Geothermalkrafwerk von EnBW in Bruchsal in Baden-Württemberg

Geothermie in Deutschland Energie aus der Tiefe der Erde

Stand: 30.05.2021 15:34 Uhr

Geothermie verspricht nicht versiegende Wärme aus dem Erdinneren - und das nahezu klimaneutral. Warum spielt die Erdwärme in Deutschland bisher nur eine geringe Rolle bei der Energiewende?

Wer sehen will, wie die Energie der Zukunft entsteht, muss den Kopf vor allem in den Nacken legen: Windräder, Solar- und Photovoltaikanlagen sollen meist in luftigen Höhen aus Naturgewalten Strom und Wärme produzieren. Doch auch der Blick nach unten lohnt sich. Unter unseren Füßen schlummert ein bislang kaum genutztes Potenzial: Erdwärme. In zwei bis drei Kilometern Tiefe fließt und dampft mancherorts heißes Thermalwasser mit Temperaturen von mehr als 100 Grad, mit dem ganze Städte beheizt werden könnten. Anders als bei Wind- und Sonnenenergie, deren Gewinnung in Abhängigkeit vom Wetter schwankt, ist die Wärme aus dem Boden dauerhaft verfügbar. Doch bislang machen Geothermie-Anlagen nur rund eineinhalb Prozent des sogenannten "Endenergieverbrauchs Wärme" aus.

Potenzial der Geothermie wird kaum genutzt

"Geothermie spielt in Deutschland noch nicht die Rolle, die sie eigentlich spielen müsste", findet Erwin Knapek, ein Pionier der Tiefengeothermie. Als Bürgermeister von Unterhaching im Landkreis München brachte er 2007 Deutschlands erstes geothermisches Heizkraftwerk ans Netz. Inzwischen stammt mehr als 60 Prozent der in der Gemeinde benötigten Wärme aus dem angezapften Thermalwasser unter der Stadt.

Eine Pumpe befördert das 133 Grad warme Wasser aus 3500 Metern Tiefe nach oben. Im Kraftwerk wird die Wärme mit Hilfe eines Wärmetauschers in das Fernwärme-Netz der Stadt eingespeist. Das abgekühlte Thermalwasser fließt zurück in den Boden und erhitzt sich erneut. Ein Kreislauf, der vermutlich nicht versiegt, denn aus dem bis zu 5000 Grad heißen Erdkern können riesige Mengen Wärme entzogen werden. Der Vorteil: "Tiefengeothermie ist nahezu CO2-frei und kann grundlastfähig Wärme, Kälte und Strom produzieren", sagt Knapek. Bis 2050 könnte man so drei Viertel der benötigten Wärmeleistung in Deutschland damit abdecken.

Wenig Fortschritte bei Wärme aus Geothermie

Nach Angaben des Umweltbundesamtes steigt der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch seit Jahren an. Der Anteil am Stromverbrauch wurde binnen zehn Jahren mehr als verdoppelt und kletterte 2020 über die Marke von 45 Prozent. Dagegen bewegt sich der Anteil nachhaltiger, grüner Wärme seit Jahren in einem engen Bereich zwischen 14 und 15 Prozent, auch wenn 2020 mit 15,2 Prozent ein neuer Spitzenwert erreicht wurde.

"Um den Klimawandel zu stoppen, müssen wir überall die Treibhausgasemissionen reduzieren. Es ist essenziell, dabei auch die Wärmeerzeugung im Blick zu behalten", sagt Niklas Höhne vom NewClimate Institute. Schließlich produziere Wärme rund 20 bis 30 Prozent aller klimaschädlichen Treibhausgase.

Wie groß das Potential von tiefer Erdwärme ist, zeigt ein Blick in die Statistiken: Trotz ihres geringen Anteils haben Tiefengeothermie-Anlagen zuletzt rund 321.000 Tonnen schädlicher Treibhausgase (CO2-Äquivalente) im Jahr vermieden. Weil Tiefengeothermie kaum CO2 verursacht, gilt sie neben dem Einsatz von Pellet-Heizungen und Deponiegas als besonders effizient.

Geothermales Wasser in einer Leitung

Heißes Wasser aus dem Erdreich schießt durch eine Leitung in einem Geothermalkraftwerk.

Zwischenfälle bremsen Technologie

Bundesweit sind nach Angaben des Branchenverbandes Geothermie 38 Anlagen mit einer durchschnittlichen Bohrtiefe von 2500 Metern in Betrieb. Eine weitere Anlage soll demnächst in der Region rund um Freiburg entstehen. Ein Hubschrauber sucht derzeit nach dem perfekten Standort. Das Ziel: eine Wärmequelle zu finden, die bis zu 8000 Haushalte nachhaltig mit Wärme versorgen soll. Der Oberrheingraben gilt als besonders aussichtsreich für das Vorhaben. Die Skepsis ist hier aber auch besonders groß.

Denn welche Folgen fehlerhafte Geothermie-Bohrungen anrichten könnten, ist in der kleinen Stadt Staufen im Breisgau bis heute sichtbar: Dicke Risse ziehen sich durch mehr als 200 denkmalgeschützte Gebäude. Bis zu 45 Zentimeter hat sich die Altstadt gehoben, seit 2007 empfindliche Gesteinsschichten mit Grundwasser in Berührung kamen und sich plötzlich ausdehnten.

Der Vorfall erschütterte die gesamte Branche, erinnert sich Knapek, der inzwischen als Präsident des Branchenverbands Geothermie arbeitet. "Im Fall von Staufen - einer Anlage für oberflächennahe Geothermie - wurde wahnsinnig geschlampt", sagt er. "Die Schäden hätte man mit gebotener handwerklicher Sorgfalt vermeiden können. Das kann man auch als 'Pfusch am Bau' bezeichnen." Also ein einmaliges, menschliches Versagen? Kritiker sehen das anders und verweisen auf Schäden und Erdbeben in Folge von Geothermie-Bohrungen in Frankreich, wie zuletzt Ende 2020.

Branche verweist auf verwendete Technik

Knapek argumentiert, dass in Deutschland eine schonendere Technik genutzt werde: "Wir wenden in Deutschland nur die hydrothermale Geothermie an. Dafür brauchen wir zwei Bohrungen: Aus einer fördert man das Thermalwasser hoch, und in die andere injiziert man es abgekühlt wieder zurück." Bei dieser Technologie sei es eher unwahrscheinlich, dass es zu Erdbeben mit Schäden komme.

Auch der Energiebetreiber, der rund um Freiburg ein Geothermie-Werk bauen möchte, sieht keine Gefahr für Anwohner: "Wir werden die Verfahren nutzen ähnlich wie die Thermalbäder es hier auch schon nutzen."

Hohe Investitionen für Suche nach Wärmequellen

Ein weiterer Grund, warum es bislang nur so wenige Geothermie-Anlagen in Deutschland gibt, sind laut Knapek die hohen Investitionskosten. Zunächst muss eine Wärmequelle ausgemacht werden, dann folgen die aufwändigen Bohrungen. Gleichzeitig bestehe immer die Möglichkeit, dass Bohrungen nicht fündig werden, erläutert der Branchenvertreter. "Es müsste daher eine Art Fündigkeitsversicherung geben, die vom Staat abgedeckt ist. Bei Nicht-Fündigkeit sollten die Investoren nicht auf ihrem Geld sitzen bleiben."

Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium verweist auf Nachfrage von tagesschau.de darauf, "dass im Rahmen einer Marktwirtschaft Versicherungsangebote für Fündigkeitsrisiken vom Kapitalmarkt angeboten werden können. Eine entsprechendes Kreditprogramm der KfW mit Unterstützung des Bundes wurde angeboten und mangels Nachfrage eingestellt." Die Nutzung der Geothermie zur Wärmenutzung wolle der Bund in Zukunft stärker fördern.

Alternative: Erdwärmesonden

Auch Klimaexperte Höhne sieht einen Nachteil in den hohen Investitionskosten und verweist auf bereits heute genutzte günstigere Geothermie-Alternativen: Erdwärmesonden. Mithilfe eines Wärmetauschers wird der Temperaturunterschied in geringen Tiefen genutzt, um Energie zu produzieren. Allerdings ist das weit weniger effektiv als bei der Tiefengeothermie. Der Ausbau von oberflächennaher Geothermie in Gebäuden sei dennoch unverzichtbar, um die Energiewende zu schaffen. Rund 25.000 solcher Anlagen gehen aktuell jährlich neu ans Netz.

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