EU-Finanzminister bei ihrem Treffen in Bukarest (Archivbild vom 05.04.2019)

EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit Viele Vorteile - und eine Kehrseite

Stand: 06.04.2019 17:10 Uhr

Vor allem Osteuropäer wandern aus, um in anderen EU-Ländern zu arbeiten. Ihre Heimatländer verlieren Fachkräfte. Über die Folgen der Arbeitnehmerfreizügigkeit berieten jetzt die EU-Finanzminister in Bukarest.

Der Gastgeber spricht aus bitterer Erfahrung. Seinem Land fehlen aktuell mehr als eine Million Arbeitskräfte, sagt der rumänische Finanzminister Eugen Teodorovici. Sie sind abgewandert in andere EU-Länder, wo es mehr Jobs gibt und besser bezahlt wird.

Dass sich die Menschen in der Europäischen Union aussuchen können, wo sie arbeiten wollen, hat viele Vorteile - aber auch eine Kehrseite: "Nämlich dann, wenn die Mobilität der Beschäftigen zu einem Braindrain (Abwanderung Hochqualifizierter, Anmerkung der Redaktion) führt, und damit potenzielles Wachstum behindert," so Teodorovici. Er will das ändern.

Wissensverlust durch Abwanderung

Gemeinsam mit anderen sogenannten Entsendeländern will er darüber nachdenken, wie die Beschäftigten wieder zurückgeholt werden können. Es geht nicht nur um den Wissensverlust durch die Abwanderung hochqualifizierter Fachkräfte. Es geht nicht nur um Ärzte, Lehrer oder IT-Spezialisten, sondern auch um Handwerker, Dienstleistungspersonal und einfache Arbeiter. "Strukturreformen helfen", sagt Österreichs Finanzminister Hartwig Löger.

Rumäniens Finanzminister Eugen Teodorovici

"Die Mobilität der Beschäftigten führt zu einer Abwanderung von Fachkräften, warnte Rumäniens Finanzminister Eugen Teodorovici.

Junge Leute sehen keine Zukunft

Rumänien ist nicht das einzige Land, das die Nachteile der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu spüren bekommt. Vor allem junge Leute in Griechenland zum Beispiel oder in Portugal sehen in ihrer Heimat ebenfalls keine Zukunft und versuchen ihr Glück lieber woanders: im Westen und im Norden der EU. Das bleibt dort nicht ohne Folgen. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis: "In den Aufnahmeländern sehen einige die Mobilität als Ursache für unfairen Wettbewerb an, der die Löhne nach unten drückt und die Verfügbarkeit und die Qualität von öffentlichen Dienstleistungen schmälert."

Schwächere Länder im Nachteil

Zwar fließt einiges Geld wieder in die Entsendeländer zurück, weil die abgewanderten Arbeitskräfte ihre Familien in der alten Heimat finanziell unterstützen. Unter dem Strich aber führt der Fachleute-Schwund in Ländern wie Rumänien zu erheblichen Nachteilen. "Die EU-Kommission rät deshalb dazu, die Steuern auf Arbeit deutlich zu senken - auch für niedrige Löhne - und die Steuerbelastung so zu verteilen, dass sie das Wirtschaftswachstum nicht behindert", so Dombrovskis.

"Diskussionen allein sind zu wenig"

Mögliche europaweite Lösungen oder gemeinsame Konzepte und Strategien sind noch nicht zu erkennen. Allerdings steht für die rumänische Ratspräsidentschaft zunächst etwas anderes im Mittelpunkt: dass die Diskussion über die Folgen der Freizügigkeit in Europa eröffnet ist und jetzt dringend weitergehen muss - mit Unternehmern, Gewerkschaftern, Arbeits- und Sozialministern der EU, sagt der Rumäne Teodorovici: "Normalerweise würde ich jetzt im EU-Sprech sagen, dass wir glücklich sind über die heutige Debatte. Aber ich bin nicht zufrieden. Schöne Diskussionen allein sind zu wenig, wir brauchen auch Lösungen."

Klar ist immerhin eins: Auch wenn die Arbeitnehmerfreizügigkeit in manchen Ländern ihre Schattenseiten hat, überwiegen für Europa doch insgesamt die Vorteile. Darum dürfe an dieser Errungenschaft auch nicht gerüttelt werden, verlangt Österreichs Finanzminister Löger: "Das ist ein Grundrecht."

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