Der Klimaforscher Mojib Latif (Archiv)
interview

Bericht zur Erderwärmung "Ein Weckruf an alle"

Stand: 08.10.2018 14:02 Uhr

Der Weltklimarat hat vor den Folgen einer Erderwärmung von 1,5 Grad gewarnt. Und nun? Klimaforscher Mojib Latif fordert, das Verhalten umzustellen: Fleisch, Flüge, Autos. Jedes verhinderte Zehntel-Grad sei wichtig.

NDR: Ein Bericht des Weltklimarats zeigt, dass sich die Risiken der Erderwärmung durch die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad einigermaßen einschränken lassen. Was würde das konkret bedeuten?

Mojib Latif: Wir sehen schon heute, dass die Wetterextreme zunehmen - etwa am extremen Sommer bei uns in Deutschland. Dann sehen wir, dass die Meeresspiegel steigen und dass die Korallenriffe in den Tropen immer mehr in Mitleidenschaft gezogen werden. Wenn die Erwärmung jetzt weitergeht bis 1,5 Grad, dann bedeutet das eben, dass auch diese Auswirkungen immer stärker werden.

Deswegen heißt es im Pariser Klimaabkommen, dass man die Erwärmung deutlich unter zwei Grad halten möchte. Aber da ist das schon so formuliert, dass man die 1,5 Grad wahrscheinlich gar nicht mehr halten kann.

Klimaforscher Mojib Latif
Zur Person
Prof. Dr. Mojib Latif leitet den Forschungsbereich Ozeanforschung und Klimadynamik am Institut für Meereswissenschaften der Universität Kiel. Er hat viele wissenschaftliche Artikel und mehrere Bücher zum Thema Klimawandel geschrieben. Latif war auch als Mitautor an den Weltklimaberichten 2001 und 2007 beteiligt.

"Wir müssen jedes Zehntel-Grad Erwärmung verhindern"

NDR: Wäre es technisch denn noch zu schaffen?

Latif: Aus naturwissenschaftlicher Sicht wäre es zu schaffen. Insofern ist es zumindest theoretisch noch nicht zu spät. Auch aus technischer Sicht wäre es zu schaffen, denn die erneuerbaren Energien stehen ja zur Verfügung. Es hapert aber weltweit am politischen Willen, das wirklich schnell zu machen. Da kommen dann immer die Kostenargumente. Deswegen tut sich die internationale Politik extrem schwer, da überhaupt voranzukommen.

Seit das Thema auf der Agenda der Weltpolitik steht - also seit Beginn der 1990er-Jahre, ist der weltweite CO2-Ausstoß förmlich explodiert und um über 60 Prozent gestiegen. Das heißt, Anspruch und Wirklichkeit könnten nicht weiter auseinander liegen.

NDR: Warum kommt nun diese Mahnung in Form eines Sonderberichts? Soll das ein Weckruf sein?

Latif: Ja, das soll ein Weckruf sein. Denn das Klimaproblem wird immer auf die lange Bank geschoben, weil es sich ja tatsächlich um ein langfristiges Problem handelt. Die Erwärmung kommt ja nicht von heute auf morgen, sondern entwickelt sich über viele Jahrzehnte. Insofern ist es wichtig, dass man noch einmal deutlich macht, dass solche für den Laien scheinbar geringfügigen Erwärmungen schon extreme Auswirkungen hätten. Obwohl es vielleicht ein bisschen bescheuert klingt: Es geht darum, jedes Zehntel-Grad zu vermeiden.

"Jeder muss sich an die eigene Nase fassen"

NDR: An wen richtet sich der Appell?

Latif: Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen sich bewegen - auch die Verbraucherinnen und Verbraucher. Da muss sich jeder an die eigene Nase fassen und sich fragen lassen: Muss man wirklich immer solche Fleischberge essen? Muss man so einen Geländewagen in der Stadt fahren? Muss man dreimal im Jahr in Urlaub fliegen? All diese Dinge müssen hinterfragt werden. Ich glaube, wir brauchen insgesamt auch eine Wertediskussion in unserer Gesellschaft, um diese Dinge zu hinterfragen.

NDR: All diese Punkte sind ja nicht ganz neu. Meinen Sie dennoch, dass dieser Sonderbericht etwas ändern kann?

Latif: Ich hoffe es. Jetzt haben wir es noch in der Hand, am Ausstoß der Treibhausgase etwas zu ändern. Wenn es in den nächsten Jahren nicht zu drastischen Veränderungen kommt, ist der Zug abgefahren und dann müssen wir sehen, wie wir damit fertig werden.

Das Interview führte Birgit Langhammer, NDR

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