Teilnehmer an der COP28
interview

COP28 "Das Unmögliche möglich machen"

Stand: 01.12.2023 20:37 Uhr

Es geht um das Eindämmen der Klimakrise. Bis zum 12. Dezember sind Zehntausende Teilnehmer bei der Klimakonferenz in Dubai, und auch Wissenschaftler wie der Klimaforscher Niklas Höhne sind vor Ort, um sich ein Bild zu machen.

tagesschau.de: Herr Höhne, wie wichtig sind aus Ihrer Sicht Klimakonferenzen wie diese?

Niklas Höhne: Manchmal denkt man, wieso muss das eigentlich sein, dass so viele Leute zusammenkommen und es so unendlich langsam vorangeht? Das stimmt schon. Es ist einfach unendlich schwer, mit fast 200 Staaten auf einen grünen Zweig zu kommen und einen gemeinsamen Text zu beschließen. Aber es ist trotzdem unendlich wichtig, damit einmal im Jahr alle zusammen sind und für zwei Wochen das Klima wirklich an Nummer eins steht.

Und auch wenn es so langsam vorangeht, es geht voran. Es ist tatsächlich möglich, Entscheidungen zu fällen - das ist eine gute Sache - es reicht bei weitem nicht aus. Es müssen noch andere Dinge passieren. Aber ohne diese Klimakonferenzen wäre es deutlich schlechter.

Niklas Höhne
Zur Person
Niklas Höhne ist Fachmann für nationale und internationale Klimapolitik. Er ist einer der Gründer des NewClimate Institute und Professor an der Universität Wageningen in den Niederlanden. Seit 30 Jahren nimmt er an den internationalen Klimaverhandlungen teil.

Klimakonferenzen sind wichtiges Forum

tagesschau.de: Dies hier ist die 28. Klimakonferenz - können Sie mir positive Aspekte nennen?

Höhne: 2015 zum Beispiel ist das Pariser Klimaschutzabkommen verabschiedet worden. Das war ein Meilenstein. Es steht drin, dass alle Länder mitmachen müssen und alle Länder komplett eigentlich aus Kohle, Öl und Gas aussteigen sollen und Treibhausgasemissionen auf Null senken sollen. Und in der Zeit hat sich diese Idee von null Treibhausgasemissionen verselbstständigt.

Die meisten Länder haben sich solche Ziele gesetzt, sie wollen null Treibhausgasemissionen erreichen. Jetzt sprechen wir auch von Kohleausstieg, von Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Das waren vorher Dinge, über die wir uns überhaupt keine Gedanken gemacht haben. Und das wird jetzt gemacht. Und insofern ist das ein wichtiger Punkt, den diese Klimaverhandlungen tatsächlich vorangebracht haben.

Bestandsaufnahme zum Klimaschutz

tagesschau.de: Nun hat es ja bei dieser Klimakonferenz zum ersten Mal so etwas wie eine Bestandsaufnahme gegeben. Das heißt, die Länder mussten sagen, wie weit sie in Sachen Klimaschutz eigentlich sind. Das ist der Global Stocktake. Gibt es denn jetzt auch Konsequenzen daraus?

Höhne: Der technische Teil der Bestandsaufnahme ist geschafft. Und der ist - ehrlich gesagt - verheerend. Wir sind weit, weit weg von dem, wo wir hinwollen. Mit den jetzigen Maßnahmen geht es eher ein bisschen unter drei Grad bis Temperaturerhöhung bis zum Ende des Jahrhunderts, im positiven Fall vielleicht etwas unter zwei, aber das ist immer noch weit weg von 1,5 Grad.

Es muss deutlich mehr passieren, insbesondere kurzfristig. Das Wichtigste ist, dass die Länder ihre kurzfristigen Ziele bis 2030 erhöhen. Und die sind eigentlich schon vor zwei Jahren aufgerufen worden, das zu tun. Und leider ist viel zu wenig passiert, weil die Länder mit anderen Dingen beschäftigt waren. Dabei spielen die verschiedenen Krisen, die wir zurzeit haben, eine Rolle.

Deswegen wäre jetzt eigentlich ein wichtiger Punkt zu sagen, dass diese Konferenz die Konsequenzen zieht und sagt: Das reicht nicht aus. Wir müssen in einen anderen Modus, wir müssen in den Notfallmodus schalten und uns wirklich nicht zufriedengeben mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern das Unmögliche möglich machen. Und das wäre aus meiner Sicht die Konsequenz aus dieser Bestandsaufnahme.

Keine Kontrollen

tagesschau.de: Aber es gibt keine Kontrolle - es gibt auch keine Handhabe, keine Strafen, wenn sich ein Land nicht an seine Vorgaben hält - wie sinnvoll ist das?

Höhne: Das ist unser System. Und das ist wahrscheinlich auch gut so, dass Länder souverän sind und man ihnen da nicht reinreden kann. Für mich zählt das Argument, wer jetzt den Zug verpasst, der hat wirklich verloren. Wir haben das bei der Elektromobilität gesehen. China hat - glaube ich - sehr früh verstanden, dass man hier auf etwas neues setzen muss, um den Weltmarkt auzurollen. Damit haben sie jetzt beinahe zehn Jahre Vorsprung. In Deutschland sind wir ins Hintertreffen geraten.

Genau dasselbe wird jetzt bei anderen Sektoren auch passieren. Wer Erster ist kann dann im Markt punkten. Und wer zu lange wartet, für den wird es am Ende sehr, sehr schwierig. Denn das die Weltgemeinschaft, das glaube ich ist klar, will aus Kohle, Öl und Gas aussteigen. Das ist nur noch eine Frage, wann und wie schnell und wer die besten Lösungen bereitstellen kann, der hat deutlich einen Vorteil.

Dubai als Verhandlungsführer

tagesschau.de: Es geht also um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Wie wahrscheinlich ist das, wenn eine Konferenz in einem erdölfördendem Land stattfindet?

Höhne: Im Pariser Klimaschutzabkommen steht schon drin, dass wir netto null Emissionen erreichen wollen, irgendwo in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Und das geht eigentlich nur, wenn man komplett aus Kohle, Öl und Gas aussteigt. Also eigentlich sollte es sehr einfach sein, sich darauf zu einigen.

Aber sehr viele Länder möchten sich ein Hintertürchen offen halten. Das will wahrscheinlich auch die Präsidentschaft hier in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die auch vom Öl-Export abhängig ist. Das ist jetzt die die große Frage, ob man tatsächlich einigen kann, hier aus Öl und Gas komplett auszusteigen ohne Hintertürchen. Ob das klappt? Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Es sieht nicht ganz so gut aus, aber vielleicht werden wir ja noch positiv überrascht. Wir werden es sehen.

"Wir sind in einem wirklichen Notfall"

tagesschau.de: Was wäre denn aus Ihrer Sicht als Klimaforscher wirklich angebracht, damit diese Welt aufatmen kann?

Höhne: Der Fortschritt ist im Prinzip viel zu langsam. Ich habe das Gefühl, viele denken noch mit kleinen Schritten kriegen wir das hin. Das ist aber nicht der Fall. Wir sind in einem wirklichen Notfall und wir müssen ambitionierte Dinge tun, die Notbremse ziehen und das Unmögliche möglich machen. Das ist das, was jetzt passieren muss. Mit einem Kleinklein, ein bisschen hier und da reicht es einfach nicht aus.

Es muss sich kurzfristig bis 2030 etwas ändern, weil wir so weit weg sind vom Ziel. Wir haben es geschafft, dass die Treibhausgasemissionen nicht mehr steigen. Das ist gut, aber sie fallen auch noch nicht. Sie stagnieren auf dem Niveau, das wir heute haben, wahrscheinlich bis 2030. Und wenn das so ist, dann emittieren wir im Jahr 2030 doppelt so viel globale Treibhausgasemissionen als wir das für das 1,5 Grad Ziel dürften. Und das bedeutet, dass alle Länder jetzt unbedingt nachlegen müssen für 2030 - auch Deutschland. Deutschland müsste dafür mindestens sein Klimaschutzziel erreichen, besser noch es übererfüllen.

Welche Richtlinien sinnvoll wären

tagesschau.de: Sind denn so große Konferenzen, wie jetzt diese Klimakonferenz, wo es einen einstimmigen Beschluss geben sollte, überhaupt sinnvoll dafür? Oder wäre es nicht besser, wenn einzelne Staaten einfach vorangehen?

Höhne: Ich glaube, man braucht beides. Man braucht auf der einen Seite eben diese globale Konferenz, die die Richtung vorgibt. Das Pariser Klimaschutzabkommen hat vorgegeben, dass wir das 1,5 Grad Ziel einhalten wollen, dass wir auf netto Null gehen wollen. Und das war richtungsweisend. Diese Konferenz jetzt kann beschließen, dass wir komplett aus fossilen Energien aussteigen oder die Erneuerbaren verdreifachen oder die Energieeffizienz verdoppeln. Das sind sehr gute Richtlinien, an die sich Staaten dann halten können. Aber alleine reicht das nicht aus.

Was es zusätzlich noch geben muss, sind Länder und Unternehmen in kleinen Gruppen, die sich bestimmten Themen widmen. Zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien hat das funktioniert. Wir haben das in Deutschland sehr subventioniert und das hat dazu geführt, dass die Erneuerbaren so günstig geworden sind, dass sie überall auf der ganzen Welt jetzt angewendet werden. Und genau so ein Modell könnte man auch für andere Bereiche anwenden, dass Länder und Unternehmen signifikant Geld investieren, um eine Technologie so günstig zu machen, dass auch die sie benutzen, die sie vorher gar nicht haben wollten.

Das Gespräch führte Anja Martini, Wissenschaftsredakteurin tagesschau. Es wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redigiert.

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