Silo-ähnliche CO2-Zwischenlager in einer CCS-Anlage

Klimaschutz So sinnvoll ist die CO2-Speicherung

Stand: 06.02.2024 14:22 Uhr

Die EU-Kommission setzt auf CCS, also das Abscheiden und unterirdische Einlagern von klimaschädlichem CO2. Aber ist das überhaupt sinnvoll? Ja, sagen Forschende - allerdings mit Einschränkungen. 

Von Yasmin Appelhans, NDR

Bei Deutschlands Umweltverbänden herrscht Uneinigkeit: Auf der einen Seite sprach sich ein ungewöhnlicher Zusammenschluss aus Industrie, Gewerkschaften und Naturschutzverbänden - etwa NABU und WWF - Anfang Januar dafür aus, CO2 bei Industrieprozessen oder aus der Luft abzuscheiden und entweder einzulagern oder für andere Prozesse zu nutzen.

Auf der anderen Seite warnen andere Umweltverbände wie der BUND oder Greenpeace vor der Technologie. Sie sehen unterschätzte Risiken: Die Erdbebengefahr könne steigen oder das Trinkwasser gefährdet sein.  

EU verhandelt Gesetz

Derweil stellt die EU-Kommission einen ersten Vorschlag für ein Klimaziel für 2040 vor. Dabei geht es nicht nur darum, wie weniger CO2 ausgestoßen werden kann, sondern auch um die unterirdische Speicherung von CO2. Und Parlament, Rat und Kommission der EU verhandeln über einen Gesetzentwurf.  

Demnach soll die unterirdische Speicherung von CO2, das sogenannte Carbon Capture and Storage CCS, strategisch gefördert werden. Auch auf eine bestimmte Menge CO2, das der Atmosphäre entnommen werden soll, wollen sich Parlament, Rat und Kommission der EU einigen.  

Wilfried Rickels vom Kiel Institut für Weltwirtschaft äußert sich gegenüber dem Science Media Center zuversichtlich, dass der Gesetzentwurf auch umsetzbar wäre: "Gemessen an den aktuellen Planungen der europäischen CCS-Betreiber erscheinen die 50 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2030 in jedem Fall ambitioniert, aber technologisch erreichbar." Denn bisher sind es weltweit jedes Jahr nur ungefähr 45 Millionen Tonnen CO2, die abgeschieden und unterirdisch eingelagert werden. 

Aus Forschungssicht notwendig

Dass es nötig ist, diese Technologie zu nutzen, darüber besteht bei Forschenden insgesamt weitgehend Einigkeit. Denn um das Ziel von netto null Emissionen zu erreichen, muss der Atmosphäre Kohlenstoff entzogen werden. Einige schwer zu vermeidende Restemissionen, zum Beispiel aus der Zementproduktion, werden bleiben.  

"Es geht hier nicht um ein Kann. Das kam ja manchmal in der Diskussion so rüber. Es ist wirklich ein Muss", sagte der Volksökonom Jan Minx vom Klimaforschungsinstitut Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin bereits im vorigen Jahr. Und auch Oliver Geden vom Forschungscluster Klimapolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin sagt: "Das EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 lässt sich nur erreichen, wenn zur Mitte des Jahrhunderts mehrere Hundert Millionen Tonnen CO2 industriell abgeschieden und dann entweder gespeichert oder weiterverwendet werden." 

Denn das abgeschiedene CO2 kann auch für kohlenstoffhaltige Produkte wie synthetische Kraftstoffe genutzt werden. Die allerdings verursachen wiederum teils selbst Emissionen. Zur Klimaneutralität führen sie also nur bedingt.  

Risiken von Einlagerung gering

Bei der Einlagerung halten Forschende im Gegensatz zu einigen Umweltverbänden die Risiken für überschaubar. So schreibt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina zu dem Thema: "Nach Einschätzung vieler Expertinnen und Experten sind diese Risiken bei gut durchgeführten Projekten mit professionellem Risikomanagement an geeigneten Standorten gering."

Der Weltklimarat IPCC geht davon aus, dass das CO2 in geeigneten Strukturen sicher gelagert werden kann - es würden weniger als 0,001 Prozent pro Jahr entweichen. Also eine sehr geringe Menge. Erdbeben und eine Verseuchung des Trinkwassers seien so, bei guter Planung, sehr unwahrscheinlich.  

Und auch die Kapazität ist, theoretisch, kein Problem. Allein im Untergrund der Nordsee könnten Schätzungen zufolge etwa 150 Milliarden Tonnen CO2 gespeichert werden.

Keine Alternative zum Einsparen

Gleichzeitig, das ist auch klar, muss trotz Abscheiden und unterirdischem Speichern weiter radikal CO2 eingespart werden - es ist keine Maßnahme, die die Klimastrategie ersetzen kann. Nicht zuletzt ist die Technologie nämlich sehr teuer.

Allein die Abscheidung von Kohlenstoffdioxid an der Produktionsstätte kostet laut IPCC derzeit mehr als 50 US-Dollar pro Tonne CO2. Dazu kommen noch Kosten für Investitionen, Transportkosten und Kosten für die Wartung und Sicherung der Lagerstätte. Das deutsche Forschungskonsortium CDRmare spricht von insgesamt 70 bis 150 Euro pro Tonne CO2 bei einer Verpressung in der Nordsee. 

In bestimmten Bereichen sollte sie sinnvollerweise auch gar nicht eingesetzt werden, sagt Jessica Strefler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: "Bei Kohlekraftwerken haben wir mit erneuerbaren Energien eine sehr gute Alternative. Also da macht es keinen Sinn, diese Ressource zu nutzen. Es macht ökonomisch keinen Sinn, weil das einfach relativ teuer wird und die Erneuerbaren jetzt schon so viel günstiger sind. Und außerdem ist es dann auch zeitlich unsinnig."

Bis jetzt wird CCS nämlich erst an wenigen Standorten genutzt. Viele Initiativen befinden sich erst im Projektstatus. Bis die Technologie so weit entwickelt ist, dass sie in großem Maßstab eingesetzt werden kann, wären die Erneuerbaren schon lange ausgebaut. Um weiterzumachen wie bisher, eignet sich die Technologie also nicht.  

Und auch die theoretischen Speicher lassen sich ab einem gewissen Füllstand nur unter enormen Kosten weiter bestücken.  

Rechtliche Hürden in Deutschland

Bisher ist die unterirdische Speicherung von CO2 in Deutschland noch gar nicht erlaubt. Sollte die EU die entsprechenden Gesetze verabschieden, müsste in der Bevölkerung noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, glaubt die Ökonomin Christine Merk vom Kiel Institut für Weltwirtschaft.

Denn bisher ist die Technologie noch relativ unbekannt und wird in Deutschland wenig akzeptiert. "Wir tendieren dazu, neuen Dingen erst einmal skeptischer gegenüberzustehen, besonders wenn wir sie mit Risiken verknüpfen", so Merk.  

Durch die neue Strategie und Gesetzgebung könnte das Thema nun mehr Aufmerksamkeit bekommen. 

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