Wirtschaftsminister Robert Habeck steigt in den Flieger der Bundesregierung (Archivbild)

Afrika-Reise Habecks Energiekrise, Klima - und Kolonialgeschichte

Stand: 04.12.2022 00:13 Uhr

Wirtschaftsminister Habeck reist heute für mehrere Tage nach Namibia und Südafrika. Vor Ort soll es um Energieversorgung und Klimaschutz gehen. Der Vizekanzler muss sich aber auch der deutschen Kolonialgeschichte stellen.

Von Philipp Eckstein, ARD-Hauptstadtstudio

Kräftiger Wind, fast immer Sonne, viel freies Land. Ideale Bedingungen für die Produktion von grünem Wasserstoff. Die Hoffnungen, die deutsche Firmen, aber auch die Bundesregierung auf Namibia setzen, sind groß. Es gebe wahrscheinlich "auf der ganzen Welt keinen besseren Standort, um kostengünstig Wasserstoff aus Wind und Solarenergie zu produzieren", sagt Reiner Baake, Direktor der Stiftung Klimaneutralität.

Der frühere Staatssekretär wurde im Juli von Wirtschaftsminister Robert Habeck zum Sonderbeauftragten für die deutsch-namibische Klima- und Energiekooperation ernannt. Das Kooperationsabkommen hatten Habeck und der namibische Energieminister Tom Alweendo im März geschlossen. Bei der Reise, die am Sonntag startet, soll das Abkommen im Mittelpunkt der Gespräche stehen und die Frage, wie die Zusammenarbeit beider Staaten im Bereich der Wasserstoffwirtschaft ausgebaut werden kann.

Wasserstoff statt Gas, Öl oder Kohle

Grüner Wasserstoff, hergestellt mit Solar- und Windenergie, so die Hoffnung, soll bald in großer Menge in Namibia produziert werden. Als Brennstoff kann er etwa Erdgas, Öl oder Kohle ersetzen. Außerdem kann er in grünes Ammoniak umgewandelt und so per Schiff gut nach Deutschland transportiert werden.

Ammoniak ist ein wichtiger Grundstoff für die Chemie-Industrie und wird beispielsweise bei der Produktion von Düngemitteln benötigt. Es gehe um eine "Win-win-Situation", sagt Baake im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Als Industrieland brauche Deutschland "auf dem Weg zur Klimaneutralität die grünen Moleküle". In Namibia könnte die Produktion von grünem Wasserstoff zugleich Tausende neue Jobs bringen und die Energieversorgung sichern.

Begleitet wird Habeck bei seiner Reise von einer Wirtschaftsdelegation. Mit dabei ist unter anderen Gunar Hering, Vorstand des brandenburgischen Unternehmens Enertrag. Die Firma ist einer der Gesellschafter des Hyphen-Konsortiums, das in Namibia ein milliardenschweres Wasserstoff-Projekt plant. Noch laufen die Verhandlungen mit der namibischen Regierung. Auf Anfrage teilt ein Sprecher mit, dass die Firma mit einer Vertragsunterzeichnung Anfang 2023 rechnet. Baubeginn könnte dann 2025 sein. Ab 2027 könnten, so der Plan, bereits Hunderttausende Tonnen grünes Ammoniak exportiert werden. Als ein potenzieller Käufer hat sich das Energieunternehmen RWE angemeldet.

Deutschlands brutale Vergangenheit in Namibia

Neben der Hoffnung auf Fortschritte bei der Energieversorgung und Klimapolitik wird Vizekanzler Habeck in Namibia allerdings auch mit der brutalen deutschen Kolonialgeschichte konfrontiert werden. In den Jahren 1904 bis 1908 töteten deutsche Truppen des Kaiserreichs Zehntausende Herero und Nama - ein Völkermord. Im Mai 2021 hatte die Bundesregierungen nach jahrelangen Verhandlungen mitgeteilt, dass sich Deutschland und Namibia auf ein Abkommen zur Aussöhnung verständigt haben.

Das sogenannte Versöhnungsabkommen sorgt in Namibia seither allerdings für Streit. Angehörige der Opfer kritisieren, dass sie nicht in die Verhandlungen eingebunden waren. Bis heute hat das namibische Parlament dem Abkommen nicht zugestimmt. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts teilte auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios mit: "Derzeit laufen konstruktive Gespräche mit der namibischen Regierung zu offenen Fragen der Umsetzung" der gemeinsamen Erklärung. Die Gespräche seien auf Wunsch beider Seiten vertraulich. Verhandlungspartner sei die "namibische Regierung, die im engen Dialog mit den betroffenen Bevölkerungsgruppen" stehe, so die Sprecherin.

Mögliche "Zeitenwende zwischen Deutschland und Afrika"

Von Namibia fliegt Habeck weiter nach Südafrika. Am Mittwoch wird er in Johannesburg den Deutsch-Afrikanischen Wirtschaftsgipfel eröffnen, an dem Politikerinnen und Politiker und Unternehmen aus zahlreichen Staaten teilnehmen. Zu dem Gipfel wird auch Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, reisen. Er hofft, dass die Bundesregierung den Kontinent wieder mehr in den Blick nimmt: "Afrika kann plötzlich Deutschland mit grüner Energie versorgen. Das wird milliardenschwere Investitionen auslösen." Das könne, so Liebing, wirklich das Zeug dazu haben, "eine Zeitenwende im besten Sinne zwischen Deutschland und Afrika zu beginnen". Dafür sei "dieser Besuch sicherlich ein guter Anfangspunkt".

Neben Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit wird sich Habeck aber auch in Südafrika geopolitischen Herausforderungen stellen müssen. Sei es der wachsende Einfluss Chinas in Afrika, sei es die Frage nach dem richtigen Umgang mit Russland. So lehnt etwa Südafrika die Wirtschaftssanktionen gegen Russland ab. Bei einem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz im Mai kam es bei dem Thema zum offenen Widerspruch mit Südafrikas Präsidenten Cyril Ramaphosa.

Ramaphosa steht innenpolitisch wegen des Vorwurfs, gegen ein Anti-Korruptionsgesetz verstoßen zu haben, enorm unter Druck. Bislang ist aber auch seine Teilnahme am Wirtschaftsgipfel geplant.

Bei den möglichen Gesprächen mit Habeck könnte es dann nicht nur um den Krieg in der Ukraine, sondern auch um das Thema Kohle gehen. Deutschland will gemeinsam mit mehreren Industriestaaten und der Europäischen Union Südafrika zum Ausstieg aus der Kohle bewegen. Allerdings exportiert Südafrika seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine deutlich mehr Kohle nach Europa als zuvor. Einer der dankbaren Abnehmer: Deutschland.

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