Schwarzes Melanom

Tag der Immunologie Mit eigenen Zellen gegen den Hautkrebs

Stand: 29.04.2024 11:53 Uhr

Im Jahre 1988 veröffentlichte ein US-amerikanischer Forscher eine neue Idee, wie man Hautkrebs behandeln könnte. Die erste Zulassung einer entsprechenden Therapie ließ auf sich warten - jetzt macht sie Hoffnung.

Von Veronika Simon, SWR

Der Chirurg und Krebsforscher Steven Rosenberg arbeitet am National Cancer Institute in den USA. Er gilt als einer der Pioniere der Immuntherapie gegen Krebs. In den 1980er-Jahren hatte er eine Idee: Er wollte Patienten, die an schwarzem Hautkrebs erkrankt waren, mit ihren eigenen Zellen behandeln.

Denn solche Tumore können eine echte Herausforderung sein. Sie verstecken sich vor dem Immunsystem, machen sich unsichtbar. Doch im Inneren dieser Tumore findet man durchaus einige Zellen, die es geschafft haben, einzudringen. Man sagt: Sie haben den Tumor infiltriert.

Über 35 Jahre von der Idee zur zugelassenen Therapie

Der Tumor wehrt sich gegen die Immunzellen, er deaktiviert sie. Obwohl die Immunzellen, auch Lymphozyten genannt, eindringen konnten, können sie den Krebs nicht in Schach halten. Doch dass sie es überhaupt hineingeschafft haben - das wollte sich Steven Rosenberg zu Nutze machen. Er und sein Team isolierten diese Tumor-infiltrierenden Lymphozyten, kurz TILs genannt, vermehrten sie und behandelten die Hautkrebs-Patienten schließlich mit ihren eigenen Zellen.

Und das mit Erfolg: Bei etwa einem Drittel schlug die Therapie in dieser ersten Studie an, der Tumor schrumpfte. Die Immuntherapie mit TILs war also erfunden. Das war vor 36 Jahren.

Diese Idee, Tumore mit den körpereigenen Zellen zu behandeln, besticht, sagt Stephan Fricke. Er leitet die Abteilung für Zell- und Gentherapieentwicklung am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig. "Der Vorteil von diesen vom Patienten selbst stammenden Zellen ist, dass diese Zellen den Tumor bereits erreicht haben. Sie haben also schon wesentliche Barrieren, die vom Tumor geschaffen worden sind, überwunden", so Fricke.

Mischung aus Zellen macht die Therapie besonders effektiv

Dabei handle es sich von Patient zu Patient um eine andere Mischung an Zellen, die man im und um den Tumor herum vorfindet. Ein großer Vorteil, so Fricke: "So können Sie verschiedene Merkmale des Tumors erkennen. Das ist sehr, sehr wichtig - so haben Sie eine hohe Treffsicherheit gegenüber genau diesem Tumor."

Praktisch bedeutet das: Die Therapie besteht nicht aus einem immer gleichen Medikament. Jeder Patient und jede Patientin erhält die eigenen lebenden Zellen zurück. Das ergibt jedes Mal eine andere Zusammensetzung, die genau auf ihn oder sie zugeschnitten ist. Doch so einleuchtend diese Idee ist und auch wenn ihr Potential bereits in den 1980er-Jahre erkannt wurde: Die erste Zulassung für eine Therapie, die auf dieser Technik beruht, gab es erst vor kurzem, im März 2024.

Die Herstellung ist komplex

Denn ganz so einfach, wie es klingt, war das mit den Tumor-infiltrierenden Lymphozyten nicht, erklärt Zelltherapie-Experte Fricke. Die Zellen liegen im Tumor nur in geringen Konzentrationen vor, außerdem hat das Milieu des Tumors ihre Funktion stark beeinträchtigt oder diese sogar stillgelegt. Sie müssen erst wieder aktiviert werden, das geht nicht mit allen Zellen gleich gut.

"Es ist nicht trivial, die richtigen Zellen auszuwählen und diese dann zu vermehren", so der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie aus Leipzig. "Das hat Zeit gebraucht. Deshalb gibt es auch erst heute ein erstes Produkt, das in den USA zugelassen ist und das auf dieser Technik basiert."

Fortschritte bei der Behandlung von Hautkrebs

Die nötige technische Expertise zur sicheren Herstellung der Therapie sei erst in den vergangenen Jahren entstanden, so Fricke. Außerdem hätten die Zulassungsstudien viel Zeit gebraucht. Bei der Behandlung von bösartigen Melanomen hat sich in den letzten Jahren jedoch auch ohne den Einsatz von TILs viel getan.

Unter anderem durch andere Immuntherapien, sogenannte Checkpoint-Inhibitoren, hätten sich die Behandlungsmöglichkeiten deutlich verbessert, sagt Jochen Sven Utikal, Experte für schwarzen Hautkrebs an der Universitätsmedizin Mannheim und am Deutschen Krebsforschungszentrum. Für diese Therapie gab es 2011 den Nobelpreis für Medizin. "Da haben wir einen deutlichen Fortschritt gemacht", so Utikal.

"Nichtsdestotrotz gibt es Patienten, die auf die Immuntherapie nicht mehr ansprechen. Und da sucht man gegenwärtig nach alternativen Möglichkeiten - und diese TIL-Therapie ist eine davon." In den Zulassungsstudien schrumpften die Tumore nach der TIL-Behandlung bei etwa 30 Prozent der Betroffenen. Bei etwa 20 Prozent war der Krebs nach der Therapie nicht mehr nachweisbar.

Therapie ist technisch anspruchsvoll

Für den Dermatologen Utikal ein Erfolg: "Die Patienten haben ja auf die gängigen Therapien, die verabreicht wurden, schon nicht mehr richtig angesprochen. Und insofern sind das schon sehr, sehr gute Daten", so der Hautkrebs-Spezialist. Allerdings brauche es für die Behandlung spezialisierte Zentren, auch wenn demnächst die Zulassung in der EU kommen sollte. Denn die Therapie ist technisch sehr anspruchsvoll und personalisiert - jeder Patient und jede Patientin erhält seine oder ihre eigenen, aufbereiteten Zellen zurück.

Eine weitere Frage ist der Preis: Da jede Behandlung einzeln, in einem komplexen Prozess hergestellt werden muss, ist die Therapie sehr kostspielig - mit aktuell etwa einer halben Million US-Dollar zum Teil noch teurer als andere Immun- oder Zelltherapien, die bereits auf dem Markt sind.

Kann die Technik auf andere Tumore übertragen werden?

Zurzeit würde viel daran geforscht, wie man solche Therapien günstiger herstellen könne, erklärt Stephan Fricke vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie. Denn: Die Technik der Tumor-infiltrierenden Immunzellen hat über den Schwarzen Hautkrebs hinaus ein großes Potential. "Prinzipiell ist es so, dass diese Technik auf andere Tumorarten übertragen werden könnte und übertragen werden sollte."

Denn andere Zell- und Immuntherapien haben zum Teil Schwierigkeiten, in sogenannte solide Tumore einzudringen. Bei ihnen handelt es sich um Geschwülste - sie haben diverse Abwehrmechanismen, um einen Angriff des Immunsystems aufzuhalten.

“Meilenstein in der Zelltherapie”

Doch bis dahin ist noch einiges an Forschung nötig. Denn ein Hirntumor hat zum Beispiel eine andere Biologie als ein Tumor im Darm. Nicht alle Erkenntnisse der Hautkrebsbehandlung lassen sich eins zu eins auf andere Erkrankungen übertragen. Auch die Sicherheit der Therapie müsse häufig für jede Tumorart einzeln überprüft werden.

Die erste Zulassung eines TIL-Medikaments ist für den Zell- und Gentherapie-Experten Fricke jedoch ein wichtiger Schritt: "Es ist ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Zelltherapie mit Potenzial in der Behandlung von soliden Tumoren." Und es zeigt, dass sich in der medizinischen Forschung ein langer Atem bezahlt macht. Denn manchmal dauert es über 30 Jahre, bis aus einer guten Idee ein zugelassenes Medikament wird.

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