Haiti: Menschen fliehen vor Bandengewalt aus dem Port-au-Prince-Stadtviertel Carrefour Feuilless.

Hauptstadt Port-au-Prince Bandengewalt in Haiti treibt Tausende in die Flucht

Stand: 17.08.2023 10:19 Uhr

Seit Jahren wird Haiti von Bandengewalt beherrscht. Vor allem in Port-au-Prince ist die Sicherheitslage desolat. Innerhalb von vier Tagen ergriffen 5.000 Bewohner die Flucht. Banden kontrollieren offenbar mehr als 80 Prozent der Hauptstadt.

Aufgrund von Bandenkriminalität versinkt Haitis Hauptstadt Port-au-Prince im Chaos. Nach UN-Angaben sind in den vergangenen vier Tagen etwa 5.000 Bewohner aus zwei Stadtvierteln geflohen. Insgesamt gebe es in der Stadt etwa 130.000 Vertriebene, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) mit.

Von Samstag vergangener Woche bis Dienstag hätten demnach 4.972 Menschen aus mehr als 1.000 Haushalten die Flucht ergriffen. Davon seien 76 Prozent in Notunterkünften untergekommen.

Das Land wird seit der Ermordung von Staatschef Jovenel Moïse vor mehr als zwei Jahren von zunehmender Gewalt durch Gangs erschüttert. Auch die Zahl von Entführungen ist drastisch gestiegen. Zuletzt kam es zu einer Selbstjustiz-Bewegung der Bewohner gegen die Banden. Die Gewalt verschärft auch die ohnehin schon prekäre Versorgungslage in Haiti. Fast die Hälfte der elf Millionen Bewohner des armen Karibikstaats leidet laut den Vereinten Nationen unter akutem Hunger.

Kaum Ressourcen für die Vertriebenen

Nach IOM-Angaben lebt fast die Hälfte der Vertriebenen in Port-au-Prince inzwischen in behelfsmäßigen Unterkünften, wo die hygienischen Verhältnisse extrem schlecht sind. Viele, die zunächst bei Freunden und Familie Unterschlupf gefunden haben, stehen jetzt vor dem Problem knapper Ressourcen, das die Unterbringung gefährdet.

Inzwischen sollen Banden mehr als 80 Prozent der Hauptstadt kontrollieren. Die Nationalpolizei gilt als völlig überfordert und personell unterbesetzt. Vor diesem Hintergrund fordert Regierungschef Ariel Henry seit Oktober eine internationale Eingreiftruppe für sein Land, um die Gangs zu stoppen. Ende Juli bot Kenia an, die Führung einer solchen Truppe zu übernehmen.

Bandenchef droht möglicher Eingreiftruppe

Dagegen protestieren nun die Banden. Einer der einflussreichsten Chefs, Jimmy Chérizier, drohte, gegen die Eingreiftruppe vorzugehen, sollten deren Mitglieder Übergriffe auf die Bevölkerung verüben. Er würde aber eine ausländische Einheit willkommen heißen, die Ministerpräsident Henry sowie korrupte Politiker und Polizisten verhafte, die in Armenvierteln Munition und Waffen verkauften. "Wenn die ausländische Truppe kommt, um zu helfen, und Sicherheit zu geben, damit das Leben neu beginnen kann, werden auch wir applaudieren."

Chérizier ist Kopf der Gruppe "G9 an fanmi e alye" (G9-Familie und Verbündete), besser bekannt unter seinem Spitznamen "Barbecue". Vielen Beobachtern gilt er als der mächtigste Bandenchef im Land.

Chérizier warnte, sollten Mitglieder der Eingreiftruppe etwa sexuelle Übergriffe begehen und versehentlich Wasserquellen mit Cholera verseuchen, wie es Soldaten einer vorangegangenen UN-Blauhelmmission getan hätten, würden die Haitianer aufstehen.

"Wir werden bis zum letzten Atemzug kämpfen." In Haiti war es Ende 2010 zu einem Cholera-Ausbruch mit mehreren Tausend Toten gekommen. Die Vereinten Nationen hatten damals Cholerabakterien in einem Lager von UN-Soldaten nachgewiesen und das Camp als Auslöser des Ausbruchs vermutet.