Der US-Präsident und der "Brexit" Obama sorgt schon vor Ankunft für Wirbel

Stand: 22.04.2016 13:10 Uhr

Noch bevor US-Präsident Obama in London landete, sorgte er für Wirbel: In einem Zeitungsinterview sprach er sich gegen den EU-Austritt Großbritannies aus. Wohl zur Freude von Premier Cameron. "Brexit"-Befürworter dagegen sind empört.

Von Gabi Biesinger, ARD-Studio London

US-Präsident Barack Obama ist gestern Abend in London gelandet. Auf dem Weg zur Eröffnung der Hannover Messe in Deutschland am Sonntag hat er einen Zwischenstopp in der britischen Hauptstadt eingelegt. In erster Linie um der Queen persönlich zum 90. Geburtstag zu gratulieren, wie er sagt. Aber ziemlich genau zwei Monate vor dem Referendum über einen möglichen EU-Austritt der Briten bezieht der US-Präsident auch Stellung gegen den "Brexit" und wirbelt mit einem Zeitungsartikel viel Staub auf, noch bevor er sich persönlich geäußert hat.

Die EU-Mitgliedschaft mache Großbritannien größer

Der konservative Zeitung "Daily Telegraph" titelt: "Obama - Why Britain must stay in the EU" - warum die Briten in der EU bleiben müssen. In einem Exklusivartikel findet der US-Präsident dann überraschend deutliche Worte: Das Vereinigte Königreich habe bei Arbeitsplätzen und Handel vom europäischen Binnenmarkt profitiert. Und die EU habe dazu beigetragen, britische Werte, wie Demokratie, offene Märkte und Rechtsstaatlichkeit zu verbreiten.

Die Mitgliedschaft in der EU mache Großbritannien nicht kleiner, sondern größer, so Obama, und er verweist auf die besondere Beziehung zwischen Briten und Amerikanern - die "special relationship". Er betont, mit Blick auf die gemeinsame Geschichte, die Entscheidung der Briten habe auch Auswirkungen auf das Leben der Amerikaner. "Die Gräber von Zehntausenden gefallenen Amerikanern auf Europas Friedhöfen sind stumme Belege dafür, wie eng unser Wohlstand und unsere Sicherheit miteinander verflochten sind."

Empörung bei Befürwortern des "Brexit"

Natürlich sei es die Sache des britischen Volkes, über seine Zukunft in der EU zu entscheiden, so Obama weiter. Die Welt sei aber freier, wohlhabender und könne besser auf Bedrohungen wie die russische Aggression und den Terrorismus reagieren - eben weil Großbritannien Teil der EU sei. Premierminister David Cameron, der sich vom US-Präsidenten Unterstützung dabei erhofft, die Briten zu überzeugen, in der EU zu bleiben, dürfte mit den klaren Worten seines amerikanischen Amtskollegen zufrieden sein.

Londons Bürgermeister Boris Johnson vor seinem Haus

Londons Bürgermeister Boris Johnson "verbittet" sich in der "Sun" Belehrungen aus Übersee.

Empörung hat Obamas Artikel allerdings im Lager der Austritts-Befürworter ausgelöst. Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson, populäre Leitfigur der "Brexit"-Kampagne, verbittet sich in der "Sun" Belehrungen aus Übersee und wirft Obama Heuchelei vor. Die USA würden nie einer solchen Einschränkung ihrer Souveränität zustimmen, wie die Briten sie als Mitglied in der EU hinnehmen müssten.

Ähnlich formuliert es der konservative Abgeordnete Dominic Raab: "Obama misst mit zweierlei Maß. Ihm würde doch zum Beispiel nicht im Traum einfallen, die Grenze zu Mexiko einfach zu öffnen."

"Brexit"-Befürworter Nigel Farage, Chef der populistischen Partei UKIP, meint dagegen, Obama habe gar nicht wirklich begriffen, wie die Europäische Union ticke: "Ich war vergangenes Jahr in Washington, und die Senatoren dort dachten, die EU sei so eine Art liberaler Handeslclub. Entweder Obama unterschätzt die EU oder er will einfach die Interessen amerikanischer Großunternehmen gewahrt sehen und uns dazu bringen, sein transatlantisches Freihandelsabkommen TTIP zu unterschreiben. Ich denke darum geht es ihm."

"Ein gemeinsames Projekt des Westens"

Andere Beobachter meinen dagegen, Obama habe durchaus das Recht, in der "Brexit"-Frage Stellung zu beziehen. "Es geht schließlich um ein gemeinsames Projekt des Westens, und er weist mit dem Bezug auf die Gräber der gefallenen US-Soldaten sehr spezifisch darauf hin, dass die Briten ihre Souveränität und Unabhängigkeit gar nicht hätten, wenn die USA sich nicht in die Kriege in Europa eingemischt hätten", sagt Bronwen Maddox, Herausgeberin des "Prospect Magazine".

Am frühen Abend werden Obama und Cameron sich in einer gemeinsamen Pressekonferenz äußern.

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