Gläubige in der einer Kirche in Damaskus bei einem Gottesdienst
reportage

Gläubige in Damaskus Warum sich Christen in Syrien fürchten

Stand: 16.12.2024 04:18 Uhr

Christen, Muslime oder Drusen - in Syrien leben Angehörige vieler Religionen. Vor Weihnachten sorgen sich manche Christen um ihre Sicherheit unter islamistischer Herrschaft. Ein Pater berichtet über erste Veränderungen.

Adventsgottesdienst in der katholischen Sankt-Theresien-Kirche im Zentrum der syrischen Hauptstadt Damaskus. Nur ein knappes Dutzend Gläubige hat sich in der großen Kirche versammelt und betet gemeinsam das "Vater unser" auf Arabisch. "Erlöse uns von dem Bösen" - in diesen Tagen beten sie besonders intensiv. Denn viele Christen in Syrien sind verunsichert und wissen nicht, was der Sturz des langjährigen Diktators Baschar al-Assad für sie bedeutet. Denn die neuen Machthaber des Landes sind Islamisten. Gottesdienstbesucherin Ruwaida macht sich Sorgen:

Alle sind besorgt, alle. Du merkst die Veränderungen in der Nachbarschaft, in der Gemeinschaft. Wir wissen nicht, was noch passiert.

 

Gläubige in der einer Kirche in Damaskus bei einem Gottesdienst

Die Kirchenbänke bleiben leer. Viele Christen sind besorgt wegen der islamistischen Herrscher.

"Wir versuchen Normalität so gut wie möglich"

Militante Islamisten und bärtige Bewaffnete prägen auf einmal das Stadtbild von Damaskus. Eigentlich hatten hier Christen, Muslime und andere Minderheiten friedlich Tür an Tür gelebt, betont Ruwaida. Aber wird das unter den neuen Machthabern möglich sein? Weihnachten sei in diesem Jahr völlig anders. "Wir bereiten alles vor, schmücken den Baum, stellen die Krippe auf, backen Süßigkeiten. Wir versuchen Normalität so gut wie möglich. Und hoffen, dass wir trotz der Veränderungen in unsere Kirche gehen können - denn die Kirche ist unser zweites Zuhause. Wenn uns das genommen wird, wird uns alles genommen." 

Haben die Christen Angst vor den neuen Machthabern? Maher, ein schmächtiger junger Mann, der permanent Rosenkranz betet, nickt. Er bedeutet uns, dass wir das Mikrofon ausmachen sollen und bricht in Tränen aus. Er habe große Angst vor Verfolgung, sagt er schluchzend.

Angst vor den neuen Machthabern

Auch wenn der Milizenführer Ahmed al-Scharaa, bekannt unter seinem Kampfnamen al-Dscholani, betont hat, dass die Minderheiten in Syrien respektiert würden, trauen viele Christen den Worten der neuen Machthaber nicht. Immerhin hat al-Scharaa einen eindeutig islamistischen Hintergrund, gehörte zum syrischen Ableger von Al Kaida, hatte Verbindungen zum IS.

"Ich habe schon Angst", sagt auch die Syrerin Mirna. "Heißt es nicht, dass man die Ungläubigen töten soll? Wir Christen sind doch damit gemeint, oder? Unser Blutvergießen ist also gestattet?" Die Mutter von zwei Söhnen kniet in der Kirchenbank und bekreuzigt sich. Sie betet vor allem für ihre Kinder. Deren Zukunft sieht sie nicht mehr in Syrien. "Ich möchte nicht, dass meine Kinder in dieser Atmosphäre leben müssen. Ich möchte, dass sie sie selbst sein können, ohne dass jemand ihre Gedanken und Meinungen kontrolliert."

Christin Mirna vor einer Kirche in Damaskus

Mirna will mit ihren beiden Kindern das Land verlassen.

Weihnachten ohne Festumzug

Der Priester der Gemeinde, Pater Jamil Kaldani, empfängt uns nach der Heiligen Messe in seinem Büro. Eigentlich gab es Weihnachten in Damaskus immer einen Festumzug und fröhliche Feiern auf den Plätzen der Stadt, erzählt er. Doch in diesem Jahr sei alles anders, berichtet er: "Es ist ein Zustand der Ungewissheit. Sie sagten uns, dass die Kirchenglocken manche Muslime stören könnten und baten uns, die Glocken nicht zu läuten. Von dem Moment an begann die Angst in unsere Herzen zu sickern", erzählt er. Die HTS und die anderen Milizen würden nicht für ihre Sicherheit garantieren. "Deshalb fürchten wir, dass wir bei unserer Feier bedroht werden. Es wird daher in diesem Jahr nur Gebete geben, keine großen Feierlichkeiten, keine Glocken, keinen Festumzug."

 Aus seinen Sorgen macht der Pater kein Geheimnis - er misstraut den neuen Anführern Syriens. Auch wenn viele Christen froh sind, dass Diktator Assad weg ist: Bislang habe es in Damaskus eine friedliche Koexistenz der Religionen gegeben, berichtet der Priester. Die muslimische Nachbarschaft hätte die Weihnachtsfeiern respektiert und sich sogar daran beteiligt.

Ich möchte nicht, dass sie kommen und sagen: Entfernt die Kreuze aus der Kirche, nur weil sie stärker sind. Sie müssen verstehen, dass Syrien ein Land ist, wo Christen und Muslime zusammenleben.

Hoffnung auf friedliche Weihnachten

Man habe sogar zusammen Weihnachten gefeiert, berichtet Kaldani. "Für die Muslime ist Jesus ein Prophet. Für uns ist er ein Gott. Einigen wir uns darauf, dass er ein Vorbild ist. Daher wurden die Feste gemeinsam gefeiert. Muslime nahmen an den Umzügen teil und ließen sich neben unsere Dekorationen fotografieren. Aber ich fürchte, dass sich diese Koexistenz ändern könnte. Und wir beten dieses Weihnachten, dass die Muslime erkennen, dass wir ein wesentlicher Teil dieser Gesellschaft sind."

Und doch: Als Christ überwiegt beim Pater die Hoffnung - vielleicht habe all das, was gerade ein Syrien geschehe, ja einen tieferen Sinn. "Weihnachten ist eine Botschaft der Hoffnung. Als Jesus in einem Stall geboren wurde, war er ein Flüchtling. Es gab keinen Platz für ihn und seine Eltern. Ganz Syrien ist seit Jahren auf der Flucht. Vielleicht erleben wir dieses Jahr Weihnachten nochmal anders. Wir Christen in einem Zustand der Vertreibung. Dass sich Assads Sturz kurz vor Weihnachten ereignete, war vielleicht für Syrien wie die Wiedergeburt zu Weihnachten. Es möge eine neue Geburt für ganz Syrien sein", hofft er.

Es ist die Hoffnung, die sie trägt: Die Christen in Syrien beten, dass Weihnachten in diesem Jahr für sie friedlich bleibt.

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