Silhouetten von Männern und Frauen mit Laptops während einer Besprechung.

Künstliche Intelligenz Wie kreativ ist KI wirklich?

Stand: 10.04.2023 08:17 Uhr

Moderne KI kann Erstaunliches hervorbringen. Eine Studie hat nun die Kreativität von Menschen und KI verglichen - und kaum Unterschiede gefunden. Sind Maschinen also genauso ideenreich wie Menschen?

Von Alexander Steininger, tagesschau.de

Kreativität gilt als etwas sehr Menschliches. Doch mit neuen Programmen wie ChatGPT stellt sich die Frage, ob Künstliche Intelligenz nicht doch ein gewisses Maß an neuen Ideen produzieren kann. Denn die Programme können bereits Gedichte schreiben, sich Witze ausdenken, Bilder erstellen und Musikstücke komponieren. Unis und Schulen fürchten bereits eine Welle von computergenerierten Haus- und Abschlussarbeiten.

Gleiche Ergebnisse bei Kreativitätstest

Forscher der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und der Uni in Essex haben nun in einer Preprint-Studie untersucht, wie kreativ KI im Vergleich zu Menschen ist. Dazu ließen sie 100 Menschen und sechs generative KI-Programme einen Kreativitätstest absolvieren. Das Ergebnis: In Summe gab es kaum Unterschiede zwischen Menschen und Maschinen. "Die Untersuchung zeigt, dass Chatbots, denen dieselbe einfache Frage wie Menschen gestellt wird, mehr Ideen generieren, die im Durchschnitt genauso originell sind wie die von Menschen", heißt es in dem Papier.

"Das hat uns nicht wirklich überrascht", sagt Autorin Jennifer Haase von der HU. "Denn die Programme sind im Bereich Alltagskreativität mittlerweile wirklich sehr gut." Konkret ging es um den "Alternative Uses Test" (AUT). Dabei werden für Alltagsgegenstände wie eine Zahnbürste oder eine Büroklammer andere Verwendungsmöglichkeiten abgefragt. Als Beispiel: Letztere ließe sich etwa auch als Ersatzteil an einem kaputten Reißverschluss oder als Ohrring verwenden. Je origineller die Antworten, desto höher wurde das Ergebnis bewertet - von sechs Prüfern und einer speziellen KI.

"Das ist ein sehr häufig eingesetztes Verfahren", sagt der Psychologe und Kreativitätsforscher Joachim Funke gegenüber tagesschau.de. Natürlich könne der Test nur einen kleinen Bereich abdecken. "Aber Kreativität ist einfach sehr schwer zu fassen - deshalb greift man gerne auf solche Tests zurück." Interessant seien aber einige Details des Tests: Etwa, dass knapp zehn Prozent der Menschen in dem Test kreativer gewesen seien als jede KI.

Little-C und Big-C

Diese Bewertung stützt auch Antonio Krüger, Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz. "Das, was die Programme heutzutage produzieren können, wird von den meisten Menschen wohl durchaus als kreativ angesehen. Was sie allerdings nicht können, ist völlig abstraktes Neuland zu betreten, denn dafür ist die Architektur der Programme nicht geeignet." Das menschliche Gehirn sei viel komplexer und deswegen zu ungewöhnlicheren Dingen fähig - das werde auch auf lange Sicht so bleiben.

Ein wichtiger Unterschied sei zudem, dass Programme immer einen äußeren Anstoß brauchen, um kreativ zu werden. "Menschen kreieren auch einfach mal so vor sich hin und finden deswegen auch leichter Auswege, wenn sie in eine Sackgasse geraten. Das können Algorithmen nicht, die brauchen immer einen Anstoß", so Krüger.

Forscher unterscheiden verschiedene Arten der Kreativität: Little-C etwa, also die Fähigkeit, Alltagsprobleme ideenreich zu lösen, und Big-C, wobei etwas ganz Neues erschaffen wird, das einen Einfluss auf die Gesellschaft hat. Für diese Spitzenleistungen - das legt auch die Studie nahe - braucht es Menschen, so Funke. "Denn die ganze Gefühlswelt, die zu großen Werken führt, haben Programme nicht. Die Motivation, aus der heraus Kreativität stattfindet, ist also eine ganz andere: Menschen haben eine intrinsische Motivation. Und das ist für die Bewertung der schöpferischen Leistung wichtig, auch wenn das Endergebnis ähnlich klingt oder aussieht."

Anderer Prozess, ähnliches Ergebnis

Auch die Studienautoren betonen, dass man nicht pauschal schlussfolgern könne, KI sei genauso kreativ wie Menschen. Jedoch sei eine wichtige Erkenntnis, dass KI auf dem Gebiet der Alltagskreativität durchaus Ergebnisse erzielen kann, die mit denen vieler Menschen mithalten könne. Je komplexer die Aufgaben jedoch würden, desto mehr Probleme bekomme die KI.

Ein wichtiges Ergebnis sei zudem, dass die Aussage, Chatbots würden nur Altbekanntes neu kombinieren, sich so nicht mehr halten lasse. "Diese Programme erzielen in einem Setting, in dem sich auch viele Menschen bewegen, erstaunliche Ergebnisse. Sie produzieren Dinge, die von vielen Menschen als kreativ bewertet werden, auch wenn der Prozess dahinter ein ganz anderer ist", sagt Haase.

KI als Kreativitätstool

Deshalb legen die Studienergebnisse auch nahe, dass KI in Zukunft einzelne kreative Aufgaben durchaus übernehmen kann. Das gelte für Bereiche, in denen sie bereits sehr gute kreative Ergebnisse erziele, etwa beim Design oder Storytelling von Computerspielen.

Krüger betont, dass sich Menschen die Kreativität der Programme zunutze machen können. "Sie sind ein sehr gutes Tool, um Ideen anzustoßen oder weiterzuentwickeln." Zumal einzelne Programme in sehr bestimmten Bereichen - etwa bei Bildgestaltung oder beim Texten - immer besser würden. Deshalb halte er es nicht für ausgeschlossen, dass KI irgendwann auch echte Kreativität beweise. "Doch bis dahin wird noch einige Zeit vergehen - bis dahin sehe ich keine Verdrängungsgefahr auf breiter Ebene."

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