Während einer Demosntration bei der Weltklimakonfernz in Baku drückt ihre Hände auf einen Ball, der die Erde zeigt, und imitiert so eine Reanimation der Erde.
interview

Klima-Rückblick 2024 "Wir könnten uns eine viel bessere Zukunft sichern"

Stand: 28.12.2024 11:09 Uhr

Cali, Baku, Busan: Zuletzt reihte sich eine Umweltkonferenz an die nächste. Was bleibt aus den Klima-Bemühungen aus diesem Jahr? Nicht viel, sagt Forscher Hans-Otto Pörtner. Aber er hat noch Hoffnung für die Zukunft.

tagesschau.de: Herr Pörtner, eine der wichtigsten Konferenzen war die Weltklimakonferenz. Heraus kam: Von den Industriestaaten wird es mehr Geld für die ärmeren Länder geben. Aber ein Datum für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gibt es nicht. Was bedeutet das jetzt für Sie?

Hans-Otto Pörtner: Für mich ist das ein Zeichen, dass die Bremser mittlerweile sehr erfolgreich dabei sind, die Vereinbarungen zu verhindern oder zu verzögern, die tatsächlich einen effektiven Klimaschutz und Umweltschutz bedeuten würden. Dies geht leider auch in die Richtung, dass auch ein erfolgreicher Biodiversitätsschutz verzögert wird.

Hans-Otto Pörtner
Hans-Otto Pörtner
Der Klimaexperte forscht seit mehr als 25 Jahren als Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut zu den Auswirkungen des Klimawandels auf das Leben im Meer. Er ist zudem Co-Vorsitzende der IPCC-Arbeitsgruppe II und ist somit ein wichtiger Autor des Sachstandsberichts des Weltklimarats.

tagesschau.de: Das bedeutet also, dass es eigentlich mit diesen Konferenzen der Welt nicht wirklich besser ergangen ist in diesem Jahr.

Pörtner: Nein, alle Konferenzen haben in sich gesehen, in Detailfragen sicherlich Fortschritte erzielt. Das sollten wir nicht verleugnen. Aber es gibt eben einen Grundtenor und es ist immer dieselbe Fraktion von Ländern, die wirtschaftliche Interessen im Bereich fossiler Energieträger haben oder selber weiter fossile Energieträger nutzen wollen. Sie stehen auf der Bremse, wenn es darum geht, konsequent Lösungen durchzusetzen, die uns herunterbringen von den hohen Emissionen. Und da laufen wir hinter dem, was notwendig ist, hinterher.

"Schäden, die wir uns heute nicht vorstellen können"

tagesschau.de: Bringen denn dann Konferenzen dieser Art überhaupt etwas?

Pörtner: Ich denke, es ist alternativlos, dass wir uns in der Weltgemeinschaft zusammensetzen und uns um Lösungen bemühen. Und über eins können wir uns sicher klar sein: Der Klimawandel wird die Menschheit erziehen. Die Risiken laufen mit dem fortschreitenden Klimawandel hoch. Wir werden stärkere Auswirkungen, stärkere Schäden bekommen. Wir werden Schäden bekommen, die wir uns heute nicht vorstellen können, die leider auch die Politik nicht präsent hat. Sonst würde sie hier entschiedener vorgehen.

Das sind Dinge, die uns ins Handeln bringen werden. Aber es ist unnötig. Wir könnten vorsorgend voranschreiten und uns eine sehr viel bessere Zukunft sichern.

"Jeder Einzelne von uns ist gefragt"

tagesschau.de: Wie sinnvoll wäre es denn, wenn jetzt nicht die ganze Welt gemeinsam versucht voranzuschreiten, sondern wenn zum Beispiel kleine Staatengemeinschaften voranschreiten?

Pörtner: Ja, diese Ansätze gibt es ja schon. Denken Sie an den Klimaklub, den Kanzler Scholz ja auch mit angeschoben hat. Das sind sicherlich pragmatische Möglichkeiten. Es muss gleichzeitig der Druck aus der Öffentlichkeit auf die Entscheidungsträger zunehmen, hier wirklich tätig zu werden. Und dafür müssen wir umsteuern - gesellschaftlich.

Es fängt mit der Bildungspolitik an, dass wir in den Schulen und Universitäten eine Wertschätzung erzeugen für eine gesunde Umwelt, ein stabiles Klima, die natürlichen Ressourcen, die Vermeidung von Verschmutzung. Und dass diese Menschen, wenn sie ins Berufsleben gehen, diese Ziele und Werte versuchen umzusetzen. Wir werden dann auch eine andere Generation von Politikern bekommen. Natürlich braucht das Zeit, aber ich sehe eigentlich keine Alternative zu dieser Umsteuerung.

Die Kinder, die diese Werte mitnehmen, werden auch ihre Eltern erziehen. Das wird vielleicht auch die Ausbildung dieser großen Fraktionen von Wählern verhindern oder reduzieren, die momentan die Populisten bevorzugen - die einfachen Lösungen, die ihnen vermeintlich das erhalten, was sie jetzt haben. Die Wirklichkeit ist aber sehr viel komplexer. Wenn wir hier weiter auf der Bremse stehen - und da ist jeder Einzelne von uns gefragt - werden wir eine Welt bekommen, die wir uns momentan nicht wünschen.

"Politik darf nicht nur danach schielen, was der Wähler will"

tagesschau.de: Aber nun sehen wir ja auch, dass das Thema Klimaschutz eigentlich in den Hintergrund geraten ist. Das heißt, die Menschen interessieren sich dafür momentan eher nicht.

Pörtner: Ja, das ist leider der Fall. Es ist eine gewisse Ermüdung in den Diskussionen festzustellen. Wir brauchen aber eine konsequente politische Führung in diesem Bereich. Das heißt, Politik darf nicht nur danach schielen, was der Wähler und der uninformierte Wähler will, sondern Politik muss vorangehen und muss auf der Basis von Informationen aus der Wissenschaft konsequentes Handeln anstreben und muss dafür aber auch eine konsequente Öffentlichkeitsarbeit machen.

Die Medien haben sicherlich auch hier eine große Verantwortung. Es wird hier viel zu sehr in Sektoren gearbeitet. Wenn in Wirtschaftsredaktionen weiterhin das Wirtschaftswachstum postuliert wird, ohne zu differenzieren, dass das ein Wachstum im Bereich der erneuerbaren Energien erfolgen muss und dass wir eine Umsteuerung in der Arbeitswelt und in unserem täglichen Leben brauchen, dann springen wir dort zu kurz. Wir müssen also eigentlich das Ziel, was in der längerfristigen Zukunft liegt, ständig präsent haben - auch in dem, was wir aktuell sagen und entscheiden.

tagesschau.de: Deutschland steht nun vor Neuwahlen. Sehen Sie, wenn Sie jetzt ein bisschen in die Zukunft schauen, für das Klima eine positivere Zukunft?

Pörtner: Ich kann nur hoffen, dass diese Argumentation sich wiederbelebt und dass wir hier auch eine Begeisterung geweckt bekommen, dass Menschen eine positive Zukunft bauen wollen und sie nicht nur an dem Bewährten festhalten. Das bringt uns nicht weiter. Wir haben es ja in der Hand und das ist doch schon eine sehr positive Nachricht. Wir müssen uns anstrengen. Jeder Einzelne von uns muss seine Möglichkeiten nutzen. Das würde helfen, uns in eine Zukunft zu führen, in der wir vieles erhalten können, was wir momentan noch haben, aber was uns verloren geht.

Und da komme ich wieder auf die natürliche Umwelt, eine gesunde Umwelt und ein stabiles Klima zurück. Denn wir treiben momentan den Planeten aus den Bedingungen heraus, die uns in den letzten 12.000 Jahren als Art, als Menschheit ermöglicht haben, alle Regionen dieser Erde zu besiedeln und die Erde in dem Ausmaß zu bevölkern, wie wir das derzeit tun. Diese Lebensgrundlagen sollten wir nicht aufgeben.

"Unsere Fähigkeit zu wirtschaften wird eingeschränkt"

tagesschau.de: Warum wäre es für uns gut, wenn wir das hinkriegen würden, unsere Erde zu schützen?

Pörtner: Das fängt mit den täglichen Lebensbedingungen an. Dazu gehört, dass wir die Temperaturbereiche auf dieser Erde nicht verlassen. Die Temperatur ist der alles überragende Faktor, der das Leben auf dieser Erde in den verschiedenen Breiten bestimmt. Wir werden ansonsten Bedingungen bekommen, in denen in einigen Regionen dieser Erde Überlebensfähigkeit für den Menschen und für andere Arten verloren geht.

Und letztendlich beinhaltet diese Überlebensfähigkeit auch Leistungsfähigkeit. Das heißt, unsere Fähigkeit zu wirtschaften und unseren Wohlstand aufzubauen wird eingeschränkt. Und das fängt in den Tropen an und wird sich dann Richtung Norden und Süden ausdehnen. Wir haben sehr klar in den Weltklimaberichten prognostiziert, welche Zonen dort betroffen sein werden.

Auch bei uns wird es in den extremen Jahreszeiten, in den Hitzewellen für den Menschen zu gesundheitlichen Belastungen, wenn nicht sogar tödlichen Bedingungen kommen, sodass wir uns sehr drastisch schützen müssen. Das sind doch auch Einschränkungen in unserer Bewegungsfreiheit, die wir nicht wollen. Hier ist, denke ich, momentan jede Investition sehr viel effizienter, als wenn wir jetzt warten, bis sich die Dinge weiter verschlechtern und erst dann ins Handeln kommen.

Das Gespräch führte Anja Martini auf tagesschau24. Es wurde für die Online-Fassung gekürzt und redigiert.