EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

EU-Ausblick für 2020 Der Brexit und andere dicke Brocken

Stand: 31.12.2019 00:03 Uhr

Der Brexit dürfte einem zuerst einfallen, wenn es um die großen Baustellen der EU im nächsten Jahr geht. Doch es gibt noch weit mehr. Die dicksten Brocken für das Team von der Leyen - ein Überblick.

Klimaschutz

Bis 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent der Welt sein. Das heißt: In der Europäischen Union dürfen keine Treibhausgase mehr in die Luft geblasen werden. Es sei denn, die EU sorgt anderswo für Ausgleich. Mit neuen Wäldern zum Beispiel, oder mit CO2-Speichern. Aber auch in Europa soll sich einiges ändern. Wie wir leben, wie wir wohnen, wie wir uns fortbewegen und was wir essen.

Ursula von der Leyen, die neue Kommissionspräsidentin, hat schon angekündigt, dass der Wandel überall zu spüren sein wird. Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, Energie, Wohnungen - überall muss klimagerecht umgebaut werden. Nicht jeder zieht dabei mit. Widerstand kommt aus Osteuropa, wo die Kohle nach wie vor eine große Rolle spielt. Ungarn, Tschechien und Polen verlangen deshalb milliardenschwere Unterstützung. Aber auch in Deutschland geht es vielen zu schnell, vor allem in der Union. Da heißt es: Wir dürfen über den ganzen Klimaschutz die Arbeitsplätze nicht vergessen. Von der Leyen muss also auch in den eigenen Reihen noch viel Überzeugungsarbeit leisten.

Migration

Wo soll man da nur anfangen? Bei den furchtbaren Zuständen in nordafrikanischen Lagern, wo Menschen schikaniert und misshandelt werden? Bei den dubiosen libyschen Sicherheitskräften, die im Auftrag der EU Bootsflüchtlinge abfangen und in genau diese Lager verfrachten? Bei dem unwürdigen Gezerre um die Verteilung von Asylbewerbern, die von privaten Organisationen aus Seenot gerettet werden, weil sich Europa dazu nicht durchringen kann? Bei den sogenannten Visegrad-Ländern Polen, Tschechien, Ungarn und der Slowakei, die sich nach wie vor kategorisch gegen die Aufnahme von Flüchtlingen sperren? Oder beim Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex, der nur schleppend vorankommt, weil es die Leute dafür noch nicht gibt, oder weil Viktor Orban keine Brüsseler Söldner an seinen Grenzen sehen will? Eine gemeinsame Asylpolitik ist auch im neuen Jahr eine Hauptaufgabe der Europäischen Union - und ihre Achillesferse.

Geld

Ein ganz dicker Brocken. Wie viel soll die EU in den nächsten sieben Jahren wofür ausgeben? Das Team von der Leyen hat sich jedenfalls einiges vorgenommen. Klimaschutz, Forschung, Digitalisierung, Grenzschutz, Sicherheit. All das kostet. Und mit Großbritannien wird aller Voraussicht nach ein sogenannter Nettozahler den europäischen Club schon bald verlassen. Die Beiträge der Mitglieder müssen darum steigen, findet jedenfalls die neue Kommissionpräsidentin. Sie hat das Europaparlament an ihrer Seite. Die Niederlande, Österreich, Dänemark, Schweden und Deutschland sind allerdings strikt dagegen. Und sie pochen auf ihre Beitragsrabatte, die den anderen Ländern ein Dorn im Auge sind. Was die Sache insgesamt schwierig bis unmöglich macht, weil der Haushalt einstimmig beschlossen werden muss. Und weil jeder etwas will. Geld für seine Bauern, seine Universitäten, seine abgehängten Regionen. Das wird für alle Beteiligten eine ganz harte Nuss.  

Brexit

Von wegen "Let's get Brexit done" - und alles ist erledigt! Was der britische Premier Boris Johnson den Briten im Wahlkampf versprochen hat, ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Denn die Verhandlungen mit der EU sind nach dem Austritt Großbritanniens nicht zu Ende. Sie fangen erst an. Wie geht es weiter beim Handel, bei Forschung und Wissenschaft, beim Militär, bei den Nachrichtendiensten? Alles, was für EU-Mitglieder gilt, muss zwischen London und Brüssel neu vereinbart werden. Und dabei tickt die Uhr. Denn die Übergangsphase, in der sich erstmal nichts ändert, läuft Ende 2020 ab - und verlängern will Johnson auf keinen Fall. Das Problem: Wenn bis dahin kein Handelsvertrag steht, gibt es womöglich doch noch einen harten Brexit. Ob sich das Team von der Leyen aber so schnell mit den Briten einig wird, gilt als unwahrscheinlich. Die Verhandlungen über einen Freihandelsvertrag zwischen der EU und Kanada zum Beispiel haben sieben Jahre gedauert.

EU-Ratspräsidentschaft

Im Sommer übernimmt Deutschland turnusmäßig den Vorsitz der Europäischen Union für ein halbes Jahr. Das heißt: jede Menge Arbeit. Hunderte Treffen von Ministern, Arbeitsgruppen und Fachausschüssen müssen organisiert, vorbereitet und geleitet werden. Die Ratspräsidentschaft bestimmt die Schwerpunkte, bereitet Kompromisse vor und vermittelt, wenn es mal Streit gibt - was im Prinzip dauernd passiert. Viele Themen werden deshalb von einer Ratspräsidentschaft zur nächsten weitergereicht. Vor allem die schwierigen. Ob unter deutschem Vorsitz zum Beispiel eine neue europäische Asylpolitik beschlossen werden kann, ist Stand heute eher fraglich. Der heftig umstrittene EU-Haushalt für die nächsten sieben Jahre muss dagegen Ende 2020 unter Dach und Fach sein. Und wie üblich läuft alles auf einen Showdown in letzter Minute zu. Beim Thema Geld kommt es also entscheidend auf Deutschland an.

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