Ein Elefant, eine Giraffe, Zebras und Springböcke an einem Wasserloch in Namibia.

Zoonomia-Projekt Eine Datenbank des Lebens

Stand: 03.05.2023 18:05 Uhr

Um die Funktion unseres Körpers besser zu verstehen, haben Forschende das Erbgut von 240 Säugetierarten untersucht. Die Daten des Zoonomia-Projekts stehen nun Forschenden aus aller Welt zur Verfügung.

Von Nina Kunze, SWR

Warum halten Bären Winterschlaf? Wie entstehen Krankheiten wie Diabetes und Krebs? Und was unterscheidet uns Menschen von anderen Säugetieren? Zoonomia kann dazu beitragen, Antworten auf diese und viele weitere Fragen zu finden. Das internationale wissenschaftliche Projekt katalogisiert das Erbgut von über 200 Säugetierarten und ermöglicht damit eine große Menge neuer Erkenntnisse.

240 Säugetierarten erfasst

Die Zoonomia-Datenbank umfasst ganze 240 Säugetier-Genome und ist die bisher umfangreichste ihrer Art. Das Genom umfasst alle Erbinformationen eines Lebewesens. Laut Elinor Karlsson, einer der Projektleiterinnen, werden in der neuen Genom-Datenbank 80 Prozent aller Säugetierfamilien abgedeckt.

Und das ist nicht alles: Dank moderner Software ist ein umfassender Abgleich der Erbinformation möglich. Das ermöglicht Forscherinnen und Forschern, neue Erkenntnisse über Säugetiere, ihre Gene und ihre Eigenschaften zu erlangen. Durch den Vergleich mit anderen Säugetieren kann außerdem neues Wissen über uns Menschen gewonnen werden.

Erste Ergebnisse stellt das Team hinter dem Zoonomia-Projekt in einer Sonderausgabe des Fachmagazins "Science" vor. Die elf darin enthaltenen Studien sind dabei nur ein kleiner Ausschnitt der Fragen, die sich mit den Daten untersuchen lassen.

Vom Aussterben bedrohte Säugetierarten

Eine Studie beschäftigt sich beispielsweise mit der Frage, welche Tierarten besonders vom Aussterben bedroht sein könnten. Die Genom-Daten zeigen: Die Größe ihrer Population in der Vergangenheit spielt hierbei eine Rolle. Denn je kleiner eine Population, desto öfter kommt es zu Inzucht. Dadurch weist das Erbgut weniger Variation auf, was die Tierart weniger anpassungsfähig und anfälliger für bestimmte Krankheiten und macht.

Das sagt zwar nichts darüber aus, ob eine Art tatsächlich aussterben wird, denn das hängt vor allem mit Umweltfaktoren wie dem Klimawandel zusammen. Vielmehr biete die Analyse des Genoms einen ersten Überblick, welche Tierarten beim Artenschutz Priorität haben sollten, betont Karlsson.

Analyse auch verstorbener Tiere

Viele Proben haben die Forscher von Tieren in Zoos gewonnen. Andere stammen von ausgestopften Tieren - wie im Fall des Schlittenhundes Balto, der 1925 dabei half, ein rettendes Cholera-Medikament in den hohen Norden Alaskas zu bringen. Eine Analyse zeigt: Baltos Genom weist weniger Anzeichen für Inzucht auf als heutige Zuchtlinien und war wohl besser für diese Aufgabe geeignet als heutige Hunde das wären.

Evolutionsgeschichte besser nachvollziehbar

Zoonomia liefert außerdem eine neue Perspektive auf die Evolutionsgeschichte von Säugetieren. Eine gängige Theorie geht davon aus, dass sich Säugetiere erst in Folge des Aussterbens der Dinosaurier zu ihrer heutigen Vielfalt entwickelt haben.

Die Zoonomia-Daten unterstützen jedoch eine andere Theorie: Rechnet man anhand der Mutationshäufigkeit zurück, ab wann sich Säugetiere zu verschiedenen Arten entwickelt haben, kommt man auf den Zeitpunkt, ab dem sich unsere heutigen Kontinente aus einem großen Urkontinent gebildet haben. Das Aussterben der Dinosaurier war dennoch ein weiterer großer Anschub für die Evolution, so Karlsson.

Fortschritt für die Medizin

Auch die genetischen Ursachen für menschliche Krankheiten lassen sich mit den Zoonomia-Daten leichter finden. Denn auch das menschliche Erbgut mutiert ständig weiter - viele Krebserkrankungen entstehen durch minimale Änderungen im menschlichen Genom. Doch nur die wenigsten Mutationen lösen tatsächlich eine Krankheit aus - die entscheidenden Stellen zu finden gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Durch den Vergleich mit dem Genom anderer Säugetiere ließen sich viele Kandidaten ausschließen, erklärt die Schwedin Kerstin Lindblad-Toh, die das Zoonomia-Projekt ins Leben gerufen hat.

Mit der Genom-Datenbank steht der Wissenschaft also ein enormer Wissensschatz zur Verfügung. So kann beispielsweise genau erfasst werden, welche Gene für die Ausprägung bestimmter Eigenschaften verantwortlich sind - wie die Fähigkeit Winterschlaf zu halten, ein besonders ausgeprägter Geruchssinn oder die Größe des menschlichen Gehirns. Auf die jetzt veröffentlichten elf Studien werden vermutlich noch viele weitere folgen.

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