Ein Man trinkt während einer Hitzewelle in Marokko aus einer Wasserflasche (Archivbild vom 26. Juli 2024)

Daten zur Erderwärmung Wird es immer schneller immer heißer?

Stand: 13.11.2024 03:05 Uhr

Der Klimawandel beschleunigt sich - das zeigen aktuelle Daten. Auch wenn es kurios klingt: Experten zufolge liegt das auch an sinkenden Schadstoffen in der Luft. Das ist aber nicht der einzige Grund.

Von Jan Kerckhoff, BR

Beschleunigt sich der Klimawandel? Das legen aktuelle Daten der "Indikatoren des Globalen Klimawandels" (IGCC) nahe, ein Zusammenschluss internationaler Klimaforscher. Laut ihren Berechnungen sind die Temperaturen in den Jahren 2014 bis 2023 um 1,19 Grad Celsius gestiegen, während es im gleich langen Zeitraum 2013 bis 2022 nur 1,14 Grad waren. Damit war die Temperatur in der nur um ein Jahr verschobenen Dekade global schon um 0,05 Grad wärmer.

Das sei zum Teil auf eine "Errungenschaft der Menschheit zurückzuführen", sagt Julia Pongratz, Geografin an der Universität München, sie hat an dieser Studie mitgewirkt. Die Industrie habe vermehrt Filter eingebaut und damit die Luftverschmutzung verringert. Es gibt also weniger Schmutzpartikel und weniger Aerosole - eine gute Nachricht.

Aber "Aerosole wirken den Treibhausgasen entgegen, weil sie es schaffen, Sonnenlicht ins All zu streuen". Nimmt ihre Menge ab, heizt sich das Klima auf. Das sorge, so Pongratz, für einen zusätzlichen Anstieg der Temperaturen. Doch der hauptsächliche Treiber der Erderwärmung ist nicht die sauberere Luft.

CO2-Emissionen sind viel zu hoch

Nach wie vor werde weltweit massiv CO2 freigesetzt, sagt Klimaforscherin Pongratz. Im vergangenen Jahr haben die Emissionen einen neuen Höchstwert erreicht: etwa 50 Milliarden Tonnen Treibhausgase, davon 40 Milliarden Tonnen CO2. Und die kommen zu dem Kohlendioxid dazu, das sich bereits in der Atmosphäre befindet. Die gesamte CO2-Menge in der Atmosphäre nimmt also zu. Denn CO2 baut sich nur sehr langsam, über Jahrhunderte hinweg, wieder ab.

Die globale Temperatur steigt linear mit der Summe der in der Atmosphäre befindlichen Treibhausgase. Selbst wenn die Emissionen konstant bleiben, könnte das zu einer Beschleunigung der Erderwärmung führen, erläutert Pongratz. Beispielsweise, wenn Permafrostböden auftauen und Methan freisetzen, das zusätzlich als Treibhausgas wirkt.

Kipppunkte könnten Klimawandel beschleunigen

Weitere mögliche Kipppunkte nennt Pongratz bei einem Pressegespräch des Science Media Centers: der Zusammenbruch der Warmwasser-Strömung im Atlantik oder der Rückgang der Waldfläche des Amazonas und damit Verlust an Kohlenstoff-Speicherfähigkeit des Waldes.

Selbst wenn diese Kipppunkte nicht überschritten werden und sich der Klimawandel nicht beschleunigt, stellt die Geografin klar, wird die Erwärmung mit den weiter ansteigenden Mengen von Treibhausgasen in der Atmosphäre zunehmen.

Noch 200 Milliarden Tonnen CO2 "Rest-Budget"

Der IGCC-Bericht rechnet vor, dass die Menschheit allenfalls noch 200 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre abgeben kann, bis die globale Erwärmung dauerhaft 1,5 Grad erreicht hat. In der vergangenen Woche hat Copernicus, der Klimawandel-Dienst der Europäischen Union, Zahlen veröffentlicht, nach denen der Oktober 2024 um 1,65 Grad wärmer war als das Temperatur-Niveau in vorindustrieller Zeit. Damit war der Oktober der 15. Monat in einem 16-monatigen Zeitraum, in dem die Temperatur oberhalb der 1,5-Grad-Grenze lag.

2024 erstmals Erwärmung um 1,5 Grad

Damit wird laut Copernicus schon dieses Jahr "mit ziemlicher Sicherheit" die angestrebte Obergrenze des Pariser Abkommens erstmals durchgängig gerissen. Das gesamte Jahr könnte weltweit durchschnittlich um 1,55 Grad wärmer gewesen sein als der Vergleichszeitraum von 1850 bis 1900, prognostiziert Copernicus.

Bei der Weltklimakonferenz 2015 in Paris hatten sich die Unterzeichner-Staaten verbindlich bereit erklärt, Maßnahmen zu ergreifen, die Obergrenze von 1,5 Grad Erwärmung einzuhalten. Auch Deutschland hat das Abkommen unterzeichnet.

1,5-Grad-Ziel schon dieses Jahr verfehlt?

Der besonders starke Anstieg der Temperaturen 2023 und 2024 ist Pongratz zufolge allerdings teilweise auch dem Wetterphänomen El Niño zuzuschreiben: Es sorge dafür, "dass die Meeresoberflächentemperatur sehr hoch war, dass viele Dürren aufgetreten sind und enorme Feuer in vielen Regionen begünstigt wurden". Aber dieser Effekt machte im Jahr 2023 nur insgesamt 0,1 Grad von dem Anstieg auf 1,4 Grad Erwärmung aus, sagt sie.

Kleiner Effekt durch El Niño

Das allein erklärt die schnellere Erwärmung nicht. El Niño folgt einem natürlichen Zyklus, es taucht alle fünf bis zehn Jahre wieder auf und verschwinde jetzt erst mal wieder, erklärt die Klimaforscherin. Die gemessenen Temperaturen stiegen dieses Jahr aber auch nach El Niño weiter.

Für die Weltklimakonferenz in Baku ist Pongratz’ Forderung daher, mehr Maßnahmen zu beschließen, auf fossile Energieträger zu verzichten und die CO2-Emissionen drastisch zu senken.

Kosten der Maßnahmen geringer als die der Klimafolgen

Dem stimmt Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie zu: "Wir müssen die CO2-Emissionen durch Verbrennung fossiler Brennstoffe herunterfahren. Und wir werden irgendwann auch netto CO2 der Atmosphäre entnehmen müssen." Letzteres ginge etwa durch das Aufforsten von Wäldern oder dem technischen Speichern von Kohlendioxid im Untergrund, sagte er dem Bayrischen Rundfunk. Das werde viel Geld kosten.

Das sieht Marotzke aber als Investition, um weitere Schäden durch den Klimawandel zu verringern. Dazu zählt er auch Produktivitätseinbußen, "weil die Leute krank daheim sind, weil es zu heiß ist". Aber er ist sich sicher: Letztlich lohne es sich finanziell, wenn "wir schnell und durchgreifend Klimaschutz betreiben".

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