Berge in den unterschiedlichsten Farben bei Alfarcito (Argentinien).
Weltspiegel

Lithium in Argentinien "Wir können die Natur nicht opfern"

Stand: 29.01.2023 08:48 Uhr

Bei der Südamerikareise von Kanzler Scholz geht es auch um Rohstoffe - vor allem Lithium. In Argentinien regt sich jedoch Widerstand gegen den Abbau - Umweltschützer fürchten den Ausverkauf der Natur.

Der Landwirt Clemente Flores lacht gerne und erzählt von seiner Familie und seinen Lamas. Bei einem Thema aber wird er ernst, fast schon zornig. Es geht um den Rohstoff Lithium. "Wir zerstören das Ökosystem der Region mit all seinem Leben, damit andernorts geglaubt wird, dass es grüne Energie ist", sagt er. "Ist es aber nicht. Grüne Energie ist einfach nur ein Geschäft."

Flores fährt an diesem Tag zu einer Protestaktion gegen den Abbau von Lithium in seiner Heimat. Lithium, das ist das sogenannte "weiße Gold", das für Batterien in Smartphones, Robotik und vor allem in E-Autos gebraucht wird. Im Norden des Landes liegt das sogenannte Lithiumdreieck mit Chile und Bolivien. Rund 60 Prozent der weltweiten Vorräte liegen hier. Chinesen und Kanadier sind schon da, auch BMW kauft hier sein Lithium.

Industrienationen wie Deutschland sind derzeit hungrig nach Rohstoffen, nicht zuletzt um ihre Energiewende voranzutreiben. Die Bundesregierung subventioniert den Kauf von E-Autos. Eine Million Fahrzeuge sind mittlerweile zugelassen, 15 Millionen sollen es bis 2030 sein. Beobachter erwarten schon dann einen ersten Lithium-Engpass.

Gefahr für den Grundwasserspiegel

Ob es überhaupt genug Rohstoff für die Nachfrage gibt, ist wissenschaftlich umstritten. Vor allem aber sorgen sich viele, dass der Lithiumabbau den Grundwasserspiegel absenken könnte. Studien widersprechen sich zwar in dieser Frage, aber genau das müsse geklärt werden, sagt Flores.

Er befürchtet eine Katastrophe für seine Heimat. Die Industrie "verbraucht Unmengen von Süßwasser, und vor allem Salzwasser, weil da das Lithium drinsteckt. Wenn sie das hier weiter machen, können wir alle einpacken und gehen, weil hier alles sterben wird."

Es geht vorbei an Bergen in den unterschiedlichsten Farben, an großen Kakteen. Die Gegend hier ist ein raues, karges Paradies auf 4000 Metern Höhe. Die Erde ist trocken, denn es regnet hier ohnehin wenig. Wovon sollen Mensch und Tier leben, wenn es noch trockener wird?

Clemente Flores

Landwirt Flores sagt "wenn es so weitergeht, können wir hier alle einpacken."

Anwälte beraten die lokale Bevölkerung

Angekommen in Alfarcito: Etwa fünfzig Indigene der Region sind eingetroffen. Gekommen sind auch Umweltaktivisten und Anwälte aus Buenos Aires. Sie beraten die Gemeinden über deren Rechte, weil es sonst keiner tue, sagt Enrique Viale. Er ist Rechtsanwalt für Umweltfragen. Die Klimakrise müsse bekämpft werden, so Viale, aber nicht indem alle Benziner durch Elektroautos ersetzt würden. In Deutschland, im globalen Norden überhaupt, müsse man den Lebensstil überdenken und fragen, ob wirklich jeder und jede ein eigenes Auto und einen eigenen Laptop brauche.

"Unsere Natur kann nicht geopfert werden, damit jeder US-Amerikaner oder jeder Europäer einen Tesla hat", sagt Viale. "Dieser Konsum überlastet die Erde, es gibt auch nicht genug Lithium. Das muss überdacht werden." Die Natur könne nicht für den Energieumstieg des globalen Nordens geopfert werden.

Lithiumgebiet in Argentinien

Große Teile der weltweiten Lithium-Vorräte liegen unter anderem hier, in Argentinien.

Charmeoffensive der Bundesregierung

Wegen der Klimakrise und wegen des Kriegs in der Ukraine ist die Bundesregierung in Südamerika in einer Charmeoffensive unterwegs. Argentinien ist das erste von drei Ländern, das der Bundeskanzler dabei besucht.

Im November erst war die Sonderbeauftragte der Bundesregierung für internationale Klimapolitik, Jennifer Morgan, dort. Unter Wahrung der Menschenrechte und Umweltstandards sei man auf der Suche nach Partnern, erklärte sie damals. "Wir sind mittendrin in einer Klimakrise, einer Energiekrise und wir brauchen eigentlich Rohstoffe und grünen Wasserstoff, um unsere Energiewende umzusetzen", so Morgan. "Und in Südamerika, in Argentinien gibt es bombastische Ressourcen."

Indigene der Region Alfarcito und Umweltaktivisten.

Indigene der Region Alfarcito und Umweltaktivisten fürchten einen Ausverkauf ihrer Heimat.

Energieexport als Ausweg aus der Krise

Auch Argentinien sucht Partner, das Land steckt seit Jahren in einer Wirtschaftskrise, die sich durch die Pandemie verschärft hat. Das Land verzeichnete etwa 95 Prozent Inflation im Jahr 2022, ein trauriger Rekord in den letzten drei Dekaden. Da könnte der Export von Energie ein Ausweg aus der Krise sein, meint Wirtschaftsexperte Esteban Medrano." Schließlich hat Argentinien einige Vorteile, die es versuchen muss, für die wirtschaftliche Produktivität zu nutzen." Dazu gehöre "sowohl die Nutzung traditioneller Energien, als auch die Möglichkeit der Erzeugung erneuerbarer Energien."

Bevölkerung fürchtet Ausverkauf

In Alfarcito sehen die Indigenen dieses Argument sehr kritisch. Argentinien sei in einer schwachen Position, weil es Geld brauche. Flores fürchtet gar einen Ausverkauf. Seiner Ansicht nach leben sie hier von und mit der Natur, zum Klimawandel haben sie nichts beigetragen. Ihre Umwelt aber solle jetzt für den grünen Umstieg in Deutschland herhalten, ohne dass die Konsequenzen wirklich klar seien.

Gemeinsam beschriften sie einen riesigen Ballon: "Alle zusammen beschützen wir unser Wasser", steht danach darauf geschrieben. Mit Wind und Sonnenwärme lassen sie ihn in den Himmel steigen. Es sei ein kleiner Beitrag für mehr Sichtbarkeit, so Flores, "um allen zu zeigen, dass es hier Leben gibt".

Die ausführliche Reportage zum Thema sehen Sie im Weltspiegel - am Sonntag um 18:30 Uhr im Ersten.

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