Eine externe Palette mit ausgedienten Nickel-Wasserstoff-Batterien wurde vom Canadarm2-Roboterarm der Internationalen Raumstation ISS freigegeben.
interview

Batterieblock der ISS "Wird nicht als kompaktes Einzelteil auf Gebiet fallen"

Stand: 07.03.2024 17:10 Uhr

Es ist das bislang größte Objekt, das aus der ISS ausgeworfen wurde - ein 2.600 Kilogramm schwerer Batterieblock. Dass Trümmerteile auf Deutschland fallen, hält der Leiter der ESA-Weltraumsicherheit Krag für unwahrscheinlich.

tagesschau.de: Morgen soll ein Batterieblock auf die Erde stürzen. Warum hat die ISS das Objekt überhaupt Richtung Erde geschickt?

Holger Krag: Wenn Objekte auf der ISS nicht mehr gebraucht werden, werden sie entsorgt. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder man lädt sie in eins der vorhandenen Raumschiffe, die sie dann bei ihrer Rückkehr durch einen kontrollierten Wiedereintritt entsorgen. Oder, wie in dem Fall, sie werden ausgestoßen, und dann ist es den Kräften der Natur überlassen, wann und wo die Objekte genau wieder eintreten.

Holger Krag
Zur Person
Holger Krag leitet das ESA-Programm für Weltraumsicherheit, das Aktivitäten im Bereich Weltraumschrott, Weltraumwetter und Asteroiden umfasst.

Wiedereintrittszeitpunkt und -ort sind schwer vorhersagbar

tagesschau.de: Wie genau kann man vorhersagen, wann der Batterieblock der NASA in die Erdatmosphäre eintritt?

Krag: Wenn Objekte unkontrolliert wieder eintreten, liegt es in der Natur der Sache, dass man den Wiedereintrittszeitpunkt und -ort  nur sehr schwer vorhersagen kann. Das Objekt wird allmählich durch die Atmosphäre abgebremst und verliert damit an Bahnhöhe. Die großen Unsicherheiten kommen daher, dass wir nicht genau voraussagen können, wie dicht die Atmosphäre sein wird.

Es hängt von vielen Faktoren ab und bleibt zu einem großen Teil dem Zufall überlassen. Insofern kann man selbst einige Stunden vorher den Ort noch nicht genau benennen. Man kann vielleicht einige Kontinente ausschließen, aber man kann die Vorhersage auf keinen Fall auf ein Land oder eine Stadt herunterbrechen.

Trümmerteile sollen Atmosphäre Freitag erreichen

tagesschau.de: Für wann ungefähr rechnen Sie mit dem Wiedereintritt?

Krag: Wir rechnen mit dem Wiedereintritt im Verlaufe des morgigen Tages. Da kommt also ein Zeitraum von vielen Stunden in Frage. Man darf nicht vergessen: In diesem Zeitraum umkreist das Objekt die Erde noch mehrmals. Eine Erdumkreisung dauert anderthalb Stunden. Wenn die Unsicherheiten heute fast einen halben Tag betragen, dann kann man sich vorstellen, dass sich das Gebiet zur Zeit noch gar nicht eingrenzen läßt.

tagesschau.de: Kommt denn die komplette Erde als Wiedereintrittsgebiet in Frage?

Krag: Momentan ist das Gebiet, das in Frage kommt, alles zwischen dem 51.6 Grad südlicher Breite und 51.6 Grad nördlicher Breite. Das ist das Gebiet, was von dem Objekt geografisch überflogen wird. Jetzt werden wir im Verlaufe der Stunden sehen, ob sich das noch besser eingrenzen lässt. Aber wie gesagt, ein Kontinent wird innerhalb von ein paar Minuten überflogen.

Deutschland ist wahrscheinlich nicht betroffen

tagesschau.de: Welcher Bahn folgt denn das Objekt?

Krag: Das Objekt folgt einer ähnlichen Bahn wie die ISS, von der es stammt. Man kann zumindest sagen, welche Gebiete nicht betroffen sein werden, nämlich die oberhalb von 51.6 Grad nördlicher Breite. Weil nun diese Grenze von 51.6 Grad durch Deutschland verläuft, was ja der nördliche möglichst erreichbare Punkt ist für das Objekt, sollte man aber nicht denken, dass jetzt auch Deutschland besonders betroffen ist.

tagesschau.de: Können Sie beziffern, wie hoch die Gefahr für Deutschland ist?

Krag: Wenn man sich die gesamte Landmasse zwischen 51.6 Grad Süd und 51.6 Grad Nord anschaut - das ist ein großer Teil der gesamten Erdoberfläche, davon nimmt Deutschland nur einen ganz kleinen Teil ein. Dieses Verhältnis entspricht auch ungefähr der Wahrscheinlichkeit, dass von diesem Ereignis jetzt ausgerechnet Deutschland betroffen ist.

Alle zehn oder 20 Kilometer könnte ein kleines Teil liegen

tagesschau.de: Wie häufig treffen solche Trümmerteile aus dem Weltraum die Erde?

Krag: Das jetzt ist kein Einzelfall. Wir haben jedes Jahr rund 100 Tonnen, die unkontrolliert wiedereintreten. Das verteilt sich über mehrere Satelliten- und Raketenstufen und ungefähr 50 Einzelobjekte. Also Größenordnungen wie diese zweieinhalb Tonnen, die wir jetzt haben, sind gar nicht so selten. Das passiert durchaus mehrere Male pro Jahr. Warum das in diesem Fall größere Panik verursacht, liegt vielleicht daran, dass Objekte, die aus der bemannten Raumfahrt kommen, immer unter größerer Beobachtung stehen und dieses Objekt das bislang größte aus der ISS ausgeworfene Objekt ist.

tagesschau.de: Wie lange dauert es nach Eintritt in die Erdatmosphäre, bis Trümmerteile, die nicht verglüht sind, auf der Erde aufschlagen?

Krag:  Das geht sehr schnell. Von einer Höhe von 100 Kilometer, in der der Wiedereintritt stattfindet, wenn das Objekt anfängt sich zu zerlegen, bis zum Boden sind es nur zehn Minuten. Der Batterieblock wird aber nicht als kompaktes Einzelteil auf ein ganz eng begrenztes Gebiet fallen, sondern das verteilt sich eher in einer längeren Trümmerschleppe. Man wird in dem betroffenen Gebiet eher alle zehn oder 20 Kilometer ein kleineres Teil erwarten.

Lichtspur am Himmel

tagesschau.de: Wie bekommt man den Wiedereintritt mit?

Krag: Man kann erst sagen, dass der Wiedereintritt erfolgte, wenn jemand die Lichtspur am Himmel beobachtet hat oder wenn wir den Überflug über eine Station erwarten und der dann nicht mehr erfolgt. Wir verwenden dazu Radare, die geeignet sind, um Objekte in so tiefen Bahnebenen zu beobachten. Es gibt mehrere auf der Erde, geografisch verteilt.

tagesschau.de: Sollte ein Trümmerteil tatsächlich über bewohntem Gebiet aufschlagen, wie viel Gefahr geht von dem Batterieteil aus?

Krag: Man sollte ein Trümmerteil am besten nie anfassen, aber diese Batterien, die im All zum Einsatz kommen, sind auch nicht anders als Batterien, die wir auf der Erde verwenden. Also davon geht keine größere Gefahr aus. Wenn von Gefahr zu sprechen ist, dann eher von der mechanischen Gefahr, die allein durch das Herabfallen des Objekts kommt.

Das Interview führte Ute Spangenberger, SWR

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