Fünf Menschen halten sich an den ausgestreckten Händen und umspannen eine Tanne.

Bayern Waldhaustanne ist mehr als 600 Jahre alt

Stand: 31.08.2023 04:02 Uhr

Bei alten Bäumen denken viel wohl zuerst an Linden. Doch auch Nadelbäume können uralt werden. Im Bayerischen Wald steht eine über 600 Jahre alte Tanne - die nun zu den "100 bedeutendsten Bäumen" gehört.

Von Renate Roßberger, BR

Vom Bohlenweg aus, der zu dem Baum führt, sieht die Tanne zwar hoch aus, aber eigentlich nicht viel höher als andere große Bäume im Bayerischen Wald. Wie alt sie ist, begreift man erst, wenn man direkt am Baumstamm steht. Der hat einen Umfang von 6,93 Meter. Es braucht sechs Erwachsene, um ihn mit weit ausgestreckten Armen einmal im Kreis umfassen zu können, übrigens ein beliebtes Fotomotiv.

Wanderer sind immer beeindruckt, wenn sie vor der Waldhaustanne stehen, die in einem naturnahen Wald am Rande des Dörfchens Zwieslerwaldhaus zu finden ist. Ein Schild weist darauf hin, dass der Baum mehr als 600 Jahre alt ist - doch woher weiß man überhaupt, dass die Waldhaustanne so alt ist? Schließlich ist die bekannteste Methode, das Alter eines Baums zu bestimmen, das Zählen der Jahresringe nach dem Fällen. "1960 ist eine ähnlich große Tanne hier umgefallen", erklärt Nationalpark-Ranger Michael Pscheidl. "Deren Jahrring-Scheibe ist relativ gut erhalten. Das hat man dann bei dieser Tanne hier hochgerechnet."

Tannenspitzen sind vor blauem Himmel zu sehen.

Die Waldhaustanne ist seit 2023 auch "Nationalerbe-Baum".

Auch Nadelbäume können alt werden

In bewirtschafteten Wäldern werden Bäume in der Regel längst nicht so alt. Fichten, Tannen oder Buchen fällt man längst vorher, meistens im Alter zwischen 80 und 150 Jahren oder früher. Fichten werden oft dann aus dem Wald geholt, wenn Schädlinge wie der Borkenkäfer sie abtöten. Dabei können Fichten und Buchen 300 Jahre alt werden, Tannen sogar 600 Jahre. Eichen und Linden können mehr als 1.000 Jahre alt werden, Lärchen und Latschenkiefern in den Alpen ebenso, erzählt Pscheidl.

Der Hans-Watzlik-Hain, in dem die Waldhaus-Tanne steht, ist ein Wald, der seit 1950 unter Naturschutz steht und schon vorher wenig bewirtschaftet wurde. Deshalb konnten sich dort viele uralte Bäume entwickeln und tun das auch weiterhin. Denn der Hans-Watzlik-Hain gehört heute zum Nationalpark Bayerischer Wald, in dem man die Natur sich selbst überlässt.

Einer der 100 bedeutendsten Bäume

Die Waldhaustanne ist seit 2023 auch "Nationalerbe-Baum". Mit diesem Siegel zeichnet die Deutsche Dendrologische Gesellschaft besondere Bäume aus. Die Waldhaustanne im Bayerischen Wald bekam den Titel im Juni und zählt nun offiziell zu den "100 bedeutendsten Bäumen Deutschlands."

Langlebige Bäume sind zum Beispiel wichtig für den Artenschutz. Auch in der Waldhaustanne leben 274 Arten, von Vögeln über Insekten bis zu Pilzen. Das hat eine Untersuchung von Biologen und Baumkletterern ergeben. Bäume sind außerdem wichtig für den Klimaschutz. Wie alle Pflanzen erzeugen sie bei der Photosynthese Sauerstoff und binden das klimaschädliche CO2. Für die Waldhaustanne sind die Zahlen beeindruckend, so Pscheidl: "Eine Weißtanne speichert pro Jahr um die 24 Kilogramm CO2, also in 100 Jahren etwa 2,4 Tonnen."

Waldboden mit Totholz und Moos

Tote Bäume sind oft Grundlage neuen Lebens. So wie dieses Totholz, aus dem neues Grün sprießt.

Toter Baum - Quelle für neues Leben

Wie lange die Tanne noch lebt, kann jedoch niemand sagen. Momentan wirkt sie gesund und stabil, auch wenn sie innen schon teilweise hohl ist, wahrscheinlich bis zu einer Höhe von drei Metern. Das passiert bei alten Bäumen durch Braunfäulepilze, macht ihnen aber nichts. Borkenkäfer, die im Bayerischen Wald viele alte Fichten töten, bohren sich nicht in Tannen. Am wahrscheinlichsten ist, dass irgendwann ein Blitz den Baum spaltet oder ein starker Sturm ihn fällt. Dann dürfte der Urwaldriese hier im Nationalpark einfach liegenbleiben, jahrzehntelang langsam verrotten und wieder zu Waldboden werden.

Das kann man hier im Hans-Watzlik-Hain schon bei vielen umgefallenen Bäumen beobachten: "So ein Totholzstamm ist voller Leben. Er ist besiedelt mit Pilzen, mit Moosen, mit Käferarten und ist außerdem ein Riesenwasserspeicher. Die Nährstoffe, die der Baum in seinem Leben aufgenommen hat, gehen zurück in den Boden. Das ist der beste Dünger für junge Bäume", so Pscheidl.

Für Wanderer sind die vermodernden Stämme auf dem Waldboden des Hans-Watzlik-Hains faszinierend. Sie wirken fast mystisch, vor allem dann, wenn sie schon halb in den Boden eingesunken sind. Besonders schön wirkt es, wenn aus den morschen, längst weichgewordenen Baumresten junge Bäumchen heraussprießen. Sie nutzen die Nährstoff-und Wasserunterlage für ihr neues Leben.

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