Zerstörte Fahrzeuge stehen nach der Überschwemmung zwischen Trümmern auf der Straße im libyschen Darna.

Überschwemmungen in Libyen Zweifelhaftes Versprechen der Aufklärung

Stand: 15.09.2023 17:32 Uhr

Nach der Flut in Libyen haben erste Hilfslieferungen das Land erreicht. Die Frage nach der Verantwortung für das Unglück bleibt ungeklärt. Die Politik verspricht Aufklärung - doch daran glaubt kaum jemand.

Von Von Moritz Behrendt, SWR

Früh am Morgen rollt ein Laster nach dem anderen über die Berge in Richtung Darna. Unter den flatternden Planen sind Hilfsgüter für die von der Flut zerstörte Stadt geladen.

Wie nötig die Hilfe ist, schildert Salem Alnass vom libyschen Roten Halbmond. Die Lage sei katastrophal, sagt er. "Es gibt so viele Tote, Vermisste und Vertriebene." Zwar kämen immer mehr Hilfsgüter an. "Aber gemessen am Ausmaß der Katastrophe reicht das nicht aus."

Alnass nennt auch noch einmal die Zahl der Toten, die vermutlich weiterhin nur vorläufig ist: "Ich gehe davon aus, dass die Zahl der Todesopfer inzwischen bei 10.000 oder sogar 11.000 liegt." Noch immer würden Tausende vermisst. 3.000 Personen aus Darna, die ihre Wohnungen verloren haben, sind in Lagerhallen des libyschen Roten Halbmondes untergebracht.

Zahlreiche Hilfsinitiativen

Die Hilfslieferungen kommen aus allen Teilen des Landes - auch aus dem Westen - dessen Regierung eigentlich mit den Machthabern in Ostlibyen verfeindet ist. Privatleute aus Westlibyen haben Hilfskonvois mit Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten für ihre Landsleute im Osten organisiert. Und auch der Ministerpräsident der international anerkannten Regierung mit Sitz in Tripolis, Abdul Hamid Dbeibah, wird nicht müde zu betonen, wie er sich gerade für die von der Flut betroffenen Menschen einsetzt.

In der Politik stecke da auch Show dahinter, sagt der libysche Journalist Hussein Muftah im Fernsehsender Al-Hadath. Wenn Dbeibah die Einigkeit der beiden Landesteile so wichtig sei, dann hätte er doch ein viel einfacheres Mittel, um Solidarität zu zeigen.

Ich frage ihn aber, warum ergreift ihr nicht die Initiative - du und deine Minister in Tripolis? Warum steigt ihr nicht ins Flugzeug, um nach Bengasi zu fliegen? Glaubt ihr etwa, dass die Regierung im Osten Euch nicht empfängt?
Hussein Muftah, libyscher Journalist

Politiker versprechen Aufarbeitung

Die Flut in Darna konnte ihre tödliche Kraft vor allem deshalb entwickeln, weil zwei Dämme oberhalb der Stadt gebrochen waren. Jahrelang waren sie nicht instandgehalten worden. Warum? Das werde nun aufgeklärt, versprechen Politiker von beiden Seiten.

Ministerpräsident Dbeibah sagt, man habe herausgefunden, dass es Wartungsverträge für die Dämme gab, die aber nicht ausgeführt worden seien. Dafür habe es Staatsausgaben in Millionenhöhe gegeben. "Das heißt: Eigentlich hätte es Instandsetzungsarbeiten geben müssen", so Dbeibah. "Die Verantwortung ist klar zu sehen."

Dbeibah forderte die Staatsanwaltschaft auf, Ermittlungen einzuleiten. Seine Regierung hat im Osten Libyens so gut wie keinen Einfluss - doch auch Verbündete des dort mächtigen Generals Khalifa Haftar kündigen Untersuchungen an. Der Politikjournalist Hussein Muftah glaubt nicht an eine unabhängige Aufklärung. Beiden Seiten gehe es vor allem darum, nach der verheerenden Flut als tatkräftig zu erscheinen.