Eine künstliche Nase steht in einem Garten.

Forschung Künstliche Nasen bald im Riech-Vorteil?

Stand: 29.05.2024 10:48 Uhr

Künstliche Nasen können harmlose Gerüche, aber auch gefährliche Gase wahrnehmen. Könnten sie bald Ärzten in der Praxis bei der Diagnose helfen? Und in Zukunft vielleicht sogar alle Gerüche dieser Welt identifizieren?

Von Dorothee Rengeling, BR

Sie sehen aus wie kleine, bauchige Lautsprecher mit vielen Lamellen. Durch die strömt Luft in sie hinein. Innen schnüffeln Sensoren nach bestimmten Gerüchen.

Künstliche Nasen sind darauf programmiert, Geruchsmoleküle in der Luft wahrzunehmen. Ihre Sensoren können harmlosen Gestank, aber auch gefährliche Gase riechen. Forschende wollen den E-Nasen sogar beibringen, nach Krankheiten zu schnüffeln. Wie gut sind künstliche Nasen inzwischen?

Überwachung rund um die Uhr

Circa zehn von diesen künstlichen Nasen hängen in Bayerns größter Raffinerie bei Neustadt an der Donau. Sie gehören zum Sicherheitskonzept für Mitarbeiter und Anwohner. Ihre Sensoren reagieren auf Gerüche, wie sie bei so einer Produktionsstätte vorkommen. Das können harmlose Gerüche sein, wie der nach Rohöl. Aber auch gefährliche Verbindungen wie zum Beispiel Methan.

Überwacht werden die künstlichen Nasen rund um die Uhr vom "Ingenieur auf Schicht" Michael Schlemmer. Er sieht sie als grüne Punkte auf einer Übersichtskarte. Wird einer rot, handelt er sofort. Schlemmer: "Dann gibt es eine Abweichung, und wir müssen sofort vor Ort schauen, ob sie von uns kommt, also zum Beispiel eine Undichtigkeit. Oder ob es einen anderen Verursacher außerhalb unseres Werkes gibt."

Sofort fahren Riechspezialisten zur künstlichen Nase, die gerade Alarm schlägt. Sie können mit ihrer eigenen Nase kleinste Geruchsnuancen wahrnehmen. Vor Ort schnuppern sie in der Luft: Dabei unterstützt sie eine künstliche Nase, die sie bei sich tragen. Je nachdem, ob sie eine Gefahr wahrnehmen oder nur einen unangenehmen Geruch, kümmert sich Ingenieur Schlemmer dann um die nächsten Maßnahmen.

Wer macht es besser: Die künstliche oder die menschliche Nase? "Die künstlichen Nasen sind natürlich technisch eine super Möglichkeit, Luftveränderungen festzustellen", sagt er. "Aber im Zusammenspiel mit den Mitarbeitern, die dann vor Ort mit ihrer eigenen Nase schnüffeln, ist das die perfekte Kombination."

Können künstliche Nasen bald Krankheiten erschnüffeln?

Krankheiten verändern den Körpergeruch eines Menschen. Denn das Duftspektrum der betroffenen Zellen verändert sich. Könnte eine künstliche Nase Krankheiten erschnüffeln und identifizieren? Das überprüft ein Forschungsteam am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden im Rahmen der Europäischen Studie SMELLLODI. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen sogar noch weiter. Sie wollen herausfinden, wie gut eine menschliche Nase das auch schaffen könnte.

Dazu schnüffelten Probandinnen und Probanden und eine künstliche Nase, der sogenannte Smellinspektor, an besonderen T-Shirt-Schnipseln. Die wurden von Patienten getragen, die entweder an Covid, Parkinson oder einer leichten kognitiven Einschränkung leiden oder eine Erkältung hatten. Die Biochemikerin Nicole Power Guerra führt diese Studie durch: "Von den T-Shirts haben wir die Achselhöhle ausgeschnitten und ein Stück des T-Shirts in eine Flasche gepackt." Die Flaschen hat sie mit Alufolie umwickelt, sodass man nicht erkennen kann, was drin ist.

Probanden schnüffelten an den Flaschen, in denen nur Schnipsel von einer Krankheit oder von vergleichbaren gesunden Menschen steckten. Aber ohne zu wissen, was drin ist. Dabei mussten sie Fragen beantworten wie zum Beispiel: Riecht es gesund oder krank? Wonach riecht es denn genau?

Auch der sogenannte Smellinspektor hat an den Flaschen geschnüffelt. Diese künstliche Nase besteht aus vier Chips, die Geruchsmoleküle in elektrische Signale wandeln können. Durch ein besonderes Messprinzip kommt bei jeder Messung ein individuelle Geruchsmuster heraus. Der Smellinspektor kann inzwischen unterstützt von Künstlicher Intelligenz circa zehn verschiedene Gerüche herausschnüffeln wie zum Beispiel Schwefelwasserstoff oder Kohlenstoffmonoxid.

Die künstliche Nase "Smellinspektor" schnüffelt an einem Geruchschnipsel.

Die künstliche Nase Smellinspektor schnüffelt an einem Geruchschnipsel.

Können Roboternasen Krankheiten erschnüffeln?

Und Krankheiten? Biochemikerin Power Guerra: "Ob elektronische Nasen zwischen gesund und krank unterscheiden können, das können wir noch nicht sagen. Was wir aber sehen, ist eine Tendenz, dass die Körpergeruchsmuster der Parkinson-Erkrankung ähnlicher zueinander sind. Und das stellt die elektronische Nase fest."

Die Probandinnen und Probanden waren besser. Power Guerra hatte sie zusätzlich trainiert. Sie sollten lernen, wie die Krankheiten riechen. Eines der ersten Ergebnisse: "Bei der Parkinson-Erkrankung konnten zum Beispiel 78 Prozent der Probanden den Parkinson Geruch richtig als krank erkennen."

Zwar ist die menschliche Nase im Moment besser als die künstliche. Aber die künstliche wird dazulernen und vermutlich immer besser werden. Thomas Hummel, Leiter der Fachabteilung "Riechen und Schmecken" am Universitätsklinikum Dresden: "Ich kann mir vorstellen, dass es in Zukunft ein grobes Screening geben könnte, bei dem man in der Praxis Patienten mit einer elektronischen Nase kurz beschnüffelt und dann einen Hinweis kriegt, ob eine bestimmte Erkrankung vorliegt oder nicht."

Die "Allesriecher"-Nase soll alle Gerüche dieser Welt erschnüffeln

In Zukunft könnten künstliche Nasen in vielen anderen Bereichen eingesetzt werden. Zum Beispiel in der Lebensmittelindustrie. Dort wird die Qualität von Produkten wie zum Beispiel Kaffee auch nach dem Geruch beurteilt. Bisher machen das geschulte Fachkräfte. Aber das ist teuer und aufwändig. Am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising wollen die Forscher deshalb eine umfassende künstliche Nase bauen, die alle Gerüche, die es gibt, selbstständig misst und klassifiziert.

Dazu bauen sie eine riesige Datenbank auf, in der unzählige Informationen über Geruchsmoleküle gespeichert sind. Die Forscher erfassen in den nächsten Jahren sowohl den Geruch, als auch die chemische Zusammensetzung von unzähligen Geruchsmolekülen.

Tilmann Sauerwald, Chief Scientist Messtechnische Systeme: "Wir rechnen damit, dass wir in fünf bis zehn Jahren eine ziemlich vollständige Datenbank haben. Ganz vollständig wird die Datenbank nie sein. Wir lernen ja auch immer wieder neue Gerüche kennen wie zum Beispiel exotische Lebensmittel."

Fazit: Die künstlichen Nasen werden in Zukunft immer besser werden, je mehr sie trainiert sind. Noch geht es nicht ohne die menschliche Nase. Das ist vielleicht auch ganz beruhigend.

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