Neben einer EEG-Probandin steht ein Anschauungsmodell eines Gehirns auf dem Tisch.

Neue Studien Wie unser Gehirn altert

Stand: 08.09.2024 08:59 Uhr

Neue Studien geben Aufschluss darüber, wie unser Gehirn altert. Einen Zusammenhang gibt es mit der Evolution: Besonders schnell altern offenbar die Bereiche, die uns von Affen unterscheiden.

Von Miriam Mair, SWR

Im Alter merken wir, dass wir nicht mehr so leistungsfähig sind wie bisher. Unsere Gehirnleistung nimmt ab. Bis zum Alter von 25 Jahren reift das Gehirn beständig, wird größer und entwickelt sich. Danach baut es langsam ab. Die ersten Alterungseffekte treten aber erst ab 50 Jahren auf.

Auch Schimpansen merken, dass sie älter werden. Sie sind nicht mehr so beweglich und brauchen länger, um Nahrung zu finden. Was uns von Schimpansen unterscheidet, sind unsere Fähigkeiten, zu sprechen oder komplizierte rationale Entscheidungen zu treffen. Doch genau das kann uns beim Altern zum Verhängnis werden.

Der Preis der Evolution

"Interessanterweise konnten wir feststellen, dass zwar die ähnlichen Bereiche bei Menschen und Schimpansen altern, aber dass nur beim Menschen genau in den Bereichen die größten Alterungseffekte sind, die sich am meisten verändert haben in letzter Zeit", erläutert Felix Hoffstaedter. Er arbeitet am Institut für Neurowissenschaften und Medizin am Forschungszentrum in Jülich.

In einer aktuellen Studie haben er und sein Team die Alterung des Gehirns von Menschen und Schimpansen verglichen. "Die letzten entscheidenden Entwicklungen zum Menschen haben wohl ihren Preis. Wir werden dadurch zwar so alt, aber diese Bereiche sind eben auch sehr altersanfällig", so der Forscher weiter.

Abbauende Hirnareale

Die Erkenntnisse stützen das Prinzip "Last in, first out". Die Hirnareale, die sich als letztes entwickeln, bauen sich auch als erstes wieder ab. Dazu gehört vor allem die Region des präfrontalen Kortex. Hier treffen wir Entscheidungen oder lösen Probleme.

"Wir können zwar relativ gut zeigen, wie das Gehirn altert. Zellen werden weniger, eine Ausdünnung findet statt, aber die findet in manchen Bereichen mehr statt als in anderen", sagt Hoffstaedter. Da diese Bereiche besonders stark beansprucht werden, könnte es zu Abnutzungserscheinungen kommen, so die Theorie des Forschungsteams.

Altersvorhersage durch "Gehirn-Uhr"

Ein Forschungsteam aus Chile versuchte mittels einer "Gehirn-Uhr" vorherzusagen, ob das menschliche Gehirn schneller altert, als sein chronologisches Alter vermuten lässt. Dabei berechneten sie mithilfe von Künstlicher Intelligenz die sogenannte Hirnalterslücke, also die Differenz des tatsächlichen chronologischen Alters und des ermittelten Hirnalters.

Dafür untersuchten sie, wie gut die einzelnen Hirnregionen miteinander agieren. Konkret bedeutet eine Hirnalterslücke von zehn Jahren bei einer 50-jährigen Person, dass ihre eigentliche Gehirnleistung der einer 60-jährigen Person entspricht. Somit ist ihr Gehirn älter, als es für ihr eigentliches chronologisches Alter vorgesehen wäre. Das kann bereits zu diesem Zeitpunkt zu einer abnehmenden Gehirnleistung führen.

Einfluss von Umweltfaktoren und Lebensweise

Bedingt wird das Altern des Gehirns auch durch unsere Lebensweise. Umweltverschmutzung, Kultur, sozioökonomische Bedingungen und Ernährung können unser Altern beschleunigen oder hinauszögern. Besonders bei Menschen in Ländern mit stärkerer sozialer Ungleichheit altert das Gehirn schneller als in Vergleichsgruppen aus Europa oder Asien.

Gerade Frauen in Ländern mit großer geschlechtsspezifischer sozialer Ungleichheit, wie zum Beispiel in Lateinamerika oder der Karibik, hatten laut der chilenischen Studie größere Unterschiede zwischen Hirnalter und tatsächlichem Alter als Männer in diesen Ländern.

Zum normalen Alterungsprozess kommen neurodegenerative Krankheiten wie Parkinson, die das Altern beschleunigen. Dabei ist der Unterschied zum normalen Altern nicht so groß. "Die gesunde Alterung des Gehirns ist nicht grundsätzlich unterschiedlich zu bestimmten Krankheitsverläufen, findet aber natürlich auf sehr viel langsamere Weise statt", erklärt Hoffstaedter.

Chance für neue Alzheimer-Therapien

Forschende am Max-Planck-Institut für Psychiatrie kamen zum Ergebnis, dass sich die Genaktivität in verschiedenen Zelltypen des Gehirns im Laufe des Lebens verändert. Besonders betroffen ist die Aktivität der Gene, die für die Kommunikation zwischen den Nervenzellen zuständig sind.

Diese kann dann nicht mehr so schnell ablaufen wie früher. Damit ist zu erklären, dass wir im Alter vergesslicher werden. Hier könnte man in Zukunft mit neuen Therapien, etwa für Alzheimer, ansetzen.

Die genetischen Grundvoraussetzungen, die uns anfälliger fürs Altern machen, können wir nicht beeinflussen. Doch laut Hoffstaedter können wir das Altern etwas hinauszögern. Nämlich durch "gesunde Lebensführung, Ernährung, Bewegung und soziale Kontakte".

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