Zementwerk bei Holzim

Klimakrise Comeback für CCS-Technologie?

Stand: 19.01.2023 15:46 Uhr

Lange war es umstritten, doch angesichts der Klimakrise könnte das Einlagern von CO2 in der Erde eine Renaissance feiern. Wie sicher ist die Technologie? Und kann sie wirklich zum Klimaschutz beitragen?

Von Marleen Wiegmann, tagesschau.de

Deutschland hat sich festgelegt: Bis 2045 soll das Land klimaneutral sein. Doch die Emissionen sinken nicht schnell genug, um dieses Ziel einzuhalten. Deshalb fordern Forscher, zusätzlich zu den Einsparungen CO2 auf andere Weise zu reduzieren. In Deutschland könnte dabei eine bereits bekannte Technologie ein Comeback feiern: Carbon Capture and Storage (CCS), auf deutsch: das Abscheiden und unterirdische Speichern von CO2.

Die Reise von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck nach Norwegen vor zwei Wochen könnte ein Hinweis darauf sein. Denn CO2 aus Deutschland soll künftig nach Norwegen transportiert und dort unter dem Meeresboden eingelagert werden. Noch in diesem Jahr will die Bundesregierung eine Carbon-Management-Strategie erarbeiten und gesetzliche Hürden beseitigen, die den Transport von CO2 nach Norwegen aktuell behindern.

Nutzung von alten Erdgasfeldern

Bei CCS wird CO2 aus beispielsweise Kohlekraft- oder Zementwerken abgeschieden, verflüssigt und dann über Pipeline, Schiff oder Lkw zur Lagerstelle transportiert. Die kann sich in tiefen Gesteinsschichten an Land (On-Shore) oder unter dem Meeresboden (Off-Shore) befinden. Um das CO2 einzuleiten, werden auch alte Erdgasfelder genutzt, da Gase hier bereits zuvor für mindestens 10.000 Jahre lagerten.  

Aktuell wird die CO2-Abscheidung vor allem in Industriebetrieben verfolgt. Dabei gibt es verschiedene Verfahren, die an unterschiedlichen Stellen im industriellen Prozess ansetzen. Sie entfernen das CO2 entweder vor oder nach der industriellen Verarbeitung oder behandeln die Luft, mit der Verbrennungen durchgeführt werden. 

Das Herausfiltern aus der Atmosphäre ist zurzeit noch sehr teuer und energieintensiv. CCS soll laut Habeck eine Übergangslösung für unvermeidbare Emissionen sein, die aktuell nicht vermieden werden können.

Unvermeidbare Emissionen bei Zementproduktion

"Kohlekraftwerke sind bei der CO2-Abscheidung kein Thema mehr", sagt Bernd Epple, Leiter des Fachgebiets Energiesysteme und -technik an der Technischen Universität in Darmstadt. Denn sie haben keine Zukunft mehr - und Investitionen in eine Technik mit Ablaufdatum lohnen sich wirtschaftlich nicht.

Anders ist das etwa bei Zementwerken. Dort entsteht nämlich zwangsläufig CO2 und Beton wird weiterhin ein gefragter Baustoff bleiben. Durch die Produktion entstehen laut einem WWF-Bericht von 2019 insgesamt acht Prozent aller Treibhausgasemissionen weltweit.

Die norwegische Gasplatform Sleipner

Die norwegische Gasplattform Sleipner war das erste industrielle CCS-Projekt weltweit. Jährlich wird hier etwa eine Million Tonnen CO2 eingelagert.

Keine industrielle Nutzung in Deutschland

Dauerhaft soll CO2 aber nicht nur exportiert, sondern auch auch in Deutschland eingelagert werden. Mögliche Orte dafür gibt es bereits: In den tieferen Gesteinsschichten der deutschen Nordsee gibt es laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffen (BGR) Platz für mehrere Milliarden Tonnen CO2. Die werden zurzeit jedoch kaum genutzt.

Denn vor mehr als zehn Jahren gab es bereits eine hitzige Diskussion rundum die Speicherung von CO2 in Deutschland. Damals wollten sich insbesondere Kohlekraftwerke einen grüneren Anstrich geben. Bürgerinitiativen gingen dagegen vor. Die Folge: In Deutschland gibt es keine industrielle Nutzung von CCS und nur wenige Forschungsprojekte. 

Geologen halten Technik für sicher

Doch auch heute noch, wo es nicht mehr um die Ökobilanz von Kohlekraftwerken geht, gibt es Kritik an CCS. Karsten Smid ist Klima- und Energieexperte von Greenpeace. Für ihn ist CCS auch zehn Jahre später keine Option. Vielmehr befürchtet er, dass das CO2 durch Lecks und Erdbeben wieder entweichen könnte.

Klaus Wallmann sieht das anders. Er forscht seit Jahren zu CCS am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und ist der Meinung: "Wir brauchen CCS, um den Klimawandel einzudämmen." Ebenso formulieren es viele seiner Kollegen. CCS sei dabei ein Mittel, um klimaneutral zu werden. Das bedeutet, dass sich die Menge von ausgestoßenen und abgebauten Emissionen ausgleicht. Das kann zum Beispiel über Aufforstung geschehen oder auch Technologien wie CCS. Auch der Weltklimarat bezieht CCS daher als Mittel gegen den Klimawandel ein.

Bei Lecks geringer Einfluss auf Ökosystem

Wallmann war auch Koordinator für das von der EU geförderte Projekt ECO2. Ein Team aus Wissenschaftlern untersuchte norwegische CO2-Lagerstätten auf Lecks - gefunden haben sie keine. Sollte Gas dennoch austreten, wäre der Einfluss auf die Organismen gering, so Wallmann. "Wenn CO2 aus einem Leck austreten sollte, löst es sich bodennah auf. Das Wasser wird in der Folge sauer, und das hat einen negativen Einfluss auf die Artenvielfalt. Der Radius des Schadens ist jedoch gering."

Sebastian Bauer ist Geowissenschaftler an der Universität in Kiel und am Projekt GEOSTOR beteiligt. Das Team will unter anderem die geologischen Speicherkapazität für CO2 unterhalb der Nordsee neu berechnen. Bauer hat bereits vor zehn Jahren intensiv zu CCS geforscht. Auch er denkt, dass ohne CCS die ehrgeizigen Klimaziele nicht erreicht werden. "Das war aber auch schon vor 15 Jahren so." Mögliche Risiken hängen dabei laut Bauer stark mit dem jeweiligen Standort für die Lagerung von CO2 zusammen.

Pilotstandort Ketzin - 67.000 Tonnen CO2 verpresst

Bei möglichen CCS-Standorten ist besonders die Auswahl von geeigneten Standorten wichtig. Bei der Lagerung von CO2 in tiefen Gesteinsschichten unter Land gibt es mehr Schutzgüter - wie etwa Bebauung und Grundwasser. Insbesondere letzteres könnte bei der Verpressung von CO2 im Boden verunreinigt werden. 

Dass die Lagerung von CO2 On-Shore dennoch gelingen kann, zeigte ein Pilotprojekt bei Ketzin. Wissenschaftler vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam haben von 2008 bis 2013 rund 67.000 Tonnen CO2 im Boden verpresst. Die anschließende Überwachung erfolgte über vier Jahre hinweg. Seitdem gilt es als eines der Vorzeigeprojekte für die Lagerung von CO2.

Anlage zur Kohlendioxidverpressung in Ketzin (Archivbild)

Ketzin war das europaweit einzige On-Shore-Projekt zu CCS.

Oberstes Ziel: Vermeidung von Emissionen

Wenn es nach Habeck geht, pumpt Deutschland schon bald einen Teil seines CO2 nach Norwegen. Der Wirtschaftsminister hält den Einsatz von CCS für notwendig, damit Deutschland bis 2045 das Ziel der Klimaneutralität erreichen kann. Das unterstreicht auch der Evaluierungsbericht zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz, das auch CCS reguliert. Das oberste Ziel sei jedoch noch immer die Reduktion von Emissionen.

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