Joe Biden kurz vor seiner Rede im Weißen Haus.

Teil-Immunität für Trump Biden kritisiert Entscheidung des Supreme Court

Stand: 02.07.2024 03:51 Uhr

"Ein gefährlicher Präzedenzfall" - so kritisiert US-Präsident Biden die Entscheidung des Obersten Gerichts zur Immunität von ehemaligen Amtsträgern. Der Prozess seines Herausforderers Trump wegen versuchten Wahlbetrugs dürfte sich weiter verzögern.

US-Präsident Joe Biden hat die Entscheidung des Obersten Gerichts zur Immunität von Amtshandlungen ehemaliger Präsidenten scharf kritisiert. Aus praktischer Sicht bedeute die Entscheidung mit ziemlicher Sicherheit, "dass es keine Grenzen für das gibt, was ein Präsident tun kann", sagte Biden am Abend in einer Rede im Weißen Haus. "Das ist ein grundlegend neues Prinzip und es ist ein gefährlicher Präzedenzfall."

Niemand stehe über dem Gesetz, nicht einmal der Präsident der Vereinigten Staaten, sagte Biden. Er selbst werde die Grenzen der Macht eines US-Staatsoberhaupts weiter respektieren, so wie er es bisher getan habe. "Aber jeder Präsident, einschließlich Donald Trump, wird jetzt die Freiheit haben, das Gesetz zu ignorieren", fügte er hinzu.

Die Entscheidung bedeute, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass Trump vor der Wahl am 5. November wegen seiner Rolle bei dem Versuch, das Ergebnis der Wahl 2020 umzukehren, vor Gericht gestellt werde, sagte Biden. Die Öffentlichkeit habe jedoch das Recht, vor der Präsidentschaftswahl eine Antwort zu erhalten. "Damit erweist man den Menschen in diesem Land einen schlechten Dienst", so Biden.

Supreme Court bescheinigt Trump Teil-Immunität

Der Supreme Court hatte zuvor entschieden, dass Ex-Präsidenten für Amtshandlungen während ihrer Zeit im Weißen Haus absolute Immunität vor Strafverfolgung genießen. Für private Handlungen könne Trump jedoch zur Rechenschaft gezogen werden.

"Der Präsident genießt keine Immunität für seine inoffiziellen Handlungen, und nicht alles, was der Präsident tut, ist offiziell. Der Präsident steht nicht über dem Gesetz", hieß es in der Entscheidung. Damit ist offen, welche Teile der Anklage gegen Trump in Washington noch Bestand haben. Der Supreme Court klärte diese Frage nicht.

Niedrigere Instanz muss über Trump-Anklage entscheiden

Die Entscheidung darüber, wie dieser Spruch konkret auf den Fall Trump anzuwenden ist, verwiesen die Richterinnen und Richter an die niedrigere Instanz zurück. Diese muss nun herausfinden, für welche Handlungen Trumps Immunität gilt. Dies dürfte ein langwieriger Prozess sein. Dadurch verschafft die Entscheidung des Obersten Gerichts Trump vor allem wertvolle Zeit für seine Wahlkampagne - der Prozess gegen Trump dürfte nicht vor der Wahl im November beginnen.

Sollte Trump die Wahl gewinnen, könnte er nach Beginn seiner neuen Amtszeit einen Justizminister ernennen, der eine Einstellung des Verfahrens erwirkt. Außerdem könnte Trump theoretisch versuchen, sich selbst zu begnadigen.

Das Urteil des Supreme Court fiel mit sechs gegen drei Richterstimmen. Die als erzkonservativ geltende Mehrheit der Richter schloss sich im Grundsatz der Entscheidung an. Die drei als liberal geltenden Richterinnen widersprachen. 

Trump wollte Wahlergebnis kippen

Trump, der wahrscheinlich für die Republikaner bei der Präsidentenwahl im November antritt, ist in der US-Hauptstadt im Zusammenhang mit versuchtem Wahlbetrug angeklagt. Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 den Parlamentssitz in Washington gestürmt. Trump hatte vor dem Sturm auf das Kapitol auf verschiedenen Ebenen versucht, das Ergebnis der Präsidentenwahl von 2020 zu kippen und seine damalige Niederlage gegen den Demokraten Biden umzukehren. Auch im US-Bundesstaat Georgia läuft ein Verfahren gegen Trump wegen versuchter Wahlmanipulation. In Florida wiederum geht es um die Mitnahme geheimer Staatsdokumente.

Trump und seine Anwälte wollten erreichen, dass die Anklage in Washington fallen gelassen wird. Sie beriefen sich dabei auf die Immunität Trumps in seinem damaligen Amt als Präsident. Sie argumentierten, dass Trump nicht rechtlich für Taten belangt werden könne, die zu seinen Pflichten als Präsident gehörten. Mit dieser Argumentation waren sie bereits vor einem Berufungsgericht in der US-Hauptstadt gescheitert. Zuvor hatte auch die zuständige Richterin in dem Fall dieses Argument zurückgewiesen. Trumps Anwälte reichten Berufung ein, weshalb der Fall vor dem Supreme Court landete.

Immense Bedeutung für künftige Präsidenten

Das Oberste Gericht, das unter Trump wegen mehrerer Nachbesetzungen weit nach rechts gerückt ist, bezog nun Stellung dazu, wie groß die Macht von US-Präsidenten ist und wo die Grenzen des Rechtsstaats liegen. Die Verfassung gewährt Präsidenten nicht explizit Immunität, auch nicht während ihrer Zeit im Amt. Allerdings ist das Justizministerium traditionell der Auffassung, dass Präsidenten zumindest während ihrer Zeit im Weißen Haus nicht angeklagt werden können. Das Urteil mit Blick auf die rechtliche Handhabe für Ex-Präsidenten wird auch immense Bedeutung für künftige Präsidenten haben und ist bereits jetzt als historisch zu werten.

Bei der Anhörung vor dem Supreme Court hörten sich die Richterinnen und Richter Ende April rund drei Stunden die Argumente von Trumps Anwalt und der Gegenseite an. "Dieser Fall hat enorme Auswirkungen auf die Präsidentschaft, auf die Zukunft der Präsidentschaft, auf die Zukunft des Landes", sagte etwa der konservative Richter Brett Kavanaugh. Einige Richter ließen in ihren Fragen durchblicken, dass sie zwar keine vollumfängliche Immunität unterstützen - aber gewisse Handlungen doch vor Strafverfolgung geschützt sein sollten.

Trumps Anwälte fordern Aufhebung des Schweigegeld-Urteils

Schon jetzt will Trump aus der Entscheidung des Obersten Gerichts Vorteile für den Prozess um Schweigegeldzahlungen ziehen. Richter Juan Merchan solle den Schuldspruch aufheben und die für kommende Woche geplante Verkündung des Strafmaßes verschieben, forderten Trumps Anwälte am Abend in einem Brief. Außerdem solle Merchan prüfen, welche Folgen der Entscheid des Supreme Courts auf den Schweigegeldprozess habe.

In dem Verfahren geht es um 130.000 Dollar, die Trumps damaliger Anwalt Michael Cohen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels zahlte, bevor Trump Präsident wurde. Nach Cohens Darstellung handelte es sich um Schweigegeld, das Daniels im Wahlkampf 2016 davon abhalten sollte, Details einer mutmaßlichen sexuellen Begegnung mit Trump öffentlich auszubreiten. Das Geld soll Trump Cohen später erstattet haben.

Die Geschworenen haben den Ex-Präsidenten in 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen, Geschäftsunterlagen gefälscht zu haben, um den Grund dieser Zahlung an Cohen vertuschen. Trump bestreitet, je mit Daniels intim gewesen zu sein, und auch sonst jegliches Fehlverhalten.