Ein Regenwurm

Klimawandel Wie Regenwürmer den Wald retten sollen

Stand: 11.04.2023 12:35 Uhr

Die deutschen Wälder kommen mit Hitze und Trockenheit schlecht zurecht - sie müssten zu einem Mischwald umgebaut werden. Bei einem Pilotprojekt in Bayern sollen Regenwürmer dabei helfen, den Wald klimastabil zu machen.

Von Von Florian Regensburger, BR

Martin Brennauers Wald wird ein Zukunftswald. Auf den knapp 40 Hektar im Sachsenrieder Forst südlich von Landsberg am Lech überwiegt heute noch die in Bayern über Jahrhunderte kultivierte Fichte. Brennauer hat aber schon mit dem Umbau seines Waldes begonnen, um ihn fit für das Klima kommender Jahrzehnte zu machen.

Im Moment sei es "schon noch gut, Fichte zu verkaufen", sagt er. Mit Blick auf die Zukunft müsse man aber andere Baumarten mit einbringen. Denn die Fichte zeige jetzt schon ihre Schwächen: "Die Temperaturen werden höher, es gibt Trockenphasen, und da sind sie schon sehr anfällig für zum Beispiel den Borkenkäfer."

"Regenwurmliebende Arten" bevorzugt

Mit Förster Ludwig Pertl vom "Future Forest"-Projekt im Landkreis Landsberg bespricht Brennauer die nächsten Schritte. "Wir müssen aus nadelholzreichen Wäldern hochstabile Dauerwälder machen mit Mischungen, die einen gesunden Boden zur Folge haben", sagt Pertl. Es gehe um "regenwurmliebende Arten".

Außerdem müssten die Wälder "stabil und hoch bleiben, damit wir in der Vegetationszeit noch genügend Niederschlag bekommen". Denn nur mit ausreichend hohen Bäumen kommt laut Pertl genug verdunstendes Wasser als Regen zurück. Die Würmer lockern den Boden auf, sodass er das Wasser auch aufnehmen und speichern kann und außerdem die Humusbildung angekurbelt wird.

Ziel: Handbuch des klimafesten Waldes

Ahorn und Linde etwa seien Baumarten, in deren Nähe sich Regenwürmer wohlfühlten - eine Erkenntnis aus dem auf drei Jahre angelegten, EU-geförderten "Future Forest"-Forschungsprojekt: Auf mehreren Versuchsflächen dokumentieren dabei Sensoren, sogenannte Dendrometer, direkt am Baumstamm, welche Baumarten bei welchem Wetter und auf welchem Boden besonders gut oder schlecht wachsen - im Bereich von tausendstel Millimetern. Bei Bodenproben im Umfeld der Bäume wird der jeweilige Bestand an Regenwürmern ermittelt.

Am Ende soll ein Handbuch für den klimafesten Waldumbau stehen. "Das Handbuch wird allen Gemeinden in der EU zur Verfügung gestellt. Wir werden auch eine komprimierte Kurzversion machen, die kann dann auch der Praktiker oder jeder, der sich für den Waldumbau interessiert, lesen", sagt Nikolaus Storz vom Landratsamt Landsberg. Es gehe darum, dass der Wald wichtige Ökosystem-Funktionen wie die Kühlung und Säuberung der Luft oder die Bildung neuen, sauberen Trinkwassers auch weiterhin erfüllen könne.

Der Wurm ist dabei ein entscheidender Faktor: Auch der Bund Deutscher Forstleute, BDF, empfiehlt Waldbesitzern, beim klima-angepassten Waldumbau voll auf den Regenwurm zu setzen.

Prämien für Waldumbau

In Fuchstal werden die Erkenntnisse mit dem Pilotprojekt Zukunftswald-Prämie bereits in der Praxis umgesetzt. Bis zu 400 Euro pro Jahr und Hektar zahlt die Gemeinde Waldbesitzern als Ausgleich, wenn sie schon heute auf klimastabile Baumarten setzen. 26 Waldbesitzer mit insgesamt 120 Hektar Wald in Fuchstal machen bisher bei dem Pilotprojekt mit. Im Sommer soll das erste Geld fließen.

Auch Waldbesitzer Brennauer erhält die Förderung: Unter dem Dach der noch zahlreich vorhandenen, hohen Fichten wachsen in einem eingezäunten Bereich Hunderte Buchen von ein bis zwei Metern Höhe heran. Der Zaun schützt die kleinen Bäume vor Wildverbiss. In einer angrenzenden Parzelle stehen schon zahlreiche kleine Ahorne und Linden. Brennauer findet es wichtig, dass man seitens der Gemeinde mit einer Prämie "unterstützt, weil ja der Waldumbau schon auch noch Tempo aufnehmen sollte".

43 Millionen Bäume mithilfe der Förderung gepflanzt

Für den klimafesten Waldumbau gibt es neben kommunaler Förderung wie in der Gemeinde Fuchstal auch noch weitere Fördertöpfe. So hat der Freistaat Bayern mit seinen mehr als 2,5 Millionen Hektar Waldfläche nach Angaben des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in den vergangenen vier Jahren mehr als 110 Millionen Euro für Pflanzungen ausgeschüttet.

Ein Teil des Geldes stammt aus einem Fördertopf des Bundesumweltministeriums. Etwa 43 Millionen Bäume seien mithilfe der Förderung gepflanzt worden. Über das Bundesprogramm "Klimaangepasstes Waldmanagement" bekommen Waldbesitzer bis zu 100 Euro pro Hektar und Jahr, wenn sie ihren Wald besonders schonend bewirtschaften.

Hoher Fichten-Anteil

Laut dem Geschäftsführer des Bayerischen Waldbesitzerverbands, Hans Ludwig Körner, hat die Fichte im Moment noch einen Anteil von über 40 Prozent der Fläche in den bayerischen Wäldern. Das mache zudem 37 Prozent der gesamten Fichten-Fläche in Deutschland aus. Diese Wälder müssten "an kritischen Standorten dringend umgebaut werden".

Um den Waldumbau entscheidend voranzubringen, braucht es aber neben Geld auch Vorbilder wie Brennauers Waldstück, glaubt Martin Mall, Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung im Landkreis Landsberg: "Wir sehen hier einen Wald, wo sich das Ganze wirklich wunderbar entwickelt und ich glaube, das bringt mehr, als reden und auffordern." Andere Waldbesitzer müssten "einfach sehen, was möglich ist, und ich glaube, wenn man diesen Wald sieht, dann spornt das zum Nachmachen an", so Mall.

Lange Zeiträume

Doch die heutigen Förder-Initiativen könnten nur ein Anfang sein. "Ganze Förstergenerationen" arbeiteten am Projekt Waldumbau, sagt Mall. In einem Zeitraum "von 20 bis 50 Jahren" müsse man in den Wäldern hinkommen zu "ungleichaltrigen, stufigen Beständen mit einer intensiven Mischung" verschiedener klimafester Baumarten.

In Brennauers Wald hat die Zukunft schon begonnen. Er blickt auf seine jungen Ahorne, Linden, Buchen und Tannen und sagt: "Wenn uns die Natur keinen Strich durch die Rechnung macht, dann können wir jetzt nach und nach die alten Fichten vorsichtig entnehmen, sodass die nächste Baum-Generation dann noch im Schutzschirm des Altbestandes langsam hochwachsen kann."

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