Kaiserpinguinküken in der Antarktis (Archivbild)

Treffen der CCAMLR-Kommission Wieder keine Schutzgebiete in der Antarktis

Stand: 28.10.2023 11:50 Uhr

Eisschmelze, Überfischung und Vogelgrippe - die Antarktis ist in Gefahr. Auf dem Treffen der Antarktis-Kommission gab es kaum Fortschritte. Russland und China blockieren mögliche Schutzgebiete. Umweltschützer sind enttäuscht.

"Die Ergebnisse sind natürlich insgesamt absolut unzufriedenstellend“, so der deutsche Delegationsleiter bei der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis, CCAMLR, Bernd Söntgerath, gegenüber der ARD.

Er hält sich mit seiner Enttäuschung nicht zurück: "Man muss wirklich bei CCAMLR mittlerweile davon reden, dass diese Organisation dysfunktional ist, also ich benutze ganz bewusst diesen Begriff, weil die Organisation eigentlich nicht mehr das leistet, was sie vom Rahmen her leisten soll, nämlich Conservation im ganz großen klassischen Sinne."

Vom Schutz des Südpolarmeeres weit entfernt

Schutz und Bewahrung der marinen Flora und Fauna der Antarktis, dafür sollte die CCAMLR eigentlich da sein, bestehend aus Vertretern von 26 Ländern plus EU. Doch die Regelungen, die bei den jährlichen Sitzungen gefasst werden, drehen sich nur noch um Fischereinutzung, nicht um einen großflächigen, groß gedachten Schutz des Südpolarmeeres.

Auch Emily Grilly vom WWF ist enttäuscht: "Wir hatten mit einem viel besseren Ergebnis gerechnet. Die Kommission diskutiert seit über zehn Jahren Vorschläge für geschützte Meeresgebiete und ist weit davon entfernt, ihre Verpflichtung zur Einrichtung geschützter Meeresgebiete auf dem gesamten Kontinent einzuhalten."

Das sei besonders frustrierend, wenn gleichzeitig das antarktische Eis so stark geschrumpft sei wie nie zuvor, Kaiserpinguinküken in Massen gestorben seien und die Vogelgrippe die Antarktis erreicht habe.  

Weltpolitische Blockbildung

Die geforderte Einstimmigkeit der CCAMLR verhindert die Schritte, die angesichts des Klimawandels nötig wären: "Man muss sagen, dass es eine ganz klare Blockade gibt von China und Russland", so Söntgerath. Trotz immer deutlicherer Bedrohung der Antarktis durch den Klimawandel setzt sich eine weltpolitische Blockbildung auch hier fort.

Fast alle Länder wollen vorsorglich und möglichst großflächig Meeresschutzgebiete ausweisen - in der Ostantarktis, im Weddellmeer und in den Gewässern der Antarktischen Halbinsel. Gebiete, so Söntgerath, "die natürlich eine ganz, ganz große Besonderheit haben, weil sie ja sozusagen fast die letzten Gebiete sind, die unberührt sind - allein schon durch den natürlichen Schutz, den sie noch haben."  

Geostrategie für Russland und China wichtiger

Der Vorsorge-Ansatz ist Russland und China nicht zu eigen, sie wollen nur dann handeln, wenn es eine konkrete Bedrohung gibt. Söntgerath erklärt, dass beide den globalen Klimawandel nicht als Gefahr für den Meeresschutz oder für die Meeresumwelt akzeptieren.

Es liegt sicherlich an wirtschaftlichen Gründen, ich würde es etwas größer noch formulieren: an geopolitischen und geostrategischen Gründen. Wie gesagt, man will sich diese Flächen offen halten für die Zukunft.
Bernd Söntgerath, deutscher Delegationsleiter

Russland habe auch gestern noch einmal ganz klar gesagt, dass der Klimawandel natürlich da sei, aber er berge nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Sprich: neue mögliche Schifffahrtsrouten und den Abbau von Ressourcen in den polaren Meeren. 

Rückzugsorte für die Tiere

In der ersten Hälfte des jährlichen CCAMLR-Meetings trafen sich die wissenschaftlichen Komitees. Dazu gehört für Deutschland auch Bettina Meyer vom Alfred-Wegener-Institut. Sie betont die Bedeutung dieser Arbeit, denn die Wissenschaft lege dar, warum die Gebiete geschützt werden müssen: "Und was es halt auch für die Zukunft bedeutet, im Zuge der Erhaltung der Biodiversität zum Beispiel in diesem Gebiet. Wenn immer mehr Eis schmilzt, dann brauchen diese Tiere auch Rückzugsorte und dafür ist natürlich das Weddellmeer prädestiniert."

Karte von der Antarktis mit der Amundsensee, Bellingshausen-See, dem Wedellmeer und dem Rossmeer

Zentraler Organismus des Südpolarmeers

Weiteres großes Thema der Sitzung: die Fischerei auf Krill, kleine Krebstiere und Teil des Planktons. Doch auch hier gab es keine Einigung. Dabei ist eine Veränderung der Fangquoten dringend notwendig, erläutert Bettina Meyer: "Der Krill ist eigentlich der zentrale Organismus im Südpolarmeer, er ist sehr an der Basis des Nahrungsnetzes, also er frisst die kleinen Phytoplankta, Zooplankta - und alle größeren Tiere, von den Fischen bis zu den Vögeln, Robben, Wale, Pinguine, die fressen alle den Krill."

Wenn dieser wichtige Organismus eine Veränderung in seiner Biomasse erfahre, so Meyer, dann habe es große Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem.

Massensterben von Pinguinküken

Auch der Krill ist auf das Meereis angewiesen: Im Larvenstadium benötigt er es als Schutzraum. Die Abnahme des Meereises durch den Klimawandel hat auch auf andere Lebewesen große Auswirkungen: Besonders dramatische Nachrichten und Bilder gab es über das Massensterben von Pinguinküken.

Grilly erläutert: "Die Kaiserpinguine sind auf das winterliche Meereis angewiesen, um zu brüten und ihre Jungen aufzuziehen. Wenn also das Meereis frühzeitig abbricht oder weniger Meereis vorhanden ist, sind die Küken im Wesentlichen dem Meer ausgesetzt, bevor sie ihre wasserfesten Federn entwickelt oder schwimmen gelernt haben."

Etwa 9.000 Küken seien im vergangenen Sommer ertrunken, so die Schätzungen britischer Wissenschaftler, die sie im August veröffentlichten. Zusammenhänge wie diese zeigen die Notwendigkeit für CCAMLR zu handeln, Schutzgebiete einzurichten und Fangquoten zu ändern.  

Steigender Fischereidruck

Denn auch die Fischerei ändert sich, führt Meyer fort. Sie nennt das Beispiel der norwegischen Flotte: "Die fängt nicht mehr klassisch mit Heck-Netzen. Sie haben ein Pumpsystem, wo große Schwärme sozusagen wie von einem Staubsauger aufgesaugt werden." Durch diese Technik werde sehr langsam und gründlich auch in kleinen Bereichen sehr effizient gefischt. Der Fischereidruck auf den Krill steigt. Umso wichtiger sei es, das Fischereimanagement zu reformieren. 

Gute Nachrichten von Walpopulationen

Die Teilnehmenden hoffen jetzt zum einen darauf, dass sich über eine höhere politische Ebene etwas bewegt. Und zum andern haben sich alle Länder immerhin darauf geeinigt, im kommenden Jahr an einem Workshop, womöglich in Bremerhaven, teilzunehmen. Dabei wollen sie unter anderem Fortschritte in der Einrichtung von Meeresschutzgebieten erzielen.  

Und noch eine positive Nachricht: Es gibt ansteigende Walpopulationen sowie positive Zeichen bei einigen Walbeständen im Südpolarmeer. Aber: Auch Wale fressen gerne Krill. Also gebe es zwei Prädatoren, meint Meyer, "einmal den Mensch, also die Fischerei, und die Wale. Diese Spannungsfelder bedingen natürlich auch ein ganz neues und reformiertes Management". Etwas, das der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis unbedingt gelingen muss. 

 

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