Mitglieder des ANC und der Partei MK sprechen im Gebäude der Wahlbehörde miteinander.

Parlamentswahl in Südafrika ANC verliert die absolute Mehrheit

Stand: 01.06.2024 17:25 Uhr

Es ist ein Debakel für den ANC in Südafrika. Das erste Mal seit dem Ende der Apartheid vor 30 Jahren verlor die Partei ihre absolute Mehrheit. Dies ist nach Auszählung fast aller Stimmen sicher.

In Südafrika deutet alles auf ein historisches Wahlergebnis für den regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) hin: Zum ersten Mal in der 30-jährigen demokratischen Geschichte des Landes wird der ANC nicht mehr allein regieren können.

Bisher sind nach der Parlamentswahl 99,5 Prozent der Stimmen ausgezählt. Nach Angaben der Nationalen Wahlbehörde (IEC) lag der ANC bei 40,2 Prozent - rund 17 Prozentpunkte weniger als bei den Wahlen 2019 (57,5 Prozent). Damit verliert der ANC die absolute Mehrheit. Auf die größte Oppositionspartei, die Demokratische Allianz (DA), entfallen demnach 21,8 Prozent. Die DA hat ein wirtschaftsliberales Programm. Die erst vor sechs Monaten von Ex-Präsident Jacob Zuma gegründete Partei, uMkhonto we Sizwe (MK), kommt auf 14,6 Prozent. MK konnte dem ANC offenbar viele Stimmen abringen.

Wahlbeteiligung deutlich gesunken

Die Wahlbeteiligung lag laut IEC bei 58,6 Prozent und ist damit niedriger als bei der Parlamentswahl im Jahr 2019. Damals hatte sie bei 66 Prozent gelegen. Die endgültigen Ergebnisse sollen am Sonntag bekannt gegeben werden.

Die politische Dominanz des ANC war seit dem Ende der Apartheid-Ära 1994 noch nie infrage gestellt worden. Die Suche nach einem Koalitionspartner ist für die Partei des einstigen Anti-Apartheid-Kämpfers Nelson Mandela politisches Neuland. Die Zeit dafür ist knapp berechnet: Innerhalb von 14 Tagen nach der offiziellen Verkündung des Wahlergebnisses durch die Wahlbehörde IEC müssen die 400 Parlamentarier eine Regierung bilden und einen Präsidenten wählen.

Südafrika kämpft mit vielen Problemen

Das schlechte Wahlergebnis des ANC ist auf die schwache Regierungsbilanz zurückzuführen. Die 61 Millionen Einwohner des Landes klagen über marode Staatsunternehmen, regelmäßige Stromabschaltungen, das schlechte Bildungs- und Gesundheitssystem, hohe Kriminalität und tiefgreifende Korruption.

Beim ANC gibt man sich kommunikativ derzeit verschlossen. Die stellvertretende ANC-Generalsekretärin Momvula Mikonyane hatte am Freitag in einer kurzen Presseunterrichtung lediglich versichert, Präsident Cyril Ramaphosa werde nicht zurücktreten. Ob Ramaphosa jedoch vom Parlament für eine fünfte Amtszeit als Staatsoberhaupt wiedergewählt wird, ist jetzt unklar.

Das "Tor zu Afrika" zwischen West und Ost

Der Wahlausgang und die zukünftige Koalition sind auch für Deutschland und Europa relevant. Südafrika ist trotz seiner angeschlagenen Wirtschaft die stärkste Volkswirtschaft des afrikanischen Kontinents - knapp vor Nigeria.

Südafrika gilt politisch wie wirtschaftlich als "Tor zu Afrika" - zu einem Kontinent, der aufgrund seiner für die Energiewende benötigten Rohstoffvorkommen international immer wichtiger wird. Das Land ist zudem das einzige afrikanische Mitglied der Gruppe der großen Wirtschaftsnationen (G20).

Südafrika pflegt gleichzeitig gute Beziehungen zu westlichen Ländern und den autokratischen Staaten Russland und China. Im Nahost-Krieg vertritt Südafrika eine klar propalästinensische Position. Es klagt vor dem Internationalen Gerichtshof gegen Israel und erhebt den Vorwurf des Völkermords.

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