Zitternde Hände

Welt-Parkinson-Tag Was sich in der Parkinson-Forschung tut

Stand: 11.04.2024 08:03 Uhr

400.000 Menschen leiden in Deutschland an Parkinson, der zweithäufigsten neurodegenerativen Erkrankung nach Alzheimer. An neuen Medikamenten wird intensiv geforscht - mit positiven Ergebnissen.

Von Ulrike Till und Martina Janning, SWR

Parkinson ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurologische Erkrankung in Deutschland, rund 400.000 Menschen sind hierzulande betroffen. Parkinson lässt sich mit Medikamenten behandeln - allerdings verlieren die Mittel mit der Zeit an Wirkung. Fachleute und Betroffene hoffen daher schon lange auf die Entwicklung neuer Wirkstoffe.

An neuen Medikamenten gegen Parkinson wird intensiv geforscht. Es gibt vielversprechende neue Ergebnisse. Gerade ist eine französische Studie zu einem Wirkstoff zur Diabetes-Behandlung erschienen, der möglicherweise auch bei Parkinson hilft. Lixisenatid heißt die Substanz.

An der Studie nahmen 156 Probandinnen und Probanden mit leichtem bis mittelschwerem Parkinson teil. Die Hälfte bekam das Diabetesmittel, die anderen nur ein Placebo. Alle schluckten außerdem weiter ihre Standardmedikamente. Nach einem Jahr hatte sich die Parkinson-Erkrankung in der Placebogruppe verschlechtert. Den Probanden und Probandinnen mit Lixisenatid ging es dagegen nicht schlechter - auch das gilt in der Fachwelt als Fortschritt.

Was ist Parkinson?
Parkinson entsteht durch einen Mangel an Dopamin im Gehirn - immer mehr Nervenzellen, die den wichtigen Botenstoff produzieren, sterben ab. Das führt zu Muskelzittern und hemmt die Beweglichkeit. Was Parkinson verursacht, ist noch nicht vollständig verstanden. Es wird vermutet, dass es eine Kombination aus genetischen, Umwelt- und Lebensstilfaktoren ist, die zu Parkinson führt. Bestimmte Pflanzenschutzmittel und Chemikalien gelten als mögliche Auslöser.

Wirkweise bei Parkinson noch ungeklärt

Noch ist offen, wie sich der positive Effekt bei Parkinson erklären lässt. Möglicherweise liegt es daran, dass der Wirkstoff Entzündungen bekämpft. Das könnte den Verlust von Nervenzellen bremsen.

Ob Menschen mit Parkinson dieses oder ein anderes Diabetesmittel einmal verordnet bekommen, ist im Moment noch fraglich. Denn der Unterschied zur unbehandelten Gruppe war eher klein, und es gab unerfreuliche Nebenwirkungen, vor allem Übelkeit. Aber der getestete Wirkstoff ist schon älter, und inzwischen gibt es besser verträgliche Nachfolger.

Für David Standaert, einem Neurologen an der University of Alabama in Birmingham, ist es vor allem wichtig, ob der Effekt länger als ein Jahr anhält und ob er mit den Behandlungsjahren zunimmt oder klein bleibt. "Es gibt eine lange Geschichte von verschiedenen Versuchen bei Parkinson, die letztendlich nicht funktioniert haben", sagte er dem Fachmagazin Nature.

Eignet sich die Abnehmspritze zur Behandlung von Parkinson?

Wichtig ist: Die untersuchte Substanz Lixisenatid gehört zur selben Klasse von Medikamenten wie die Abnehmspritze Wegovy und ähnliche Diabetesmittel. Das sind alles sogenannte GLP-1-Rezeptor-Agonisten. Vielleicht wirken Wegovy und verwandte Mittel besser und in niedrigerer Dosis gegen Parkinson.

Jetzt kommt es auf Langzeitstudien an. Wenn sich Parkinson mit dieser Klasse von Diabetesmitteln über mehrere Jahre stoppen ließe, wäre das ein Riesenfortschritt. In den nächsten Monaten werden dazu erstmals Ergebnisse einer zwei Jahre laufenden Studie erwartet.

Was sind GLP-1-Rezeptor-Agonisten?
GLP-1 steht für "Glucagon-like peptide 1". Das ist ein Hormon, das natürlich im Körper vorkommt. Es stimuliert die Insulinproduktion und senkt den Blutzuckerspiegel nach den Mahlzeiten. GLP-1-Rezeptor-Agonisten sind synthetische Verbindungen, die wie das natürliche GLP-1-Hormon wirken.

Neue Neuroprothese lässt Parkinson-Patient wieder normal laufen

Es gibt auch neue Forschung zu anderen Behandlungsformen. Ende vergangenen Jahres gab es aufsehenerregende Ergebnisse: Ein französischer Parkinson-Patient kann jetzt dank einer neuartigen Neuroprothese zum ersten Mal seit Jahren wieder weitgehend normal laufen. Vorher war er täglich mehrfach gestürzt und konnte nur stockend gehen.

Eine Chirurgin in Lausanne hat dem Mann mehrere kleine Pulsgeber direkt am Rückenmark implantiert. Und zwar genau an den Stellen, an denen die Nervensignale für die Beinbewegungen abgehen. Das Problem sind die Informationen, die aus dem Gehirn Richtung Beine losgesendet werden. Genau hier hat das Forschungsteam angesetzt und diese Information durch elektrische Signale korrigiert. Allerdings ist die Operation an der Wirbelsäule riskant, und die Krankheit schreitet auch mit Neuroprothese weiter fort.

Dieses Jahr sollen sechs weitere Menschen mit Parkinson in Lausanne behandelt werden. Danach wissen wir mehr darüber, wie aussichtsreich der Ansatz auch für andere Patienten ist. Allerdings wird es dann noch Jahre dauern, bis davon vielleicht einmal viele Menschen profitieren können.

Mehr Lebensqualität durch Bewegung und Ernährung

Es gibt auch neue Erkenntnisse, die den Alltag mit Parkinson schon jetzt erleichtern können. Die neue Behandlungsleitlinie betont unter anderem, dass es neben dem Zittern und den Bewegungsstörungen weitere häufige Probleme bei Parkinson gibt, die aber oft übersehen werden. Dazu gehören niedriger Blutdruck, Verstopfung, Schwierigkeiten mit der Blase und Sprach- oder Schluckstörungen. Mit Medikamenten und Übungen lässt sich hier gut gegensteuern.

Ganz wichtig ist, dass Parkinson sich auch mit Bewegung und Ernährung positiv beeinflussen lässt. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Ausdauersport dem Abbau von körperlichen und geistigen Fähigkeiten bei Menschen mit Parkinson entgegenwirkt. Auch eine mediterrane Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Vollkornprodukten gilt als günstig.

Wer an Parkinson leidet, könnte auch von spezieller Physiotherapie und kognitiven Übungen profitieren. Doch solche maßgeschneiderten Programme erreichen bisher nur wenige Betroffene. Fachleute kritisieren das und fordern dringend bessere Angebote für das Gros der Patientinnen und Patienten mit Parkinson.