Ein Mann sitzt einsam an einem Fenster

Studie der Techniker Krankenkasse "Wer einsam ist, spricht nicht gerne darüber"

Stand: 11.12.2024 11:02 Uhr

Nicht nur ältere Menschen, auch Jugendliche und junge Erwachsene, leiden zunehmend unter Einsamkeit. Das ist das Ergebnis einer Studie der Techniker Krankenkasse. Darüber zu sprechen, trauen sich nur wenige.

Von Constanze Álvarez, BR

Das Gefühl der Einsamkeit scheint in unserer Gesellschaft weiter verbreitet zu sein als bisher angenommen. Das geht aus einer neuen Studie der Techniker Krankenkasse hervor. Jeder zweite Befragte ab 40 Jahre aufwärts gab an, häufig oder manchmal einsam zu sein. Bei jungen Menschen zwischen 18 und 39 Jahren waren es sogar zwei Drittel der Befragten. Der Studie zufolge sind jüngere Menschen nicht nur häufiger betroffen, sie leiden auch stärker unter dem Gefühl der Isolation.

Einsamkeit weiterhin ein Tabuthema

Die Studie zeigt auch: Wer sich einsam fühlt, spricht nicht gerne darüber. Viele Betroffene befürchten, andere damit zu belasten, oder sie haben das Gefühl, "dass sie wenig in der Hand haben, um das zu ändern", erklärt Matthias Reinhard von der Klinik für Psychiatrie und Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München.

"Die meisten Menschen, die sich an uns wenden, stellen sich aufgrund von Ängsten, von Schlafstörungen vor, vielleicht auch von depressiven Erkrankungen", sagt Reinhard. "Und erst im Gespräch merkt man dann oft, wie sehr Einsamkeit da mit hineinspielt - wie ein Katalysator, der das Ganze noch mal verstärkt."

Ablenkung als Strategie gegen Einsamkeit

Es gibt viele Strategien, mit Einsamkeit umzugehen: Dreiviertel der Befragten gaben an, Musik, ein Hörspiel oder Podcasts zu hören, wenn sie sich einsam fühlen. Andere räumen auf, machen Sport, schauen Fernsehen oder Netflix, arbeiten im Garten, Naschen gern oder Kochen. Im Prinzip ist dagegen nichts einzuwenden. Auf Dauer sind das jedoch alles Strategien der Ablenkung. "Man versucht, diesem Gefühl der Einsamkeit aus dem Weg zu gehen, beispielsweise durch Sport, aber im Grunde ist das nichts, was wirklich effektiv gegen Einsamkeit helfen würde", erklärt Reinhard.

Viel hilfreicher wäre es, Kontakt zu anderen Menschen zu suchen, alte Freundschaften wiederzubeleben und Verbundenheit mit anderen Menschen aufzubauen. Doch dazu gehört auch eine Portion Mut und Offenheit. Gerade Menschen, die schon länger unter Einsamkeit leiden, trauen sich oft nicht, den ersten Schritt auf andere zuzugehen.

Social Media - hilfreich oder kontraproduktiv?

Seit der Pandemie ist die Zeit, die junge Menschen in Social-Media-Netzwerken verbringen, erheblich gestiegen. Ist das der Grund, weshalb sie sich häufiger einsam fühlen? Keine Frage, die einfach zu beantworten wäre. Der Gebrauch von Social Media kann eine niederschwellige Möglichkeit sein, mit anderen wieder in Kontakt zu treten. "Gleichzeitig ist das wirklich kein Ersatz für die echten Beziehungen im echten Leben", urteilt Reinhard. Einfach weil die körperliche Nähe oder beispielsweise die Berührung fehlt.

Hinzu kommt das ständige soziale Vergleichen. Wer ist gerade mit wem unterwegs und hat Spaß? "Social Media setzt ja den Maßstab recht hoch, dass man Bilder zum Beispiel auch postet mit anderen zusammen, dass man in Gesellschaft zu sein hat, dass man nicht allein sein darf", sagt Reinhard. "Da wird eine hohe Erwartung generiert."

Andere treffen - der beste Weg aus der Einsamkeit

Jeder Mensch ist anders. Welche Strategie am besten wirkt, muss jeder für sich herausfinden. Alte Kontakte wiederzubeleben, kann helfen. Oder sich ein Hobby zuzulegen, etwa einen Kochkurs zu besuchen, einem Verein beizutreten, Orte aufzusuchen, an denen Menschen mit gemeinsamen Interessen aufeinandertreffen. Eine weitere Strategie besteht darin, sich bewusst mit dem Gefühl der Einsamkeit auseinanderzusetzen, erklärt Reinhard.

"Wie gehe ich damit ganz persönlich um? Wie richte ich es mir zu Hause ein, wenn ich alleine bin? Ist das etwas, das ich ausblenden will, wegschieben möchte, nicht erleben möchte? Oder hat es nicht manchmal sogar auch positive Aspekte, das Alleine-Sein?" Für die angenehme Form des Allein-Seins gibt es auf Englisch sogar einen Begriff: "Me-Time". Darin steckt die Möglichkeit, endlich auch mal ein wenig Ruhe zu haben, nachdenken zu können, kreativ sein zu dürfen, sagt Reinhard. Wem es gelingt, dem Alleine-Sein auch mal positive Seiten abzugewinnen, fühlt sich auch gleich weniger allein.

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