Eng umschlungen liegt ein Paar auf einer Wiese.

Auswertung von Studien Kuscheln gegen Schmerz, Angst und Depression

Stand: 10.10.2024 06:47 Uhr

Menschen brauchen einvernehmlichen Körperkontakt nicht nur, um gesund zu bleiben. Angenehme Berührungen helfen auch bei Erkrankungen. Das hat ein Forschungsteam herausgefunden, das zahlreiche Studien ausgewertet hat.

Von Birgit Augustin, NDR

Berührung tut gut - das sagt die Wissenschaft. Forschende aus Bochum, Duisburg-Essen und Amsterdam konnten für ihre Meta-Analyse auf Daten von mehr als 10.000 Menschen zurückgreifen. Demnach wirken sich Berührungen grundsätzlich positiv auf unsere Gesundheit aus - vorausgesetzt, sie sind einvernehmlich und werden als angenehm empfunden.

Vor allem aber - so das Ergebnis der Meta-Analyse - sind sie geeignet, Schmerz, Depression und Angst zu lindern. Bei Menschen, die unter diesen Symptomen leiden, zeigten sich die stärksten positiven Effekte.

Weniger stressauslösende Botenstoffe im Gehirn

Die neurobiologische Erklärung: Der Bereich des Gehirns, wo Haut- und Tastempfindungen verarbeitet werden, ist unmittelbar verbunden mit der Amygdala, auch Mandelkern genannt - dem Areal, wo Ängste entstehen und verarbeitet werden. Berührungen dämpfen die Ausschüttung stressauslösender Botenstoffe, die Stressreaktion wird reduziert.

"Das macht einen Teil des Wohlbefindens und der Entspannung aus", sagt Professor Martin Korte, Neurobiologe von der TU Braunschweig im Interview mit ARD GESUND. Zudem wird durch angenehmen Hautkontakt auch weniger von den Stresshormonen Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet - die Menschen beruhigen sich, die Herzfrequenz sinkt und der Blutdruck sinkt messbar.

Berührung rettet Leben

Geradezu überlebensnotwendig sind Berührungen für Frühchen. Deren Atemorgane sind noch unreif, die Atmung kann bis zu 20 Mal in der Stunde aussetzen. Dann hilft eine Berührung an den Fußsohlen oder seitlich der Wirbelsäule - und sie atmen wieder.

Auf der Frühgeborenen-Intensivstation der Asklepios-Klinik Nord in Hamburg versucht das Team um Kinderärztin und Intensivmedizinerin Susanne Schmidtke alles, damit es erst gar nicht zu solchen Atemaussetzern kommt. Das Allerwichtigste: Die Kinder liegen, so oft es geht, auf der Brust des Vaters oder der Mutter und nicht im Inkubator. Auch wenn das für Frühgeborene, die an zahlreichen Versorgungsschläuchen hängen, auch mit einem gewissen Risiko verbunden ist.

Auf der Frühgeborenen-Intensivstation in Hamburg konnte das Konzept der frühen und ausgiebigen Berührung der manchmal nur einige Hundert Gramm schweren Kinder die Zahl der Notfälle deutlich reduzieren. "Weil offensichtlich die Situation so stabilisierend und auch rhythmusgebend ist, dass die Kinder einfach sehr viel besser atmen", so die Beobachtung von Susanne Schmidtke.

Berührung schafft Bindung

Hautkontakt fördert zudem die enge Bindung zwischen Eltern und Kind. "Kangarooing" heißt die mittlerweile weithin anerkannte Methode, das Neugeborene möglichst eng am Körper zu tragen. In den ersten Wochen und Monaten stellt die intensive Berührung der Kleinen die Weichen für ein gesundes Aufwachsen - körperlich wie psychisch.

"Dieses stundenlange auf der Haut der Eltern Liegen verbessert das Leben der Kinder nachweislich", sagt Susanne Schmidtke. Denn der enge Kontakt sorgt zudem noch dafür, dass die Kinder mit den schützenden Hautbakterien ihrer Eltern ausgestattet werden. Und auch der Grundstein für ein gesundes Mikrobiom im Darm - gute Bakterien, Pilze und Viren - wird in der ersten Lebensphase gelegt, auch durch Berührung und Hautkontakt mit den Eltern.

Kuschelhormon sorgt für positive Gesundheitseffekte

Auch die Bochumer Meta-Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass Säuglinge und Kleinkinder gesundheitlich vor allem von elterlichem Hautkontakt profitieren. Berührungen durch zum Beispiel Krankenhauspersonal waren nicht so effektiv.

Bei Erwachsenen dagegen, sagt der Psychologe und Studienautor Julian Packheiser, macht es kaum einen Unterschied, ob der Kontakt zwischen Bekannten oder Fremden zustande kommt, etwa bei einer Massage. Hauptsache, die Produktion des Kuschelhormons Oxytocyn wird angekurbelt. "Solange dieses Hormon ausgeschüttet werden kann, scheinen Berührungen immer einen positiven Gesundheitseffekt zu haben. Und das Hormon wird so ab 15 bis 20 Sekunden auch schon ausgeschüttet." Es müsse also keine Massage von 20, 30 oder gar 60 Minuten sein - was sich viele Menschen auch gar nicht leisten könnten. Wichtiger als die Dauer sei zudem die Häufigkeit der Berührungen.

Eigene Berührung hilft nicht - Roboter schon

Sich selbst zu streicheln funktioniere hingegen nicht, sagt der Neurobiologe Prof. Martin Korte. "Weil das Gehirn das motorische Programm, das es braucht, um uns selbst zu streicheln, an das Kleinhirn übermittelt und das Kleinhirn in dem Moment die Aktivität im somatosensorischen Kortex herunterfährt."

Dagegen haben Berührungen durch Roboter, Stofftiere oder Umarmungskissen einen nachweisbar positiven Effekt auf unser Wohlbefinden, wenn auch nicht so stark wie die Berührung durch einen Menschen. Martin Korte erklärt das damit, dass Menschen auf Berührungen reagieren, solange sie sanft und einer Berührung durch Menschen ähnlich sind. Und ganz wichtig: Auch Roboterberührungen dürfen nicht in allen Details vorhersehbar sein.

Eine Chance für Pflegeheime?

Der Bochumer Psychologe Julian Packheiser, sieht in diesen Ergebnissen eine große Chance. Angesichts einer alternden Gesellschaft und steter Personalnot in der Pflege seien solche Hilfsmittel eine gute Ergänzung, um etwa in Pflegeheimen Wohlbefinden und Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner zu steigern.

Wer aber die Möglichkeit habe, Freunde oder Familienmitglieder ab und zu Mal in den Arm zu nehmen, so sein Rat, der sollte das tun. Nicht nur, aber auch der Gesundheit wegen.

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