Sicherheitskräfte vor dem Eingang der venezolanischen Wahlbehörde.
hintergrund

Zweifel an Maduros Sieg Was bedeutet der Wahl-Streit in Venezuela?

Stand: 29.07.2024 19:02 Uhr

Sowohl die Regierung als auch die Opposition in Venezuela beanspruchen den Wahlsieg für sich. Wie vertrauenswürdig ist das offizielle Ergebnis? Und wie geht es nun weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Der Nationale Wahlrat (CNE) von Venezuela hat Nicolás Maduro mit 51,2 Prozent der Stimmen zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt. Die Opposition erkennt das offizielle Ergebnis nicht an und erhebt für ihren Kandidaten - den Ex-Diplomaten Edmundo González Urrutia - Anspruch auf das Präsidentenamt. Oppositionsführerin María Corina Machado sagte, González sei auf 70 Prozent und Maduro nur auf 30 Prozent der Stimmen gekommen. Sie berief sich dabei sowohl auf Nachwahlbefragungen und vier unabhängige Hochrechnungen als auch auf die tatsächlichen Auszählungsergebnisse.

Warum ist eine Wiederwahl für Amtsinhaber Maduro so wichtig?

Jedes andere Ergebnis hätte massive Folgen für Maduro. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ermittelt gegen seine Regierung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die USA haben 2020 Anklage gegen den Präsidenten und mehrere seiner Vertrauten erhoben und werfen ihnen Drogenhandel und Geldwäsche vor.

Wie vertrauenswürdig ist die Wahlkommission?

Beobachter gingen schon vor der Abstimmung nicht davon aus, dass die Wahl frei und fair ablaufen würde. Die Wahlbehörde, die 2023 von der Nationalversammlung neu ernannt wurde, besteht aus fünf Mitgliedern, von denen drei mit dem Chavismus und zwei mit der Opposition verbunden sind. Die von dem verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez gegründete und heute von Maduro fortgeführte politische Bewegung regiert das Land bereits seit 25 Jahren.

Welche Argumente hat die Opposition?

Maduro selbst bezeichnete das Wahlsystem in Venezuela gerne als das "zuverlässigste, transparenteste und sicherste Wahlsystem der Welt". Auch die Opposition glaubt an das System, ihr Misstrauen gilt allerdings denjenigen, die das System bedienen, und dem, was vor und nach der Wahl geschieht. 

Die Stimmabgabe in Venezuela erfolgt über elektronische Wahlmaschinen. Nachdem der Wähler seine Stimme bestätigt hat, druckt die Maschine eine Papierquittung aus, die dann in eine andere Wahlurne geworfen wird. Nach Schließung der Wahllokale vergleichen die Inspektoren die elektronisch ausgezählten Stimmen mit den hinterlegten Papierbelegen. Dies wird in mindestens 50 Prozent der Wahllokale überprüft. 

"Bislang wurde keine einzige Ergebnisliste gefunden, die von dem abweicht, was der CNE veröffentlicht hat", sagt der Wahlsystem-Experte Eugenio Martínez laut BBC. Entscheidend sei aber der Zugang zu diesen Listen: Da klagt die Opposition, dass sie diesen nur bei 40 Prozent der Ergebnislisten hatte. "Hier wurde gegen alle Regeln verstoßen", sagte Präsidentschaftskandidat González. 

Wie war es bei der Wahl 2018?

Maduros Wahl im Jahr 2018 war von den meisten westlichen Ländern nicht anerkannt worden. Die Opposition hatte wegen fehlenden Vertrauens in die Wahlbedingungen nicht teilgenommen. Der zur Opposition zählende damalige Parlamentspräsident Juan Guaidó erklärte sich 2019 zum Interimspräsidenten, konnte sich aber im Land nicht durchsetzen - vor allem, weil das Militär hinter Maduro stand. Anders als damals ist es der Opposition dieses Jahr allerdings gelungen, sich hinter einem einzigen Kandidaten zu versammeln - nachdem jahrelange innerparteiliche Spaltungen und Wahlboykotte ihre Ambitionen torpediert hatten.

Wie fielen internationale Reaktionen auf die Wahl aus?

Das offizielle Ergebnis der Präsidentenwahl in Venezuela hat international Zweifel ausgelöst. Führende Politiker in den USA und in lateinamerikanischen Ländern sprachen Bedenken aus, wohingegen die Staatschefs von Kuba, Nicaragua, China oder Russland Maduro gratulierten.

Neun lateinamerikanische Staaten haben eine Überprüfung des Wahlergebnisses gefordert. In einer gemeinsamen Erklärung riefen Argentinien, Costa Rica, Ecuador, Guatemala, Panama, Paraguay, Peru, die Dominikanische Republik und Uruguay am Montag zu einer "vollständigen Überprüfung der Ergebnisse in Anwesenheit unabhängiger Wahlbeobachter" auf. Außerdem forderten sie ein Treffen unter der Leitung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS).

Wie geht es weiter?

"Unser Kampf geht weiter, und wir werden nicht ruhen, bis der Wille des venezolanischen Volkes respektiert wird", sagte González nach Bekanntgabe des Ergebnisses. "In den nächsten Tagen werden wir unsere Maßnahmen ankündigen, um die Wahrheit zu verteidigen, denn wir haben gesagt, wir gehen bis zum Ende", sagte Oppositionsführerin Machado. Die jahrelange politische Krise in dem erdölreichen südamerikanischen Land dürfte sich damit noch einmal verschärfen. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Mehr als sieben Millionen Menschen haben Venezuela nach UN-Angaben in den vergangenen Jahren wegen Armut und Gewalt verlassen. In einer weiteren, sechsjährigen Amtszeit von Maduro könnten es noch mehr werden.

Am Berichtete Thema Title">dieses Programm: Im Juli 29 Thema über 2024