

Mit Informationen von Jan-Christoph Kitzler und Bettina Meier, ARD Tel Aviv

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