Ein Vogel schwimmt in einem See mit Algenteppich.

Klimawandel am Badesee Wenn die giftigen Blaualgen blühen

Stand: 10.08.2023 06:24 Uhr

Immer öfter wird einem der Badespaß verdorben, weil Blaualgen den See in Beschlag genommen haben. Biologen erforschen, warum das Problem wächst und wollen ein Frühwarnsystem entwickeln.

Von Monika Haas, BR

Die giftige Tychonema-Blaualge sorgt am Mandichosee bei Augsburg regelmäßig für Badewarnungen. "2019 trat sie erstmals hier auf, seitdem verbreitet sie sich entlang der Lechstaustufe 23", erklärt Franziska Bauer. Die promovierte Biologin forscht in einem Team am Lehrstuhl für Aquatische Biologie an der Technischen Universität München.

Für ihre aktuelle Studie zur Blaualgen-Verbreitung in Badeseen hat sie Wasserprobe aus 34 bayerischen Seen analysiert. Die Messwerte überstiegen in Einzelfällen die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Der Leiter des Lehrstuhls, Professor Jürgen Geist, betont: "Die Ergebnisse zeigen, bislang nur selten vorkommende und wenig beachtete Giftstoffe erfordern ein breites Monitoring."

Blaualgen besiedeln alle Gewässer

Blaualgen sind Cyanobakterien (von altgriechisch κυανόςkyanós, deutsch "blau"). Weltweit existieren rund 1.000 verschiedene Gattungen. Neben sogenannten planktischen Arten, die frei im Wasser schwimmen, besiedeln benthische Cyanobakterien den Seegrund. Sie treten in blaugrünen, gelben, rötlich-braunen oder violetten Formen auf und produzieren durch Photosynthese Sauerstoff. Einige Arten erzeugen auch gesundheitsschädliche Gifte. 40 solcher Arten sind bekannt, etwa ein Dutzend davon kommen in Deutschland vor.

Im Klimawandel werden Frühwarnsysteme wichtig

Die Gesundheitsämter kontrollieren Badeseen regelmäßig. Im vergangenen Jahr wurden laut Umweltbundesamt deutschlandweit 84 Mal Badegewässer wegen Blaualgenwarnung gesperrt. Auch in diesem Jahr waren bundesweit Seen, etwa in Brandenburg, Niedersachsen, NRW und Bayern betroffen. Der Grund: "Steigende Durchschnittstemperaturen fördern das Auftreten giftiger Arten," beobachtet Professor Geist. Der Systembiologe will mit seinem Team ein Frühwarnsystem entwickeln, wie das die Weltgesundheitsorganisation WHO zur Sicherung der Wasserqualität und der Trinkwasserversorgung empfiehlt.

Giftige Cyanobakterien verbreiten sich schneller

Sein Forschungsteam beobachtet an der limnologischen Station in Iffeldorf die klimabedingten Veränderungen, die stellvertretende Leiterin Uta Raeder: "Besonders in tiefen Wasserschichten verändert sich der Lebensraum. Mit einer Zunahme von Sonnentagen erreicht auch mehr Licht den Seegrund. Cyanobakterien können sich auch in größerer Tiefe ausbreiten. Weil ihr Gift sie, wie eine Sonnencreme, vor schädlicher UV-Strahlung schützt, sind dabei giftige Arten im Vorteil."

Nach der mikroskopischen Untersuchung von Wasserproben und der Identifikation möglicherweise giftiger Exemplare, zeigen genetische und toxikologische Analysen in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt, welche Gesundheitsgefahr von ihnen ausgeht. Biologen beobachten weltweit ein wachsendes Problem, über ihre Ergebnisse berichtet das Berliner Leibniz Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei IGB.

Vergiftungsgefahr ist besonders bei Hunden hoch

Algenmatten ähneln zwar harmlosen Überresten von Wasserpflanzen. Schmodder am Ufer und grünliche Schlieren im Wasser sind allerdings Warnhinweise. Der muffige Geruch schaumiger Algenfetzen zieht Hunde an. Drei Tiere verendeten 2019 durch eine Anatoxin-Vergiftung am Mandichosee. Bereits 2017 belegte eine Studie des Umweltbundesamts am Tegeler See bei Berlin eine Anatoxinvergiftung bei 12 Hunden. Weil erste Symptome verzögert auftreten, gebe es eine hohe Dunkelziffer, so Expertin Uta Raeder. Denn weltweit registrierten Biologen seit den 1990er Jahren eine Zunahme solcher Vorfälle.

Überdüngte Gewässer führen zu mehr Badeverboten

Cyanobakterien sind in Naturgewässern bislang schwer einzudämmen. Veränderte Bepflanzung und Fischbesatz werden getestet, aber die Versuche sind aufwändig und ihr Erfolg ungewiss. Eine erprobte und effektive Lösung wäre, den Nährstoffeintrag in Flüssen und Seen deutlich zu verringern, rät Professor Jürgen Geist. Denn Stickstoff und Phosphat aus Landwirtschaft und Industrieabwässern fördern die explosionsartige Vermehrung giftiger Blaualgen. Im Zuge des Klimawandels macht sich das bei Niedrigwasser und nach Starkregen mittlerweile bereits im Frühjahr bemerkbar und führt bis in den Herbst zu Badeverboten.

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