Eine Tablette mit Aspartam Zuckerersatz wird über eine Tasse mit Kaffee gehalten.
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Einstufung der WHO Aspartam "möglicherweise krebserregend"

Stand: 14.07.2023 00:38 Uhr

Es steckt in Softdrinks, Light-Produkten oder Fertiggerichten. Nun hat die WHO das Süßungsmittel Aspartam als "möglicherweise krebserregend" eingestuft. Was bedeutet das? Und wie gefährlich ist der künstliche Süßstoff?

Was wurde entschieden?

Die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO hat den Süßstoff Aspartam als "möglicherweise krebserregend" eingestuft. Die Entscheidung wurde nach einer Sitzung externer Experten der Gruppe getroffen.

Die IARC hat insgesamt vier verschiedene Klassifizierungsstufen - krebserregend, wahrscheinlich krebserregend, möglicherweise krebserregend und nicht klassifizierbar. Die Stufen basieren auf der Stärke der Beweise und nicht darauf, wie gefährlich eine Substanz ist. In die Kategorie "wahrscheinlich krebserregend" stuft die IARC etwa rotes Fleisch, heiße Getränke über 65 Grad ein oder Nachtarbeit. Die mit der Benutzung von Mobiltelefonen verbundenen "hochfrequenten elektromagnetischen Felder" werden als "möglicherweise krebserregend" eingestuft.

Zudem bestätigte der WHO-Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA) erneut die bisher zulässige Tagesdosis von 40 Milligramm Aspartam pro Kilogramm Körpergewicht.

Was ist Aspartam?

Aspartam ist ein Süßungsmittel. Da es etwa 200 mal süßer ist als Zucker, braucht man nur geringe Mengen davon. Unter dem Kürzel E 951 steckt es etwa in Light-Softdrinks, Desserts, Süßwaren, Milchprodukten, Kaugummi, kalorienreduzierten Produkten und Erzeugnissen zur Gewichtskontrolle. In der EU muss auf dem Etikett eines Produkts angegeben sein, wenn Aspartam enthalten ist.

Das Süßungsmittel wird seit Jahrzehnten umfassend untersucht. Im Jahr 2013 kam die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA zu dem Schluss, dass "Aspartam und dessen Abbauprodukte für die allgemeine Bevölkerung (einschließlich Säuglinge, Kinder und Schwangere) unbedenklich sind". Derzeit gilt eine Aufnahmemenge (Acceptable Daily Intake) von bis zu 40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht am Tag als unbedenklich. Zum Vergleich: Ein Liter Cola light enthält etwa 130 Milligramm Aspartam.

Wie ist die Studienlage zum Krebsrisiko?

"Die ist nicht eindeutig", sagt Jutta Hübner, Onkologin am Universitätsklinikum Jena, "obwohl schon seit Jahrzehnten dazu geforscht wird." Im vergangenen Jahr sorgte eine große Studie aus Frankreich mit rund 100.000 Teilnehmern für Schlagzeilen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Menschen, die größere Mengen an künstlichen Süßstoffen - einschließlich Aspartam - konsumierten, ein leicht erhöhtes Krebsrisiko hatten. "Diese Studie hat aber erhebliche methodische Mängel, deshalb ist ihre Aussagekraft nicht sehr groß", sagt Hübner.

Dr. Stefan Kabisch, vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung sagte der Wissenschaftsplattform Science Media Center, dass die Einstufung von Aspartam als "möglicherweise krebserregend" an unserem täglichen Gebrauch sehr wahrscheinlich nichts ändere. "Die Einstufung ist sehr zurückhaltend, das heißt ein Krebsrisiko ist keinesfalls sicher und nicht einmal besonders wahrscheinlich. Daher ändert sich auch an der empfohlenen maximalen Tagesdosis nichts."

Die IARC erklärte, sie habe bei ihrer Überprüfung im Juni 1300 Studien bewertet. Doch laut Hübner wurden bei den allermeisten Studien andere Risikofaktoren, die eine Krebserkrankung verursachen können, nicht ausreichend berücksichtigt. "Deshalb finde ich die Entscheidung des IARC schwierig", erklärt die Medizinerin gegenüber tagesschau.de.

Welche Rolle spielt die Dosierung?

Gerade bei Lebensmitteln des täglichen Gebrauchs ist dies eine wichtige Frage, betont Hübner. "Jede Substanz kann Krebs machen. Es ist immer eine Frage der Dosis." In üblichen Tagesmengen hält die Expertin das Risiko für gering. "Auch ich trinke ohne Bedenken eine Flasche Light-Cola oder tue eine Süßstoff-Tablette in meinen Tee", so die Onkologin.

Auch der Sachverständigenausschuss JECFA sieht den Verzehr von Aspartam innerhalb der akzeptierten Tagesmengen seit 1981 als sicher an. Diese Einschätzung wird von nationalen Regulierungsbehörden weitgehend geteilt, auch in den USA und Europa.

Allerdings berichtet Hübner von einem Trend, dass Krebspatienten auf Zucker verzichteten aus Angst, dieser lasse Krebszellen schneller wachsen, und stattdessen mehr Süßstoff zu sich nähmen. Dies sei aber nicht richtig, da solche "Krebsdiäten" negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf haben könnten. Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum DKFZ schreibt: "Für Krebspatientinnen und Krebspatienten ist eine ausgewogene Ernährung mit allen Nährstoffen - und dazu gehören auch Zucker und Kohlenhydrate allgemein - enorm wichtig."

Stoffwechselmediziner Kabisch ergänzt: "Es bleibt zu hoffen, dass die neue Einstufung besonnen aufgenommen wird und Konsumenten nicht dazu bringt, von Süßstoffen auf Zucker umzusteigen. Es gibt keinen soliden Grund, Süßstoffe aktiv zu vermeiden, aber auch keinen Grund, Süßstoffe aktiv zu empfehlen. Der Nutzen ist gering, der Schaden nicht klar nachweisbar."

Wie (un)gesund sind Aspartam und andere Süßstoffe generell?

Süßstoffe sind eine beliebte Methode, um bei Lebensmitteln den Zuckergehalt zu reduzieren. Doch sie stehen schon länger in der Kritik. Zum einen sind sie laut WHO nicht geeignet, um abzunehmen. Studien hätten gezeigt, dass dies zwar kurzfristig helfen könne, abzunehmen oder nicht weiter zuzunehmen. Bei langfristiger Verwendung steige aber das Risiko einer Gewichtszunahme und von starkem Übergewicht (Adipositas), heißt es in einer neuen Leitlinie der WHO. Bei Erwachsenen sei der langfristige Konsum unter anderem mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergegangen.

Zudem stehen Süßstoffe im Verdacht, die Darmflora zu schädigen. So zeigte eine Studie 2021, dass unter anderem Aspartam Darmbakterien negativ beeinflussen können. Einige konnten dadurch die Darmwand überwinden. Wenn sie so in den Blutkreislauf oder andere Organe gelangen, könnten sie dort Infektionen verursachen, so die Autoren.

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