Regenwald in Brasilien

Folgen des Klimawandels Wenn es dem Wald zu warm wird

Stand: 10.09.2023 08:01 Uhr

Die Photosynthese von Bäumen im tropischen Regenwald könnte einer neuen Studie zufolge durch den Klimawandel zusammenbrechen. Doch das ist nur eines von vielen Problemen.

Von Yasmin Appelhans, NDR

Schon lange ist bekannt, dass die Wälder weltweit unter dem Klimawandel leiden. Eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift "Nature" erschienen ist, will jetzt aber noch ein Problem für den tropischen Regenwald ausgemacht haben, das bisher wenig berücksichtigt wurde.

Photosynthese bricht zusammen

Denn ab einer Temperatur von 46,7 Grad können Bäume keine Photosynthese mehr betreiben. Sie können also nicht mehr Glukose und Sauerstoff aus Licht, Wasser und Kohlendioxid produzieren. Schon vor mehr als 150 Jahren haben Forschende gezeigt, dass die Prozesse im Blatt ab diesen Temperaturen nicht mehr stattfinden können.  

Mit Hilfe von Satellitendaten und Messungen an den Bäumen selbst haben die Autorinnen und Autoren der neuen Studie nun festgestellt, dass bei einem kleinen Teil der Blätter im tropischen Regenwald schon jetzt die Temperatur so hoch ist, dass sie keine Photosynthese mehr leisten können. Dieser Anteil beträgt bisher zwar nur 0,01 Prozent der gesamten Blätter. Mit steigenden Temperaturen könnte er aber exponentiell steigen, so die Studie.   

Sollte der Klimawandel weiter ungebremst fortschreiten, könnte das Bäumen substanziell schaden, sagt Gregory Goldsmith von der Chapman University in Kalifornien. Er ist Tropenökologe und einer der Autoren: "Wir wissen seit langem, dass die Photosynthese zusammenbricht, wenn Blätter eine bestimmte Temperatur erreichen. Aber diese Studie ist wirklich die erste, die ermittelt hat, wie nahe die Baumkronen tropischer Wälder an dieser Grenze liegen könnten." 

Andere Schäden treten früher auf

Forstwissenschaftler Henrik Hartmann allerdings hält den Effekt, dass die Photosynthese durch den Klimawandel aussetzen könnte, für weniger relevant. Er leitet das Fachinstitut für Waldschutz am Julius Kühn-Institut in Quedlinburg. Zwar bezweifelt er diesen Effekt nicht, für ihn spielt er aber eine untergeordnete Rolle.  

Denn andere Schäden an den Bäumen werden schon wesentlich früher eintreten und viel stärkere Auswirkungen haben, als dass die Photosynthese aussetzt, so Hartmanns Einschätzung. "Das ist wie bei einem schweren Autounfall, und man berichtet darüber, zu welchen Schäden es bei einer Aufprallgeschwindigkeit von über 180 an einem Haaransatz kommt", ordnet er die Studie ein.  

Stürme, Schädlinge, Dürre

Seiner Einschätzung nach werden Bäume und Wälder schon stark geschädigt, bevor es überhaupt relevant ist, ob die Photosynthese aussetzt. Und das nicht nur in den Tropen, sondern überall auf der Welt, auch in Europa. 

Viele dieser Probleme lassen sich schon jetzt stark beobachten. Dazu zählen zum Beispiel entwurzelte Bäume nach Stürmen. Oder auch Schäden durch Fressfeinde, die sich bei einem wärmeren Klima besser verbreiten können, so wie bei uns der Borkenkäfer. Auch jetzt ist es schon so, dass die Bäume nicht mehr ausreichend mit Wasser versorgt werden können, wenn es heiß ist. Denn das restliche Wasser aus ausgedorrten Böden kann nicht bis hoch in die Baumkronen transportiert werden.   

Waldbrände durch Klimawandel wahrscheinlicher

Zudem werden Waldbrände zunehmen, auch in den Tropen. "Wenn wir jetzt eine Temperaturerhöhung haben, wird es auch einhergehen mit einer wahrscheinlich stärkeren Anfälligkeit gegenüber Waldbränden", so Hartmann.  

Der Wald wird sich ändern

Durch all diese Belastungen wird es zwangsläufig in allen Wäldern zu folgenschweren Veränderungen kommen. Uns altbekannte Arten werden verschwinden. Dafür werden sich andere Arten stärker verbreiten können.  

Das ist vor allem für uns Menschen ein Problem, sagt Hartmann: "Den Wald gibt es jetzt seit fast 400 Millionen Jahren. Und den wird es noch mal 400 Millionen Jahre geben. Da ist der Mensch längst Geschichte." 

Denn für uns Menschen fällt mit dem Wald eine wichtige Lebensgrundlage und auch eine wichtige Kohlenstoffsenke weg. Denn die Wälder auf der ganzen Welt speichern bisher eine große Menge unseres Kohlenstoffdioxids. Sterben alte Bestände ab, dauert es viele, teilweise weit über hundert Jahre, bis sich neue Bäume etablieren und genauso viel Kohlenstoff einlagern können - Zeit, die wir nicht haben.  

Veränderung mitgestalten

Wichtig sei es für uns Menschen, zu akzeptieren, dass wir das Klima und damit auch die Wälder unwiederbringlich verändert hätten, so Hartmann. Zu versuchen, den alten Zustand der Wälder wiederherzustellen, sei nicht zielführen. Stattdessen sollten wir uns an die neuen Gegebenheiten anpassen. "Wir müssen diese Veränderung als eine Herausforderung annehmen und sagen: Okay, es wird sich verändern. Und wir gestalten diese Veränderung."  

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