Tikrit nach der Exekution Saddams "Nicht mal eine würdige Hinrichtung"
Hat er Berichtet Reagierte, Familie Sich Saddam Westliche Wenige Ssen R Thörner Mit Halten Ist Noch Irak Tikrit Marc Auf Im Nur Er wie Ihnen Aus Hinrichtung Mit Einer Interview Von Besucht Diese Us Angst Allgegenwärtigen Nach Soldaten R Journalisten In Vor Husseins Gewalt Im Gemeinsam
Aus Angst vor der allgegenwärtigen Gewalt halten sich nur noch wenige westliche Journalisten im Irak auf. Einer von ihnen ist Marc Thörner - gemeinsam mit US-Soldaten hat er nach der Hinrichtung Saddam Husseins die Familie des Ex-Machthabers besucht. Wie diese reagierte, berichtet er im Interview mit tagesschau.de.
tagesschau.de: Herr Thörner, Sie waren in Saddam Husseins Heimatstadt Tikrit - wie hat die dortige Bevölkerung auf dessen Hinrichtung reagiert?
Marc Thörner: Die Bevölkerung in dieser Region besteht überwiegend aus Sunniten. Viele von ihnen hatten unter dem Baath-Regime Schlüsselstellungen inne, Saddams Stamm und seine Familie sind in dieser Region rund um Tikrit verwurzelt. Auf Veranlassung der Stammeschefs haben die Menschen eine dreitägige Trauerzeit gehalten. Niemand ist zur Arbeit erschienen. An den Häusern entlang der großen Verbindungsstraßen hängen Plakate mit Trauerbekundungen zum Tod Saddam Husseins. Die wenigen Schiiten, die hier wohnen, trauen sich zur Zeit kaum auf die Straßen. Es finden täglich Pro-Saddam-Demonstrationen statt, bei denen Bilder des Ex-Diktators geschwenkt werden und die Menschen in die Luft schießen.
tagesschau.de: Sie haben gemeinsam mit US-Soldaten einen Cousin Saddam Husseins besucht und mit ihm gesprochen. Wie lief die Begegnung ab?
Thörner: Drei Tage nach Saddams Beerdigung hat eine Patrouille der hier stationierten zweiundachtzigsten US-Airborne Division einen Cousin des Ex-Machthabers in Baidschi besucht. Der kommandierende Offizier, ein Captain, wurde mit formeller Höflichkeit empfangen. Zweck der Visite war, mit dem einflussreichen Saddam-Stamm im Gespräch zu bleiben oder sogar eine neue Gesprächsgrundlage zu finden. "Eure Trauer ist auch meine Trauer", sagte der US-Captain. "Saddam Hussein war der Feind der USA, aber ich verstehe, dass er für euch ein großer Führer gewesen ist, deshalb mein Beileid." Saddams Cousin, ein graubärtiger Herr Ende 50 im traditionellen Dishadasha-Gewand dankte höflich, warf dem US-Offizier aber vor: "Ihr Amerikaner habt die eigentliche Macht im Irak, ihr hättet für eine würdige Hinrichtung Saddam Husseins sorgen können."
Auf meine Frage nach dem zukünftigen Verhältnis zu den Schiiten sagte der Scheich: "Wir haben keine Probleme mit den Schiiten an sich. Aber wir sind gegen die schiitischen Parteien Dawa, SCIRI und die Al-Sadr-Bewegung. Sie werden allesamt aus Iran gesteuert und finanziert. Es ist einmalig in der Geschichte, dass ein Land von seinen eigenen Feinden regiert wird." Ein anderer Scheich sagte: "Iran ist unser Feind und euer Feind. Warum arbeiten wir nicht zusammen gegen Iran?"
"Die sunnitische Bevölkerung ist verbittert"
tagesschau.de: Waren Sie am Grab von Saddam Hussein?
Thörner: An Saddams Grab war ich nicht, habe aber beobachtet, wie dessen Sarg am Abend des Hinrichtungstages auf einem offenen Pickup der irakischen Polizei zum Hubschrauberflugplatz am Rand von Bagdads so genannter Internationaler Zone gebracht wurde. Es handelte sich um einen schlichten Sarg aus hellem Holz, nach islamischer Tradition spitz zulaufend. Der Pickup mit dem Sarg stand etwa 30 Minuten neben dem Flugfeld. Gegen Mitternacht wurde er auf einen von zwei Hubschraubern der US-Marines verladen und dann Richtung Tikrit geflogen. Der Gouverneur der Salah-ed-Din-Provinz, in der Tikrit liegt, hat den Transport begleitet.
tagesschau.de: Gilt Saddam Hussein im Irak, wie von ihm selbst gewünscht, als Märtyrer?
Thörner: Erste Anzeichen einer Märtyrer-Verehrung zeigen sich in der Tat. In einem Dorf unweit Tikrits hat die Bevölkerung eine Saddam-Puppe angefertigt und dieser Puppe ein eigenes Begräbnis bereitet.
tagesschau.de: Was für Reaktionen hat das veröffentlichte inoffizielle Hinrichtungsvideo ausgelöst?
Thörner: Die sunnitische Bevölkerung in der Gegend um Tikrit ist darüber sehr verbittert, insbesondere deshalb, weil die offenbar schiitischen Henker Saddam Hussein in dessen letzten Lebensminuten Lobpreisungen des Schiitenpredigers Muktada al Sadr hinterhergerufen haben. Die wenigen hier lebenden Schiiten trauen sich im Augenblick kaum auf die Straßen. "Was es bisher an Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten gegeben hat, ist nichts zu der Gewalt, die uns jetzt erwartet", sagte mir einer der Direktoren der Ölraffinerie von Byji, der zweitwichtigsten des Landes. "Ich bin darauf eingerichtet, dass die schiitischen Arbeiter nicht mehr erscheinen, in diesem Fall ersetze ich sie durch Sunniten."
"Saddams Angehörige nehmen Geld von der US-Armee"
tagesschau.de: Sie sind mit US-Truppen unterwegs. Hat sich die Haltung der Iraker gegenüber den Amerikanern seit der Hinrichtung geändert?
Thörner: Es gab hier ohnehin viel Feindschaft gegenüber den Amerikanern. Zugenommen hat die Feindschaft gegenüber den schiitischen Parteien. Andererseits gibt es auch Pragmatismus. Die Familien- und Stammesangehörigen Saddams sagen den Amerikanern zwar offen ins Gesicht, dass Saddam für sie nach wie vor der Größte sei. Andererseits macht es ihnen nichts aus, sich hohe Posten in der Verwaltung durch die US-Armee absegnen zu lassen, wenn ihnen solche Stellen angeboten werden. Sie nehmen ohne weiteres auch Geld vom US-State Department an, mit dem die Bush-Administration ausgewählte Landwirtschaftsprojekte im sunnitischen Dreieck fördern möchte. Einige Scheichs des Saddam-Hussein-Stammes haben der US-Armee dafür gedankt, dass sie Saddams Sarg nach Tikrit fliegen ließ.
Marc Thörner beantwortete die Fragen per E-Mail