Eine Krankenschwester führt im Krankenhaus "Ramon y Cajal" in Madrid einen PCR-Test zur Erkennung des Affenpockenvirus durch.
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Viruserkrankung Was die Forschung über Affenpocken weiß

Stand: 23.07.2022 20:15 Uhr

Was weiß man inzwischen über die Affenpocken? Wie wirksam sind die Impfungen? Wie kann man sich schützen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Veronika Simon und Vinetta Richter, SWR

Wie viele Infektionen wurden registriert?

Die Anzahl an Infektionen stieg in den vergangenen Wochen an. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus nannte die Zahl von mehr als 16.000 bestätigten Fällen in mehr als 70 Ländern, von denen viele vorher praktisch keine Affenpocken-Fälle kannten. In sechs afrikanischen Ländern, in denen das Virus schon früher auch Menschen infiziert hat, waren es laut WHO über 240 Fälle. Wegen der Zunahme der Fälle rief die WHO inzwischen den weltweiten Gesundheitsnotstand aus.

80 Prozent der weltweiten Betroffenen finden sich in Spanien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. In Deutschland meldete das Robert Koch-Institut (RKI) am 22. Juli knapp 2300 Fälle.

Auch das Robert Koch-Institut hat sich zu den steigenden Zahlen geäußert. 57 Prozent aller Fälle wurden in Berlin gemeldet. Das Ausbruchsgeschehen konzentriert sich auf wenige große Städte. Bis Ende Juni sind die Fälle zwar noch stark angestiegen, aber seitdem hat sich der Anstieg deutlich abgeflacht. Der Großteil der Erkrankten war männlich und zwischen 18 und 78 Jahre alt. Soweit bekannt, erkranken die Betroffenen nicht schwer. Eine Gefährdung der Gesundheit der breiten Bevölkerung schätzt das RKI aktuell als gering ein.

Es ist nicht das erste Mal, dass Fälle von Affenpocken in Europa oder den USA auftauchen. Auch in Israel gab es 2018 einen dokumentierten Fall. Jedoch konnten all diese Infektionen mit einer Reise nach West- oder Zentralafrika oder mit dem Kontakt zu von dort importierten Tieren in Verbindung gebracht werden. In West- und Zentralafrika ist das Affenpockenvirus zum Teil endemisch, es gab in der Vergangenheit immer wieder Ausbrüche.

Ein Grund zur Panik ist die aktuelle Situation laut Jimmy Withworth aber nicht. Er ist Professor für internationale öffentliche Gesundheit an der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Die aktuelle Ausbreitung sei höchst ungewöhnlich, aber: "Das wird keine landesweite Epidemie auslösen, wie es bei Covid der Fall war. Aber es handelt sich um den ernsten Ausbruch einer ernsten Krankheit." Und deshalb müsse man jetzt entsprechend handeln.

Expertinnen und Experten versuchen nun, Infektionsketten und mögliche weitere Betroffene ausfindig zu machen. Medizinisches Personal soll sensibilisiert werden, damit sie eine Infektion mit Affenpocken als solche erkennen. Menschen mit ungewöhnlichen Hautausschlägen sollen sich untersuchen lassen.

Was ist mit den Impfungen?

Es gibt eine wirksame Impfung. Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Vaccinia-Impfstoffs Imvanex, der gegen die echten Pocken eingesetzt wurde. Da sich die Viren ähneln, soll er auch gegen Affenpocken eine Wirksamkeit von 85 Prozent aufweisen.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat mittlerweile 40.000 Dosen dieses Impfstoffs bestellt und an die Bundesländer ausgeliefert. Bereits in der ersten Juli-Hälfte konnten sich Menschen impfen lassen. Die EMA hat inzwischen den Impfstoff für den Schutz von Erwachsenen vor den Affenpocken auch offiziell zugelassen.

Eine sogenannte Ringimpfung ist vor allem sinnvoll bei den Kontaktpersonen eines infizierten Menschen. Der Pockenimpfstoff wirkt auch noch bis zu sieben Tage nach einer Infektion mit dem Affenpockenvirus. Eine solche Impfung kann zu einem milderen Krankheitsverlauf führen. Auch die Impfungen gegen die echten Pocken, die bis 1983 noch weltweit durchgeführt wurden, liefern laut WHO noch immer Schutz.

Mittlerweile gibt es auch einen neueren Pocken-Impfstoff der dritten Generation, der offenbar weniger Nebenwirkungen hervorruft. Dieser Impfstoff ist zugelassen, laut WHO aber noch nicht in der Breite verfügbar.

Zur Behandlung von Affenpocken stehen verschiedene antivirale Medikamente zur Verfügung, die die Symptome lindern können. Eines davon ist Tecovirimat, was auch zur Behandlung bei den echten Pocken eingesetzt wird. Jede und jeder, der sich ansteckt, sollte sich außerdem für mindestens 21 Tage isolieren, bis alle Pusteln und Krusten abfallen und verheilt sind. Auch für enge Kontaktpersonen empfiehlt das RKI eine häusliche Quarantäne.

Wie steckt man sich an?

Bei den aktuellen Fällen in Europa geht es um eine Übertragung von Mensch zu Mensch. Diese ist nur bei engem Kontakt möglich - etwa durch Haut-zu-Haut-Kontakt beim Umarmen, Massieren oder beim Sex. Dies geschieht durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten und den typischen Hautveränderungen von Affenpocken-Infizierten. In diesen Pusteln ist die Viruskonzentration besonders groß.

Laut RKI werden in Deutschland derzeit vor allem Fälle registriert, bei denen man von einer Haut-zu-Haut-Übertragung ausgeht. Möglich ist eine Übertragung aber auch durch Gegenstände wie Handtücher, Bettwäsche, Kleidung oder Oberflächen, die von einer Person mit Affenpocken benutzt oder berührt wurden. Auch eine Übertragung über große Tröpfchen in der Atemluft ist möglich - auch schon, bevor der Infizierte Symptome entwickelt. Das ist vor allem riskant für Menschen, die mit Infizierten zusammenleben oder diese medizinisch versorgen. Eine Übertragung über Aerosole (also extrem kleine Partikel, die sich längere Zeit in der Luft halten können) - wie sie bei Corona zu beobachten war - ist laut RKI bei Affenpocken "nach aktuellem Kenntnisstand unwahrscheinlich".

Auch wenn in Europa derzeit die Übertragung beim Sex eine große Rolle spielt, seien die Affenpocken keine Geschlechtskrankheit im traditionellen Sinne, sagt John Thornhill. Er ist Co-Autor einer Studie, die am 21. Juli im Fachmagazin "New England Journal of Medicine" veröffentlicht wurde. Es wurde die Übertragung der Krankheit in 528 Fällen untersucht und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass 95 Prozent aller Fälle auf sexuelle Kontakte zurückzuführen sind.

Aktuell sind vor allem Männer, die mit anderen Männern Sex haben, betroffen. WHO-Chef Tedros zeigt sich besorgt, dass diese Männer in manchen Ländern stigmatisiert und für den Ausbruch verantwortlich gemacht werden könnten. Das könne zu Problemen bei den Eindämmungsbemühungen führen. Das RKI betont auf seiner Internetseite, das Risiko sei nicht auf sexuell aktive Menschen oder Männer, die Sex mit Männern haben, beschränkt. "Jeder, der engen körperlichen Kontakt mit einer ansteckenden Person hat, kann sich infizieren." 

Was sind die Symptome?

Nicht nur die Erreger sind nah verwandt, auch die Symptome der echten Pocken und der Affenpocken ähneln sich: Etwa ein bis zwei Wochen nach der Ansteckung haben viele Betroffene Fieber. Außerdem sind ihre Lymphknoten geschwollen, dazu kommen Kopf-, Rücken- und Muskelschmerzen und eine allgemeine Erschöpfung.

Der typische bläschenartige Ausschlag erscheint meist wenige Tage nach dem Einsetzen des Fiebers - bei den Affenpocken meist im Gesicht, oft auch an Händen, Füßen und an den Mundschleimhäuten. Diese Pusteln können stark jucken oder schmerzhaft sein.

Allerdings kann der Verlauf einer Affenpockeninfektion auch so milde sein, dass er unentdeckt bleibt. Das erhöht das Risiko, dass die Viren auf weitere Menschen übertragen werden.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation erkranken die von Affenpocken betroffenen Personen meist nicht so schwer wie es bei den echten Pocken der Fall war. Diese waren tödlicher und auch leichter übertragbar.

Wie gefährlich sind Affenpocken?

Eine Infektion mit dem Affenpockenvirus ist laut Experten eine ernstzunehmende Erkrankung, auch wenn sie bei den meisten Betroffenen von allein wieder abklingt und keine bleibenden Schäden hinterlässt.

Besonders gefährdet sind Kinder, ihre Sterblichkeitsrate bei einer Infektion ist deutlich höher als in älteren Gruppen. Auch Schwangere haben ein höheres Risiko, da das Virus auf das ungeborene Kind übertragen werden und so zu Schwangerschaftskomplikationen oder Fehlgeburten führen kann.

Eines der häufigsten Probleme sind bakterielle Infektionen, die zeitgleich mit dem Affenpockenvirus auftreten. Diese können zu Lungen- oder Hirnhautentzündung oder durch eine Infektion der Hornhaut zu Erblindung führen.

Wie gefährlich eine Ansteckung mit Affenpocken ist, hängt auch vom Typ des Virus ab: Es gibt zwei Typen des Virus: Den westafrikanischen Typ und den Typ des Kongobeckens. Obwohl die Infektion mit dem Westafrikanischen Typ bei einigen Personen zu schweren Erkrankungen führt, ist hier die Sterblichkeitsrate geringer: Sie liegt bei etwa einem Prozent - beim Kongobecken-Typ kann sie bis zu zehn Prozent betragen. Die kürzlich aufgetretenen Fälle in Großbritannien gehen nach bisherigen Informationen auf den weniger tödlichen westafrikanischen Virustyp zurück.

Woher kommen Affenpocken?

Affenpocken werden durch ein vergleichsweise großes Virus ausgelöst, das nah verwandt mit dem Variola-Virus ist. Das war der Erreger der echten Pocken, die seit 1980 als ausgerottet gelten.

Im Vergleich zu den echten Pocken können die Affenpocken viele Tierarten befallen, darunter auch verschiedene Säugetierarten, zum Beispiel Nagetiere oder Affen. Die meisten Fälle von Affenpocken-Infektionen beim Menschen sind sogenannte Zoonosen. Das heißt: Die Viren werden von Tieren auf den Menschen übertragen. Am häufigsten treten diese Übertragungen des Virus in bewaldeten Gebieten in Zentral- und Westafrika auf.

Die Affenpocken zählen laut RKI zu den "re-emerging diseases". Das heißt, dass die Krankheit sich wieder ausbreitet, nachdem sie bereits auf dem Rückzug war. In den letzten Jahrzehnten konnte man eine Zunahme an Ausbrüchen erkennen, vor allem in West- und Zentralafrika. Laut der Gesundheitsorganisation der Afrikanischen Union habe es während der Corona-Pandemie mehrere Ausbrüche von Affenpocken-Infektionen gegeben. Die hätten während der Pandemie aber kaum für Aufsehen gesorgt und seien zudem unter Kontrolle.

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