Verschiedene Einwegbecher stehen an einem öffentlichen Mülleimer in Vancouver (Kanada).

Umweltschutz Kanada will Plastik schrittweise verbieten

Stand: 28.01.2023 10:42 Uhr

Rund drei Millionen Tonnen Plastikmüll produzieren die Kanadier jedes Jahr - zu viel, findet auch die Regierung: Ein schrittweises Verbot soll das Land zum weltweiten Anführer im Kampf gegen Kunststoff machen. Von Antje Passenheim.

Rund drei Millionen Tonnen Plastikmüll produzieren die Kanadier jedes Jahr - zu viel, findet auch die Regierung: Ein schrittweises Verbot soll das Land zum weltweiten Anführer im Kampf gegen Kunststoff machen.

"Verschonen Sie mich!", winkt ein Supermarktkunde in der kanadischen Metropole Toronto ab, als der Kassierer nach der Tüte greift. Gut, dass jetzt bald Schluss sei mit dem ganzen Plastikmüll, sagt er - und lobt die jüngste Initiative der Regierung: "Wenn du in den Nachrichten Bilder von Ozeanen voll Plastik siehst, von Walen, Schildkröten und anderen Tieren, die sterben, weil sie Plastik essen, dann denke ich, dass es dumm ist, einen Strohhalm für fünf Minuten zu nutzen, der dann im Meer landet."

Tüte, Plastikgeschirr und -besteck, Rührstäbchen, To-go-Kaffeebecher, Sixpack-Ringe: Sie sollen aus Kanada verbannt werden. Wie schon die Europäische Union vor eineinhalb Jahren hat auch der nordamerikanische Staat Wegwerfplastikprodukten den Kampf angesagt.

Umweltminister und Ex-Greenpeace-Mann Steven Guilbeault hat große Ziele: Über das kommende Jahrzehnt sollen 1,3 Millionen Tonnen nicht-recycelbaren Plastikmülls und mehr als 22.000 Tonnen von umweltverschmutzenden Teilen wie Flaschen und Zigarettenkippen vermieden werden. Das entspreche über einer Million gefüllter Müllbeutel.

Ziel: Bis 2030 null Plastikmüll

Der nördliche Nachbar der USA will sich mit Hochdruck dem Ziel nähern, das rund 200 Teilnehmerstaaten im Dezember auch auf dem UN-Weltnaturgipfel COP15 in Montreal bekräftigt haben: null Plastikmüll bis 2030.

Zunächst dürfen die gelisteten Plastikprodukte in Kanada nicht mehr produziert oder importiert werden. Ab Dezember dieses Jahres sollen sie auch nicht mehr verkauft oder ausgegeben werden. So hätten Geschäftsleute Zeit sich umzustellen, sagt Ladenbesitzer Stephen Burger in Toronto. Er selbst gebe jetzt nur noch wiederverwertbare Beutel aus Leinen aus, prahlt er, als hätte er diese Idee gerade erfunden. So müssten es eben alle tun.

Supermarkt-Kundin Lisa hat sich inzwischen daran gewöhnt: "Erst war es gewöhnungsbedürftig für mich, keine verschließbaren Plastikbeutel zur Aufbewahrung von frischen Lebensmitteln mehr zu kaufen", sagt sie. "Aber seit ich wiederverwendbare Silikonbeutel nutze, denke ich darüber gar nicht mehr nach."

Gesetz zeigt vor allem in Städten Wirkung

Kaffeeketten wie Starbucks oder der kanadische Diner Tim Hortons haben auch schon darüber nachgedacht: Sie haben Plastikhalme aus ihrem Sortiment verbannt und sind auf Holzbesteck oder Becherdeckel aus recycelten Papierfasern umgestiegen.

Das Gesetz, das Ende Dezember in Kraft getreten ist, zeige vor allem in den Städten Wirkung - auch wenn hier und da noch geschummelt werde, beobachtet die Präsidentin der Deutsch-Kanadischen Handelskammer in Toronto, Yvonne Denz. "Ich vermute, dass der ein oder andere kleinere Betrieb sich zum Jahresende noch mal groß eingedeckt hat, weil es einfach die Sorge gab, umstellen zu müssen", sagt sie. "Aber mittelfristig wird es Single-use-plastic hier nicht mehr geben."

20.000 Tonnen Plastikmüll landen jährlich im Meer

Nach Angaben der Regierung in Ottawa produzieren die rund 38 Millionen Kanadier jährlich drei Millionen Tonnen Plastikmüll. Davon werden derzeit lediglich neun Prozent recycelt, sagt Juan José Alava, der an der Universität von British Columbia zur Meeresverschmutzung forscht. "Übrig bleiben die problematischen Plastikteile, die ganz besonders schädlich für die Umwelt sind und in den Ozeanen enden. Wir wissen, dass hier in Kanada 85 Prozent des Plastikmülls auf Müllkippen lagert. Ein Prozent davon - das sind etwa 20.000 Tonnen -  landet jedes Jahr im Meer."

Der Produktionsstopp für bestimmte Einwegplastikprodukte sei ein guter erster Schritt und ein wichtiges Signal an die Bevölkerung, meint Alava. Doch das Recycling müsse deutlich verbessert werden. Außerdem gehörten Plastikflaschen sofort auf die Verbotsliste. Gleiches gelte auch für giftige Chemikalien, die für die Plastikproduktion genutzt werden. Plastik werde mit Petrochemikalien hergestellt, die aus fossilen Brennstoffen kommen. Mit der Plastikverschmutzung sei also auch eine Kohlendioxidbelastung verbunden.

Trudeau will führende Rolle spielen

In weltweiten Rankings zum Klimaschutz landet Deutschlands grüner Energiepartner regelmäßig auf den hinteren Rängen. Dabei hat sich die liberale Regierung von Premierminister Justin Trudeau ehrgeizige Klimaziele gesetzt - und versucht, international eine führende Rolle in der Klimapolitik zu spielen. Dass Trudeau seine vollmundigen Ziele nicht erreichen kann, hat vor allem eine Ursache: die Ölförderung zu Lasten der Umwelt. Der Kampf gegen Plastikprodukte unter Kanadas Umweltschutzgesetz kommt seinem Image daher sehr gelegen.

Aber er ist noch nicht konsequent genug, sagt Sarah King, Leiterin der Ozean und Plastik-Kampagne von Greenpeace Kanada. "Definitiv präsentiert die kanadische Regierung hier ein paar tief hängende Früchte", sagt sie. "Die Plastikprodukte, die jetzt auf der Liste stehen, sind solche, die schon durch andere Gesetze und Abkommen angegangen wurden - sowohl in Kanada als auch weltweit." Nicht nur sechs, sondern alle Einwegplastikprodukte müssten sehr schnell verboten werden.

Chancen für deutsche Unternehmen?

Ab 2025 will Kanada auch den Export von Plastikverpackungen verbieten. Für den Handelspartner Deutschland wird das kaum spürbar sein, sagt Handelskammer-Chefin Denz. Kanadas Hauptexporte in Richtung Deutschland seien Rohstoffe. "Da wird das Plastik in der Verpackung eher weniger eine Rolle spielen, im Bereich Chemie vielleicht ein bisschen. Bei Maschinen sicher auch ein Stück weit."

Aber umgekehrt könnten sich durch den Vorstoß von Kanada Chancen für deutsche Unternehmen ergeben: "Weil wir natürlich in Deutschland, was das ganze Thema Recycling betrifft, weiter sind und Unternehmen - gerade im Bereich Beratung für Recycling-Systeme - einen guten Markt finden könnten."

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