Parlamentsgebäude in der nigrischen Hauptstadt Niamey

Nach dem Militärputsch in Niger Ein neuer Staatschef aus dem alten System

Stand: 29.07.2023 04:57 Uhr

Im Dreiländereck mit Burkina Faso und Mali war Niger bis zum Putsch vom Mittwoch der letzte demokratische Staat. Für die internationale Gemeinschaft ist es eine Katastrophe. Viele Menschen in Niger scheinen, den Umsturz zu begrüßen.

Die Bilder sind nur allzu vertraut: Russische Fahnen wehen, französische brennen - jetzt auch in Niamey, der Hauptstadt Nigers. Ähnliche Szenen hatte man nach den Machtübernahmen der Militärs in den Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso schon gesehen. Demonstranten machen ihrem Frust in den Straßen Niameys Luft.

Sie sagen, das Land habe Uran, Diamanten, Gold und Öl, aber die Menschen lebten wie Sklaven. Die Menschen fordern die Schließung des französischen Stützpunktes. "Wir brauchen die Franzosen nicht für unsere Sicherheit," sagt einer von ihnen. "Demokratie funktioniert hier nicht, weil die Menschen nicht daran teilhaben." Die Macht müsse in den Händen der Menschen liegen. Sie würden aber nicht beteiligt, denn es gehe nur ums Geld.

General ernennt sich zum Staatschef

Am Freitag ergriff dann auch der neue starke Mann das Wort. Im Staatsfernsehen sagte General Abdourahamane Tchiani, der Putsch diene dem Schutz des Vaterlandes und sei "durch den alleinigen Wunsch motiviert, einerseits unser geliebtes Heimatland vor der kontinuierlichen Verschlechterung der Sicherheitslage zu bewahren, andererseits vor der schlechten Regierungsführung in der Wirtschaft und im Sozialen."

Er erklärte, der heutige Sicherheitsansatz habe trotz großer Opfer dem Land keine Sicherheit gebracht, sondern nur einen "Haufen von Toten, Vertriebenen, Erniedrigung und Frustration". Der Frust in den Straßen ist sichtbar geworden. Ulf Laessing vom Sahelprogramm der Konrad-Adenauer-Stiftung sieht den Jubel kritisch.

Der neue Staatschef bedeutet definitiv keinen Aufbruch. Er ist Teil des alten Systems der Vorgängerregierung, und was er jetzt in seiner Ansprache gesagt hat, ist eigentlich auch nicht glaubwürdig.
Ulf Laessing, Konrad-Adenauer-Stiftung

"Sicherheitslage unter Bazoum eigentlich besser geworden"

General Tchiani habe zwei Wahlperioden mit dem Vorgänger des gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum, Mahamadou Issoufou zusammengearbeitet. Bazoum habe dessen Probleme nur geerbt. "Das kann man dem nach zwei Jahren kaum vorwerfen, dass die Sicherheitslage zu schlecht ist. Ganz im Gegenteil, sie ist eigentlich besser geworden, nicht viel, aber die Sicherheitslage ist auch dank der Kooperation mit den Europäern nicht so stark eingebrochen wie in Nord-Mali oder in Burkina Faso."

Wie in Mali sind auch im Sahelstaat Niger internationale Sicherheitskräfte an Anti-Terror-Einsätzen beteiligt, weil sich der islamistische Terror dort ausbreitet, indirekt auch die Bundeswehr, die unter anderem Sicherheitskräfte ausbildet. In der Hauptstadt unterhält sie einen Lufttransportstützpunkt. Über den sollte eigentlich auch der Abzug der Bundeswehr aus dem benachbarten Mali abgewickelt werden. Zuletzt wurde massiv in den armen Wüstenstaat Niger investiert - auch seitens der EU. Das räche sich jetzt, so Ulf Laessing.

"Westen hat alle Warnungen in den Wind geschlagen"

Er sagt, nach Niger sei man gegangen und habe einen Stabilitätsanker gesehen, nachdem es Probleme mit Mali und der Bundeswehr gegeben habe. "Dann haben die Diplomaten auf die Karte geschaut und gesehen, Niger? OK, demokratischer Präsident, aber das war immer einer der ärmsten Staaten der Welt, wo die Regierung nicht mal das eigene Territorium kontrolliert."

Man habe das Land mit Hilfsgeldern überschüttet und alle Warnungen in den Wind geschlagen, so Laessing. Möglicherweise habe man auch falsche Erwartungen bei der Bevölkerung geweckt. "Die denken, es kommen hier die ganzen westliche Programme, es muss was passieren und man hat möglicherweise dann auch Bazoum geschadet."

Sicherheitsexperten befürchten, dass sich die Lage in der Region durch den politischen Umsturz weiter verschlechtern könnte. Niger war einer der letzten Staaten, die noch mit dem Westen kooperieren wollten und wo noch eine demokratisch gewählte Regierung an der Macht war. Seit Mittwoch ist es jetzt das dritte Land in der Sahelzone mit Mali und Burkina Faso, in dem  Militärs sich an die Macht geputscht haben.

Putsch international verurteilt

International wurde der Putsch scharf verurteilt. Die EU und die USA drohten damit, ihre finanzielle Hilfe zu stoppen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres sagte, der Putsch spiele nur Terrorgruppen in die Hände.

Die Hilfsorganisation "Aktion gegen den Hunger" warnte vor einer Verschärfung der humanitären Krise im Land. Sie hat ihre Hilfsprogramme wegen der Sicherheitslage vorübergehend eingestellt. Bis Ende 2022 waren rund vier Millionen Menschen im Niger dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Die westafrikanische Wirtschaftsunion ECOWAS plant voraussichtlich ein Gipfeltreffen am Sonntag, um über Sanktionen zu beraten. Sanktionen hatten aber auch schon Putschisten in Mali oder Burkina Faso wenig beeindruckt.